
In Berlin nimmt das schwarz-rote Ringen um einen Koalitionsvertrag Form an: Am Abend des 24. März 2025 haben die Arbeitsgruppen (AG) von Union und SPD ihre Koalitionsverhandlungspapiere erstmals zusammengetragen. Insbesondere die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen der AG 4 (Verkehr und Infrastruktur, Bauen und Wohnen), die AG 15 (Klima und Energie) sowie AG 2 (Wirtschaft, Industrie, Tourismus) lassen neben der ein oder anderen streitigen Frage schon einige Hinweise auf die zukünftige Politik erkennen.
A. Verkehr und Infrastruktur
- Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung: Die Parteien streben eine grundsätzliche Überarbeitung von Planungs-, Bau-, Umwelt-, Vergabe- und des (Verwaltungs-)Verfahrensrechts an. Formalisierte Verfahren sollen flexibilisiert, Verfahrensstufen reduziert und Doppelprüfungen abgebaut werden. Verbandsklagemöglichkeiten sollen beschränkt und die Öffentlichkeit in Planungsverfahren nur einmalig beteiligt werden. Außerdem planen die Parteien – vor allem beim Ersatzneubau von Infrastrukturvorhaben – grundsätzlich kein aufwändiges Planfeststellungsverfahren mehr vorzusehen, sondern das Plangenehmigungsverfahren mit seinen deutlich vereinfachten Verfahrensvorschriften als Regelverfahren vorzusehen. Zudem soll ein einheitliches Verfahrensrecht für sämtliche Infrastrukturvorhaben geschaffen werden. Weiter wurde ein Naturflächenbedarfsgesetz angekündigt, das die Ausweisung und Vernetzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erleichtern soll.
- Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV): Die Parteien wollen eine bezahlbare, verfügbare und umweltverträgliche Mobilität in Stadt und Land ermöglichen. Verkehrsträger sollen in geschlossene Finanzierungskreisläufe, bestehend aus einem Drei-Säulen-Modell von Haushaltsmitteln, Nutzerfinanzierung und privatem Kapital, überführt werden. Rad- und Fußverkehr soll gefördert werden. Zur Stärkung des ÖPNV planen die Parteien, dass Bund und Länder die ÖPNV-Finanzierung auf eine neue gesetzliche Grundlage stellen und einen Modernisierungspakt starten, dessen Regionalisierungsmittel vorrangig zur Bestellung des Schienenpersonennahverkehrs verwendet werden sollen. Das Deutschlandticket soll über 2025 hinaus fortgesetzt werden. Dabei ist geplant, den Anteil der Nutzerfinanzierung ab 2027 schrittweise und sozialverträglich zu erhöhen. Es soll eine Flottenumrüstung auf klimaneutrale Busse im ÖPNV erfolgen.
- Straßenverkehr: Die Parteien planen, aus dem Sondervermögen zur Behebung des Sanierungsstaus insbesondere bei Brücken und Tunneln finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Unter Wahrung hoher Standards soll die Fahrausbildung reformiert werden, um den Führerschein bezahlbarer zu machen. Um dem Fahrermangel entgegenzuwirken, ist zudem eine Reform der Berufskraftfahrerqualifikation sowie eine Verbesserung der infrastrukturellen Rahmenbedingungen angedacht. Schwer- und Großraumtransporte sollen schneller genehmigt werden können. Der flächendeckende Ausbau der Ladeinfrastruktur soll vorangetrieben und in gesteigertem Maße gefördert werden. Deutschland soll zudem Leitmarkt für das autonome Fahren werden und mit den Ländern Modellregionen entwickeln und mitfinanzieren. Über die Einführung eines Tempolimits von 130 km/h auf deutschen Autobahnen wird derzeit noch gestritten.
- Schienenverkehr: Investitionen in das deutsche Schienennetz sollen deutlich erhöht und der Güterverkehr zunehmend von der Straße auf die Schiene verlagert werden. Hierfür soll ein „Infraplan“ als gesetzliches Steuerungselement entwickelt und mit einem „Eisenbahninfrastrukturfonds“ versehen werden. Der Fokus soll hierbei auf der Digitalisierung und Elektrisierung der Eisenbahninfrastruktur liegen. Der Deutschlandtakt soll durch den gezielten Aus- und Neubau der Eisenbahninfrastruktur etappenweise und fahrplanorientiert etabliert werden. Mittelfristig soll zur Qualitätssteigerung des Schienenverkehrs zudem eine grundlegende Bahnreform kommen, die unter anderem die weitere Entflechtung der DB InfraGO vom DB-Konzern durch rechtliche, personelle und organisatorische Maßnahmen zur Folge hat.
- Wasserstraßen- und Luftverkehr: Wasserstraßen, Schleusen sowie See- und Binnenhäfen sollen gefördert und ausgebaut werden. Im Bereich Luftverkehr zielen die Parteien darauf ab, die Modernisierung in der Luftfahrtindustrie und des Luftverkehrs in die Richtung eines fairen Wettbewerbs und der Dekarbonisierung zu gestalten. Zur Unterstützung des Wirtschaftswachstums sind sich die Parteien einig darüber, die internationale Konnektivität deutscher Flughäfen zu verbessern. Die Parteien planen zudem, die Erhöhung der Luftverkehrssteuer aus dem Jahr 2024 zurückzunehmen sowie die Ptl – Quote abzuschaffen. Luftverkehrsspezifische Steuern, Gebühren und Abgaben sollen reduziert werden. Europäische Fluggesellschaften sollen in Bezug auf die Sustainable Aviation Fuel (SAF)-Quote nicht schlechter gestellt werden als außereuropäische. Die Hälfte der Einnahmen aus dem luftfahrtinduzierten ETS-1 soll zur Förderung der Marktimplementierung von SAF verwendet werden.
B. Klima und Energie
- Klimaschutz: Die Parteien bekennen sich zum Ziel der Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 sowie zum Pariser Klimaabkommen. Dabei sollen Klimaschutz, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und soziale Ausgewogenheit zusammengebracht und auf Innovation gesetzt werden. Deutschland solle Industrieland bleiben. Uneinigkeit besteht noch darüber, ob zur Erreichung der Ziele auch CO2-Reduzierungen in Partnerländern herangezogen werden dürfen.
- Emissionshandel: Der European Green Deal und der Clean Industrial Act müssen laut Arbeitsgruppe weiterentwickelt werden. Der Emissionshandel soll weiterhin als zentraler Baustein vorangetrieben und weitere Länder sollen für eine CO2-Bepreisung gewonnen werden. Hierbei sei auf Wettbewerbsfähigkeit und soziale Akzeptanz zu achten. Die Union möchte außerdem, dass negative Emissionen und sog. Art. 6 Credits im Sinne des Pariser Klimaabkommens im ETS1 berücksichtigt werden. Die Einführung des ETS-1 wird befürwortet, wobei besonders belastete Haushalte und Wirtschaftsbranchen unterstützt werden sollen.
- Energiewende: Die Energiewende soll mit Hilfe von u. a. Sonnenenergie, Windenergie, Bioenergie, Geothermie und Wasserkraft gelingen. Auch möchten die Parteien Technologien wie Wärmerückgewinnung und Flugwindkraft/Höhenwindenergie stärken. Ein Monitoring soll bis zur Sommerpause 2025 den Strombedarf sowie den aktuellen Stand des Ausbaus der erneuerbaren Energien und der damit zusammenhängenden Aspekte aufzeigen und als Grundlage für das weitere Handeln dienen.
- Energiepreise: Die Parteien möchten die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß senken und Umlagen sowie Netzentgelte reduzieren. Die Strompreiskompensation soll dauerhaft verlängert und auf weitere Branchen ausgeweitet werden. Das AG-Papier sieht außerdem eine besondere Entlastung für energieintensive Unternehmen vor (Industriestrompreis). Die Gasspeicherumlage soll ganz abgeschafft werden. Insbesondere im Hinblick auf die Senkung der Energiekosten für die energieintensiven Unternehmen knüpfen die Maßnahmen auch an die Initiativen auf europäischer Ebene an, die mit dem Europäischen Aktionsplan für Stahl und Metalle der Europäischen Union (Gleiss Lutz) und dem Europäischen Aktionsplan für erschwingliche Energie (Gleiss Lutz) ebenfalls Maßnahmen wie Effizienzsteigerung der Netzentgelte, Senkung der Energieabgaben und -steuern und Erleichterung von Stromabnahmeverträgen insbesondere für die energieintensiven Industrien vorsehen.
- Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung: Der Ausbau erneuerbarer Energien soll durch Planungserleichterung beschleunigt werden. Die Union möchte künftig bei Projekten der Energiewende auf den naturschutzrechtlichen Ausgleich verzichten und Verbandsklagerechte reduzieren bzw. diese auf europäischer Ebene abschaffen.
- Netze: Das AG-Papier sieht vor, dass kritische Energie-Infrastruktur resilient und bestmöglich geschützt werden soll. Hierbei wird auch auf die Umsetzung der NIS-2-Richtlinie verwiesen. Beim Ausbau von HGÜ-Übertragungsnetzen sind sich die Parteien noch uneinig: Die Union bevorzugt Freileitungen und die SPD die Erdverkabelung.
- Flexibilisierung: Die flexible Nutzung von erneuerbaren Energien soll verbessert werden. Dabei wollen die Parteien u. a. Energiespeicher als im überragenden öffentlichen Interesse anerkennen und diese im Zusammenhang mit privilegierten Erneuerbaren-Energien-Erzeugungsanlagen ebenfalls privilegieren.
- Finanzierung: Das AG-Papier sieht ein Investitionsfonds für die Energieinfrastruktur vor, wobei öffentliche Garantien und privates Kapital eine Rolle spielen sollen.
- Windenergie: Während die SPD am 2 %-Flächenziel festhalten möchte, soll nach der Union das Flächenziel für Windkraft alternativ auch durch ein Ökostromziel erfüllt werden können.
- Geothermie: Hier soll es eine Änderung des Geothermie-Gesetzes geben, wobei die Parteien die Absicherung des Fündigkeitsrisikos adressieren möchten.
- Kraftwerkstrategie: Die Parteien wollen den Bau von bis zu 20 GW an Gaskraftwerksleistung bis 2030 technologieoffen anreizen.
- CCS/CCU: Ein Gesetzespaket soll carbon capture and storage (CCS) und carbon capture and usage (CCU) ermöglichen. Die Parteien sehen in diesem Zusammenhang die Ratifizierung des London-Protokolls sowie die Schaffung von bilateralen Abkommen mit Nachbarländern als höchste Priorität.
- Wasserstoff: Das AG-Papier sieht eine deutschlandweite Anbindung der industriellen Zentren mit Blick auf das Wasserstoffnetz im Süden und Osten Deutschlands vor. Wasserstoffspeicher sollen berücksichtigt werden.
- Kohleausstieg und Strukturwandel: An den beschlossenen Ausstiegspfaden für die Braunkohleverstromung bis spätestens 2038 wollen die Parteien festhalten. Der Zeitplan, Kohlekraftwerke vom Netz oder in die Reserve zu nehmen, müsse sich danach richten, wie schnell es gelingt, steuerbare Gaskraftwerke tatsächlich zuzubauen.
- Kernenergie: Die Union vertritt den Standpunkt, dass die Kernkraft mit Blick auf die Klimaziele und die Versorgungssicherheit eine bedeutende Rolle spielen kann und setzt dabei im europäischen Kontext auf die Forschung zu Kernenergie der neuesten Generation, Small Modular Reactors und Fusionskraftwerken. Es soll eine Bestandsaufnahme stattfinden, ob die Wiederaufnahme des Betriebs der zuletzt abgeschalteten Atomkraftwerke unter vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand noch möglich ist. Rückbauvorhaben sollen umgehend gestoppt werden. Die SPD hat die Kernkraft hingegen nicht auf ihrem Zettel.
- KWK: Die Parteien planen für 2025 eine Anpassung des KWKG an die Herausforderungen einer klimaneutralen Wärmeversorgung, an Flexibilitäten sowie hinsichtlich eines Kapazitätsmechanismus.
- Energieeffizienz: Die Energieeffizienz soll durch steuerliche Anreize und Marktsignale gestärkt werden. Die Parteien planen, das Energieeffizienzgesetz und das Energiedienstleistungsgesetz zu novellieren und vereinfachen, ohne dabei die Flexibilität des Strompreises zu behindern. Während die CDU die beiden Gesetze wieder gerne auf das Unionsrecht zurückschrauben würde, möchte die SPD an den strengeren deutschen Vorgaben festhalten. Außerdem macht sich die CDU für ein relatives, die SPD für ein absolutes Energiesparziel stark.
- Wärme: Beim Thema Wärme herrscht aktuell noch erheblich Uneinigkeit: Die CDU plant, das Heizungsgesetz abzuschaffen und begehrt einen Paradigmenwechsel weg von einer kurzfristigen Energieeffizienzbetrachtung beim Einzelgebäude hin zu einer langfristigen Betrachtung der Emissionseffizienz unter Beibehaltung der Heizungsförderung. Die nationalen Gebäudeeffizienzklassen im GEG sollen mit unseren Nachbarländern harmonisiert und Spielräume bei der Umsetzung der EPBD ausgeschöpft werden. Die Spielräume werden allerdings nicht konkrete benannt. Die CDU setzt sich zudem für eine Verlängerung der Umsetzungsfristen ein. Dagegen möchte die SPD eine Novellierung des GEG, die die geltenden Regelungen technologieoffener, flexibler und einfacher machen und mit verlässlicher, unbürokratischer, effizienter und sozial gestaffelter Förderung flankieren sollen. Die CO2-Vermeidung soll aus SPD-Sicht dabei zur zentralen Steuerungsgröße werden, um die Gesamteffizienz eines Gebäudes durch Heizung, Gebäudehülle und Umfeldmaßnahmen zu verbessern. Die SPD fordert zudem, dass die neuen Regeln bundesweit einheitlich am 1. Juli 2026 in Gemeindegebieten über 100.000 Einwohnern und am 1. Juli 2028 in allen anderen Gemeindegebieten in Kraft treten sollen. Einig sind sich die Parteien jedoch in den Punkten, dass das GEG und die kommunale Wärmeplanung enger verzahnt werden müssen. Der Bau von Nah- und Fernwärmenetzen soll unterstützt werden, vor allem durch die gesetzliche Regelung der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW), deren genaue Umsetzung jedoch ebenfalls noch strittig ist. Um sichere Investitionsbedingungen zu schaffen, sind Novellen der AVBFernwärme-Verordnung und der Wärmelieferverordnung in Planung.
- Staatsbeteiligungen: Die Parteien wollen strategische Beteiligungen im Energiesektor prüfen.
C. Wirtschaft, Industrie und Tourismus
- Unternehmensgründung: Mit dem Ziel der Entbürokratisierung wollen die Parteien eine Gründerschutzzone prüfen, notarielle Vorgänge vereinfachen und digitale Beurkundungsprozesse mit automatischen Datenaustausch zwischen Notariat, Finanzamt und Gewerbeamt ermöglichen. Ziel ist die Schaffung eines One-Stop-Shops, in dem alle Anträge und Behördengänge gebündelt werden. Eine Unternehmensgründung soll innerhalb von 24 Stunden möglich sein. Dabei soll durch eine praxisnahe Ausgestaltung des Steuer- und Sozialversicherungsrechts die Mitarbeiterkapitalbeteiligung weiter gestärkt werden.
- Deutschland als KI-Nation: Deutschland muss digitaler werden und ein Zentrum für KI-Entwicklung werden. Dazu soll ein Reallabore-Gesetz geschaffen werden. Es bedarf massiver Investition in die digitale, Cloud-, KI-Infrastruktur sowie in die Verbindung von KI und Robotik. Zugleich sollen Leichtbau-Technologien, additive Fertigungen und 3D-Druck gefördert werden. Die industrielle KI wird durch eine innovationsfreundliche Regulierung gestärkt, die die Wettbewerbsfähigkeit und die Produktivität verbessert.
- Investitionsoffensive: Die Parteien beabsichtigen die Schaffung eines gehebelten Deutschlandfonds iHv 100 Milliarden Euro, der sich aus 10 Milliarden Euro Bundeseigenmittel aus Garantien oder finanziellen Transaktionen und 90 Milliarden Euro privates Kapital oder Garantien zusammensetzt. Zweck des Fonds ist die Schließung von Finanzierungslücken im Bereich des Wachstums- und Innovationskapitals. Besonderer Fokus wird auf den Mittelstand und Scale-Ups gesetzt. Die einzelnen Investmententscheidungen folgend dem Vorbild einer unternehmerischen Governance. Die Investitionen sollen in Deutschland erfolgen. Der Deutschlandfond soll ein Vorbild für vergleichbare Fonds in den Bundesländern sein. Die CDU/CSU beabsichtigt darüber hinaus gemeinsam mit der deutschen Kreditwirtschaft die Einbringung von früheren Bankenabgaben in Höhe von zwei Milliarden Euro in einen gehebelten Mittelstand-Fonds. Der Fond bis zu 10 Milliarden Euro Eigen- und Fremdkapital für die digitale und klimaneutrale Transformation großer deutscher Mittelständler mit begrenztem Zugang zum Kapitalmarkt bereitstellen. Eine Übereinkunft mit der SPD wurde diesbezüglich aber noch nicht erreicht. Der bereits bestehende Zukunftsfonds soll über 2030 hinaus verstetigt werden. Dadurch sollen die Investitionen von Investoren bei der WIN-Initiative auf über 25 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Mit Bundesgarantien soll er weiter gehebelt werden. Die Finanzierungsstruktur für Start-Up wird einem “Effizienz-Check". Durch Einsatz für eine Solvency II-Novelle und einer praxisnahen Umsetzung werden viele Milliarden Euro mobilisiert, indem die Eigenkapitalanforderungen u.a. für Infrastrukturprojekte und Wagniskapital gesenkt werden. Additive Kapitalpuffer werden wo möglich abgeschafft. Die öffentliche Finanzierungsprogramme sollen für Sicherheits- und Verteidigungstechnologie geöffnet werden. Sog. “Moonshot-Technologien” sollen über meilensteinbasierte Finanzierungsinstrumente unterstützt werden. Um der fehlenden Repräsentation von Frauen in der Start-Up-Branche entgegenzuwirken, sollen sie in den Fokus von Förderungen kommen und mit Förderungen speziell für Gründerinnen gestärkt werden.
- Wohnraumförderung: Durch Schaffung von Synergie zwischen den günstigen Finanzierungskonditionen des Bundes und der Wohnungswirtschaft für schnelles und effizientes Bauen beabsichtigen die Parteien mit Beteiligung des Bundes die Finanzierungskosten für Neubau so zu senken, dass gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft eine große Zahl an Wohnungen in angespannten Wohnungsmärkten für unter 15 EUR/qm entstehen können.
- Zulassungs- und Genehmigungsverfahren: Die Dauer von Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen soll verkürzt werden. Dazu werden die die Industrie betreffenden EU-Richtlinien unvoreingenommen umgesetzt. Die Zulassung von Anlagen im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren wird vereinfacht.
- Schutz vor Abwanderung energieintensiver Unternehmen: Das Abwandern energieintensiver Unternehmen aufgrund unterschiedlicher Klimaschutzstandards soll verhindert werden. Dazu sollen die Vorschläge der Europäischen Kommission im Rahmen des Omnibus-Paketes (Simplification Omnibus – EU-Kommission plant Vereinfachung der CBAM-Verordnung und Simplification Omnibus – EU-Kommission plant Vereinfachung der CS3D) zur Vereinfachung des CBAM unterstützt und auf ein unbürokratisches und effizienteres CBAM hingearbeitet werden. Auch soll ein Ausgleich für Exporte bei den von CBAM erfassten Produkten geschaffen werden. Im Falle eines Abwanderns trotz CBAM soll die Wettbewerbsfähigkeit für exportorientierte Branchen weiterhin über kostenfreie Zuteilung von Zertifikaten erreicht werden.
- Staatliche Förderregelungen: Die Parteien arbeiten auf eine Neuausrichtung des Beihilferechts hin zur Stärkung des europäischen Wirtschaftsraums. Das Beihilfeverfahren soll beschleunigt und verschlankt werden. Das IPCEI-Verfahren soll gestärkt, vereinfacht und beschleunigt werden. Deutschland wird sich am IPCEI Med4Cure beteiligen. Die Förderregeln sollen für Industrieansiedelungen und Großvorhaben modernisiert und im Zuge dessen das Beihilfeverfahre verschlankt werden. Bestehende Förderprogramme zur Dekarbonisierung der Industrie werden fortgesetzt. Uneinigkeit besteht noch über die von der SPD geforderten Rückkopplung der staatlichen Forderung an Sozialpartnerschaft, Tariftreue und Standortsicherung.
- Stahlindustrie: Die Stahlindustrie soll bei der Transformation zur Klimaneutralität unterstützt werden. Dazu sollen CCS-Technologien nutzbar gemacht werden. Das konsequente Recycling von Stahlschrott soll zur Dekarbonisierung kurzfristig beitragen und soll unterstützt werden. Die Parteien wollen sich für eine effektive Nachfolgelösung für die 2026 auslaufenden EU-Safeguards einsetzen.
- Chemie-, Pharma- und Biotechnologie: Deutschland soll zum weltweit innovativsten Chemie-, Pharma- und Biotechnologiestandort werden. Der Bund, die Länder, Unternehmen und Gewerkschaften werden dazu eine Chemieagenda 20245 erarbeiten. Ein Totalverbot von Stoffgruppen wird abgelehnt. Stattdessen soll ein ausgewogener europäischer Regulierungsrahmen mit einem risikobasierten Ansatz geschaffen werden. Das chemische Recycling und die Kreislaufwirtschaft von Kunstoffen wird unterstützt. Die Weiterentwicklung der nnationale Pharmastrategie soll die Rahmenbedingung für die Entwicklung und Produktion von Arzneimitteln, Wirkstoffen und Medizinprodukten verbessern. Die Biotechnologie soll als Schlüsselindustrie gefördert und ihre Anwendungen erleichtert werden. Deutschlands Stellung als führender Standort für Mikroelektronik soll durch Investitionen im Rahmen des European Chips Act und dem IPCEI ausgebaut werden.
- Automobilindustrie: Die Automobilindustrie ist eine Schlüsselindustrie und Arbeitsgarant. Die Förderung von regionalen Transformationsnetzwerken und Transformationshubs soll auch über 2025 hinaus fortgeführt werden. Auf europäischer Ebene wird dafür gesorgt, dass Strafzahlungen für Automobilhersteller vermieden werden. Die CDU/CSU bezweckt darüber hinaus das schrittweise Auslaufenlassen der Grenzwertregulierung, um eine doppelte Belastung durch die CO2-Flottenregulierung und die Aufnahme in das EU-Emissionshandelssystem ab 2027 zu vermeiden, könnte sich dazu aber noch nicht mit der SPD einigen. Für schwere Nutzfahrzeuge und Trailer soll die Überprüfung der CO2-Reduktionsziele vorgezogen werden. Eine gesetzliche Quote zur Elektrisierung der Fahrzeugflotte wird ausdrücklich abgelehnt. Die CDU/CSU setzt darauf, dass das Verbot des Verbrennermotors ab 2035 abgeschafft werden soll und der gesamte Lebenszyklus eines Fahrzeugs künftig in die CO2-Bilanz eingebzogen und Flottenregulierungen überarbeitet werden sollen. Dabei sollen alle Kraftstoffe, die einen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten können, sollen anerkannt werden. Die SPD hat hierzu bisher nicht zugestimmt und fordert seinerseits das Festhalten an den Flottengrenzwerten und dem Ziel, EU-weit ab 20245 nur noch Nullemissions-Fahrzeuge zuzulassen.
- Förderung der E-Mobilität: Die E-Mobilität soll mit unterschiedlichen Mitteln gefördert werden. Einigkeit besteht über die steuerliche Begünstigung von Dienstwägen durch eine Erhöhung der Bruttopreisgrenze bei der staatlichen Förderung von E-Fahrzeugen auf 100.000 Euro, eine Sonder-AfA, die Kfz-Steuerbefreiung für E-Fahrzeuge bis 2035, die Förderung von Plug-In-Hybrid-Technologien (PHEVs) und E-Fahrzeugen mit Range-Extender (EREV) und entsprechender europäischer Regulierung, dem beschleunigten Ausbau und Sicherstellung der Finanzierung eines flächendeckenden, bedarfsgerechten und nutzerfreundlichen Ladenetzes und des Schnellladenetzes für PKW und LKW sowie der Förderung des gewerblichen Depotladens, die Befreiung emissionsfreier LKWs von der Mautpflicht über das Jahr 2026 hinaus und die Förderung einer Wasserstoff-Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge. Uneinigkeit besteht noch über die von der SPD geplante Kaufprämie oder steuerliche Förderung analog § 35c EstG, die Schaffung eines Social-Leasing-Programms für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, sowie die Tankstellenversorgungs-Auflage für Schnelladesäulen. Autonomes Fahren soll in den Regelbetrieb übergehen. Der Aufbau von Batteriezellfertigung inklusive der Rohstoffgewinnung, dem Recycling und dem Maschinen- und Anlagenbaus soll gefördert werden. Es soll geprüft werden, wie die Umrüstung und Ertüchtigung vorhandener Werke für die Bedarfe der Verteidigungsindustrie unterstützt werden können.
- Raumfahrt: Die Parteien sehen in der Raumfahrt eine Zukunfts – und Schlüsseltechnologie, die auch für die Sicherheit und die militärischen Fähigkeiten Deutschlands eine zentrale Rolle spielt. Aus diesem Grund wollen die Parteien die Europäische Weltraumorganisation stärken und den deutschen Beitrag zur ESA-Ministerratskonferenz erhöhen. Ein Ziel der Parteien ist außerdem, dass eine deutsche Astronautin oder ein deutscher Astronaut im Rahmen einer internationalen Mission zum Mond fliegt. Auch wollen sich die Parteien an einer ISS Nachfolgelösung beteiligen sowie den Trägerraketensektor und Initiativen wie z.B. eine Startplattform in der Nordsee unterstützen. KMUs und Startups sollen besser am Markt für Raumfahrtlösungen teilnehmen können, weshalb die Parteien anstreben, dass der Staat stärker als Kunde auftritt.
- Maritime Wirtschaft: Die Parteien setzen sich für eine europäische maritime Strategie ein, die zu einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Schiffbaus, der Schiffbauzulieferer und der maritimen Technologien führt. Der Einstieg deutscher Werften in die Produktion von Offshore – Konverterplattformen soll z.B. durch Bürgschaften unterstützt werden und das maritime Forschungsprogramm für den Schiffbau soll - durch u.a. die Dekarbonisierung von Antrieben, die Unterwasserrobotik oder durch eine höhere Autonomie der Schiffsführung - zukunftsfähig weiterentwickelt werden. Außerdem sprechen sich die Parteien für eine einheitliche Tonnagesteuer für die Hochseeschifffahrt in der EU aus.
- Handel und Außenwirtschaft: Im Bereich Handel und Außenwirtschaft setzen die Parteien auf eine pragmatische, regelbasierte Handelspolitik mit dem Prinzip “EU-only” bei Handelsverträgen. Das bereits unterzeichnete Rahmenabkommen der EU mit Chile soll zügig ratifiziert werden. Daneben soll das EU-Abkommen mit Mercosur und Mexiko im Rat aktiv unterstützt werden und auch zügig ratifiziert werden. Laufende EU-Freihandelsverhandlungen mit Indien, Australien und den ASEAN-Staaten werden von den Parteien unterstützt. In Bezug auf die USA soll kurzfristig ein Handelskonflikt vermieden werden und auf die Reduzierung von Einfuhrzöllen auf beiden Seiten des Atlantiks gesetzt werden, mittelfristig streben die Parteien ein Freihandelsabkommen mit den USA an. Eine neue Afrika-Strategie soll die Vertiefung der Handelsbeziehung mit afrikanischen Staaten vorbereiten. Wirtschaftspartnerabkommen, die von der vorherigen Regierung in den Bundestag eingebracht wurden, sollen noch in 2025 ratifiziert werden. Auch das Investitionsschutzabkommen zwischen der EU und Singapur sowie Vietnam sollen zügig ratifiziert werden. Die Parteien sprechen sich für den Erhalt des WTO-Systems ein, betonen jedoch auch, dass Reformen mit Blick auf die Regeln für Industriesubventionen notwendig sind, um ein globales “level playing field” zu erreichen. Auf nationaler Ebene soll das Außenwirtschaftsgesetz novelliert und Prüfverfahren dadurch beschleunigt und vereinfacht werden. Investitionen aus dem Ausland in kritische Infrastruktur und strategisch relevante Bereiche, die nationalen Interessen widersprechen, sollen verhindert werden. Die Wirtschaftssicherheit und Resilienz sollen durch höhere Sicherheitsanforderungen und den Schutz vor Cyberangriffen gestärkt werden. Ausfuhrgenehmigungen sollen vereinfacht und beschleunigt werden. Zudem planen die Parteien eine Überarbeitung der China-Strategie nach dem Prinzip “De-Risking”.
- Rohstoffe: Das AG-Papier sieht vor, den Primärrohstoffverbrauch zu reduzieren, heimische sowie europäische Ressourcen besser zu nutzen, Rohstoffimporte zu diversifizieren und Handels- und Rohstoffpartnerschaften abzuschließen. Die Kreislaufwirtschaft und ihre Digitalisierung soll vorangetrieben werden. Außerdem planen die Parteien die Verbesserung der Gewinnung kritischer Rohstoffe und durch zusätzliche Mittel im nationalen Rohstofffond zu unterstützen sowie die Rahmenbedingungen für strategisch wichtige Rohstoffe zu verbessern.
- Wirtschaftsrecht: Mit dem Ziel am Postuniversaldienst festzuhalten, wollen die Parteien die bürokratische Last im Postsektor reduzieren sowie die Auflösung der “Bundesanstalt für Post- und Telekommunikation” und die Aufteilung der Aufgaben auf andere Behörden prüfen. Die CDU/CSU möchte die wettbewerbsrechtlichen Befugnisse des Bundeskartellamts zum Markteingriff wieder an einen Rechtsverstoß binden, um Rechtssicherheit herzustellen. Im Rahmen des Kartellrechts planen die Parteien die effektive Anwendung sicherzustellen sowie Verfahren schneller und effizienter zu gestalten. Die effektive Durchsetzung des Digital Market Acts durch die zuständigen Behörden auf europäischer Ebene wird von den Parteien unterstützt.
- Mittelstand/Handwerk/Selbstständige: Der Mittelstand und das Handwerk soll durch flexiblere gesetzliche Rahmenbedingungen, einfachere Vergabeverfahren und schnellere Genehmigungsprozesse unterstützt werden. Mithilfe der Beschleunigung von Arbeitsgenehmigungen für qualifizierte Fachkräfte wollen die Parteien dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Im Rahmen des Abbaus von Bürokratie und Dokumentationspflichten setzt sich die CDU/CSU für die Abschaffung der Verpflichtung zur Bereitstellung von Betriebsbeauftragten für Unternehmen unter 250 Mitarbeitern ein sowie auch für die Abschaffung des nationalen Lieferkettengesetzes ein. Weiterhin planen die Parteien den Erlass eines sofortigen Moratoriums von mindestens zwei Jahren für alle neuen rechtlichen Statistikpflichten sowie eine Reform der Genehmigungsfiktion in den Verwaltungsverfahrensgesetzen von Bund und Ländern. Mit dem Ziel die Unternehmen von Bürokratie zu entlasten, wollen die Parteien gemeinsam mit den Ländern die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer auf ein Verrechnungsmodell umstellen. Auch sollen Betriebsübergaben und Existenzgründungen im Handwerk unterstützt werden. Förder- und Innovationsprogramme wollen die Parteien stärken und Spielräume bei der KfW so nutzen, dass der Haushalt des Bundes nur wenig belastet wird. Die Überprüfungen der ausgezahlten Corona-Hilfen soll – zur Entlastung von Verwaltung und Wirtschaft – zeitnah abgeschlossen werden und die Parteien wollen den Ländern ermöglichen, einen Schwellenwert, unterhalb dessen Stichproben genügen, festzulegen. Mit Blick auf das kulturelle, wirtschaftliche und technologische Potenzial der Gaming-Branche stellt das AG-Papier auf eine Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Games-Standort durch mehr Planbarkeit und Passgenauigkeit des Fördersystems ab. Insgesamt soll die Förderpolitik der Bundesregierung einer Konsolidierung unterzogen werden und Förderprogramme in einem Fördercontrolling überwacht werden.
- Einzelhandel: Der stationäre Einzelhandel wird als Hebel für lebendige Innenstädte, wirtschaftliche Stabilität und soziale Teilhabe durch die Parteien hervorgehoben. Jedoch sehen die Parteien die Notwendigkeit den Einzelhandel vor der Flutung durch billige Konsumgüter aus Fernost zu schützen und auf europäischer Ebene ein level-playing-field durchzusetzen. Im Rahmen der Verhandlungen zur Reform der EU-Zollunion sind die Parteien der Ansicht, dass die Vorschläge für E-Commerce vorrangig beraten werden sollen und die Accounts der Onlinehandelsplattformen von Unternehmen, die die Pflichten nicht erfüllen, gesperrt werden sollen.
- Strukturpolitik: Die Parteien wollen mithilfe des Gesamtdeutschen Fördersystems (GFS) gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen und strukturschwache Regionen auch über die “Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW)” für mehr Wachstum und Beschäftigung unterstützten. Die zukünftige Ausrichtung der Struktur- und Regionalpolitik soll sich vor allem auf strukturschwache Regionen fokussieren. Innerhalb der CDU/CSU ist strittig, ob im Jahr 2025 notwendige Regelungen getroffen werden sollen, um die Länder zum Erhalt der Handlungsfähigkeit ihrer Kommunen beim Abbau kommunaler Altschulden mit einer hälftigen Kofinanzierung zu unterstützen.
- Tourismus: Im Bereich Tourismus planen die Parteien die Erarbeitung einer neuen nationalen Tourismusstrategie, die sowohl wirtschaftliche als auch nachhaltige Aspekte abdeckt. Die Attraktivität Deutschlands als Reiseziel soll, gestärkt werden. Hierfür wollen die Parteien Maßnahmen ergreifen, um die Anbindung und Konnektivität des Reiseziels Deutschlands zu sichern. Außerdem sollen die Kostenbeiträge für die Unternehmen durch die Weiterentwicklung einer Insolvenzabsicherung von Pauschalreisen durch den Reisesicherungsfonds – unter Wahrung des Sicherungsniveaus und der EU-rechtlichen Vorgaben, gesenkt werden. In Anbetracht der Belastungen des Gastgewerbes durch steigende Preise und der aktuell schwachen Konjunktur sieht das AG-Papier die dauerhafte Reduzierung der Umsatzsteuer von sieben Prozent auf Speisen vor.
D. Fazit
Die kommenden Tage und Wochen der Koalitionsverhandlungen versprechen spannend zu werden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich die derzeit noch bestehenden Uneinigkeiten durch weitere Verhandlungen auflösen lassen und wie Kompromisse gefunden werden können. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass in vielen Bereichen bereits Konsens besteht.
