
Zur Reduzierung des bürokratischen Aufwands für Unternehmen plant die EU-Kommission durch ein umfassendes sog. „Omnibus“-Paket Vereinfachungen in den Bereichen nachhaltige Finanzberichterstattung, Taxonomie und Sorgfaltspflichten im Hinblick auf Nachhaltigkeit umzusetzen. Der erste Entwurf sieht hierzu einige grundlegende Anpassungen der EU-Lieferkettenrichtlinie (CS3D) vor. Damit wird für die betroffenen Unternehmen eine gewisse Entlastung in Aussicht gestellt. An einigen Stellen ist sogar eine starke Annäherung an die bereits geltenden Vorgaben des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) vorgesehen.
Hintergrund
Im November 2024 kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen umfassende Maßnahmen zur Reduzierung des bürokratischen Aufwands für Unternehmen an. Arbeitspapiere der EU-Kommission verdeutlichten, dass durch ein „Omnibus“-Paket umfassende Vereinfachungen in den Bereichen nachhaltige Finanzberichterstattung, Taxonomie und Sorgfaltspflichten im Hinblick auf Nachhaltigkeit angestrebt werden. Die offizielle Fassung des „Omnibus“-Pakets datiert auf Mittwoch, den 26. Februar 2025. Entwurfsfassungen wurden teilweise schon vorher geleaked.
Vorgeschlagene Anpassungen der CS3D
Das „Omnibus“-Paket sieht insbesondere Anpassungen der am 25. Juli 2024 in Kraft getretenen CS3D vor. Die Anpassungen betreffen im Wesentlichen acht Kernpunkte, die zu einer Reduzierung des anfallenden Aufwands für betroffene Unternehmen führen sollen:
1. Erweiterung des Kreises der mit vollharmonisierender Wirkung umzusetzenden Vorschriften
Durch das Omnibus-Paket soll der Kreis an Vorschriften ausgedehnt werden, welche die Mitgliedstaaten mit vollharmonisierender Wirkung umsetzen müssen. Das bedeutet, dass in dieser Hinsicht auch keine strengeren Regelungen durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzungsrechtsakte implementiert werden dürfen. Einheitliche Regelungen sollen danach insbesondere für die Ermittlung, Verhinderung und Beendigung von potenziellen oder tatsächlichen nachteiligen Auswirkungen gelten. Hierdurch soll der Aufwand für die einzelnen Mitgliedstaaten verringert werden.
2. Ausrichtung der Sorgfaltspflichten auf direkte Geschäftspartner
Unternehmen sind im Rahmen der CS3D verpflichtet, tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen auf Umwelt und Menschenrechte zu ermitteln und zu bewerten, die sich aus ihrer eigenen Geschäftstätigkeit, der ihrer Tochterunternehmen und – sofern mit ihren Aktivitätsketten in Verbindung stehend – der ihrer Geschäftspartner ergeben (Art. 8 CS3D).
Die in Art. 8 Abs. 2 lit. b) CS3D vorgesehene „eingehende Bewertung“ soll durch das Omnibus-Paket auf direkte Geschäftspartner beschränkt werden. Bei direkten Geschäftspartnern mit weniger als 500 Beschäftigten soll der Umfang der Risikoermittlung nicht über die Informationen hinausgehen, über die solche Geschäftspartner in ihrem Nachhaltigkeitsbericht berichten müssen (vgl. die in Artikel 29a der Richtlinie 2013/34/EU genannten Informationen).
Eine eingehende Bewertung von indirekten Geschäftspartnern soll dagegen nur noch erforderlich sein, wenn plausible Informationen für nachteilige Auswirkungen vorliegen, etwa durch glaubwürdige NGOs oder Medienberichte oder in Umgehungskonstellationen. Im Ergebnis adaptiert die CS3D damit den Grundgedanken des Modells der „substantiierten Kenntnis“, wie es das LkSG bereits für den Bereich der mittelbaren Zulieferer vorsieht. Durch Vertragskaskaden sollten Unternehmen allerdings sicherstellen, dass ihr Code of Conduct in der gesamten Aktivitätskette gilt, also auch bei indirekten Geschäftspartnern.
3. Abschaffung der Pflicht zur Beendigung der Geschäftsbeziehung als ultima ratio
Unternehmen trifft im Rahmen der CS3D die Pflicht, potenzielle oder tatsächliche negative Auswirkungen zu verhindern oder zu beheben. Die CS3D sieht bisher vor, dass Unternehmen als ultima ratio dazu verpflichtet sind, die Geschäftsbeziehungen mit ihren Geschäftspartnern zu beenden, um potenzielle oder tatsächliche negative Auswirkungen zu verhindern oder zu beheben. Weil Unternehmen allerdings von den Zulieferungen bestimmter Zulieferer abhängig sein können, sieht das „Omnibus“-Paket nun die Streichung dieser Pflicht vor. Das letzte Mittel soll daher nur noch die Aussetzung der Geschäftsbeziehungen, nicht deren Beendigung sein.
4. Einschränkung des Begriffs „Stakeholder“ und der notwendigen Stakeholder-Beteiligung im Due-Diligence-Prozess
Das „Omnibus“-Paket bestimmt ferner, dass der Art. 3 Abs. 1 lit. n) CS3D legaldefinierte Begriff „Stakeholder“ (deutsch: „Interessenträger“) vereinfacht und eingeschränkt wird und sich im Ergebnis nur auf direkt betroffene Stakeholder beziehen soll. Damit bleiben im Ergebnis allgemein etwa sonstige Akteure der Zivilgesellschaft außen vor, sofern diese nicht direkte Betroffenheit reklamieren können. Außerdem sollen Unternehmen im Rahmen der zur Erfüllung der einzelnen Sorgfaltspflichten notwendigen Stakeholder-Beteiligung nur die jeweils betroffenen Stakeholder einbeziehen müssen.
5. Verlängerung der Überprüfungs-Intervalle
Die Intervalle, in denen die Unternehmen die Angemessenheit und Wirksamkeit der Sorgfaltspflichtmaßnahmen regelmäßig überwachen müssen, soll von einem auf fünf Jahre verlängert werden. Während dieses Zeitraums hat jedoch eine anlassbezogene Überprüfung weiterhin stattzufinden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die ergriffenen Maßnahmen nicht mehr angemessen oder wirksam sind.
6. Konkretisierung der Regelungen zu finanziellen Sanktionen
Die Kommission stellt fest, dass die Vorgaben der CS3D zur Verhängung von Geldbußen missverständlich sein können. In Zukunft soll die Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten Leitlinien herausgeben, die die Aufsichtsbehörden bei der Festlegung der Höhe der Sanktionen im Einklang mit der CS3D unterstützen. Die „Mindestobergrenze“ für Geldbußen sollen hierbei abgeschafft werden. Geldbußen sollen schließlich nicht mehr vom weltweiten Nettoumsatz des Unternehmens abhängig sein, also absolute Beträge als Bußgeldrahmen vorgeben.
7. Eingrenzung der zivilrechtlichen Haftungsrisiken
Die durch die CS3D bisher vorgesehenen, umfassenden eigenständigen zivilrechtlichen Haftungstatbestände sollen aus Sicht der EU-Kommission gestrichen werden. Die EU-Kommission setzt vielmehr auf die bestehenden allgemeinen nationalen Haftungsrahmen. Für diese nationalen Haftungsregelungen möchte die EU-Kommission jedoch einen Rahmen vorgeben, insbesondere, dass ein effektiver Zugang zur Justiz und vollständige Kompensation von Schäden unter Ausschluss einer Überkompensation gewährleistet sein muss. Die besondere Regelung zur Prozessstandschaft in der CS3D, etwa zu Gunsten von NGOs, soll mit Rücksicht auf die mitgliedsstaatlichen Rechtstraditionen und Rechtsordnungen aufgehoben werden.
8. Streichung der Überprüfungsklausel für Finanzdienstleistungen
Die besondere Regelung zu einer Überprüfung der Notwendigkeit von besonderen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen soll gestrichen werden.
Fazit und Ausblick
Für betroffene Unternehmen und deren Lieferketten könnten die mit dem „Omnibus“-Paket vorgeschlagenen Anpassungen der CS3D eine Entlastung bedeuten. Die von der EU-Kommission angestrebten Änderungen der CS3D würden die Vorgaben zudem an einigen wesentlichen Stellen an das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz annähern, insbesondere durch eine grundsätzliche Eingrenzung der Pflicht zur Risikoermittlung auf direkte Geschäftspartner. Bevor die Änderungen geltendes Recht werden, müssten sie das ordentliche Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene durchlaufen. Abzuwarten bleibt, ob sich hier die entsprechenden politischen Mehrheiten finden. In jedem Fall sollten betroffene Unternehmen die Entwicklungen sorgfältig im Auge behalten, um sich zielgerichtet auf die jeweils geltende Rechtslage einstellen zu können.
