Der Entwurf der überarbeiteten Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen wurde bereits mit Spannung erwartet. Am 7. Juni 2021 veröffentlichte die Europäische Kommission nun den Entwurf der sog. „Guidelines on State aid for climate, environmental protection and energy 2022“, kurz CEEAG (im Weiteren der “CEEAG Entwurf”). Gemeinsam mit der Veröffentlichung des Entwurfs startete die Kommission auch den Aufruf sich an der öffentlichen Konsultation hierzu zu beteiligen. Die Frist zur Beteiligung läuft noch bis zum 2. August 2021.
Auch wenn es sich hierbei nur um den Entwurf der neuen Leitlinien handelt, lohnt es sich bereits einen Blick auf die wesentlichen Neuerungen und mögliche Auswirkungen auf die zukünftige Beihilfengewährung zu werfen.
CEEAG vs. EEAG
Der CEEAG Entwurf weist zahlreiche Änderungen im Vergleich zu den aktuellen Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020 (Guidelines on State aid for environmental protection and energy 2014-2020, „EEAG“) auf. Der Hauptteil des CEEAG Entwurfs übersteigt mit fast 100 Seiten den Umfang der Vorgängerregelung auch um mehr als die Hälfte. So hat die Kommission im CEEAG Entwurf mehrere neue Beihilfekategorien integriert, u. a. Beihilfen zur Reduktion oder Vermeidung von Treibhausgasen (4.1), Beihilfen zum Erwerb oder Leasing von sauberen Transportmitteln und dem Aufbau einer Auflade- oder Betankungsinfrastruktur (4.3), sowie Beihilfen zur Ressourceneffizienz und Unterstützung des Übergangs zu einer Kreislaufwirtschaft (4.4). Zusätzlich wurden auch Sondervorschriften für energieintensive Nutzer (4.11) und Schließungsbeihilfen für Kraftwerke, die Kohle, Torf und Ölschiefer verbrennen (4.12) geschaffen.
Strukturell ähnelt der CEEAG Entwurf den EEAG zumindest noch insoweit, als dass den einzelnen Beihilfekategorien ein allgemeiner Abschnitt vorangestellt wurde. Dieser findet auf alle Beihilfekategorien Anwendung soweit die allgemeinen Kriterien nicht in den spezifischeren Abschnitten präzisiert, geändert oder für unanwendbar erklärt werden. Beihilfekategorien, die ausschließlich auf Basis der generellen Kriterien bewertet werden sollen, finden sich im CEEAG Entwurf nicht mehr. Insoweit unterscheidet sich der strukturelle Ansatz zu den jetzigen EEAG, die z. B. Beihilfen für Unternehmen, die über Unionsnormen hinausgehen oder die bei Fehlen solcher Normen den Umweltschutz verbessern lediglich den allgemeinen Kriterien unterstellen. Im CEEAG Entwurf werden Beihilfen für Unternehmen, die über Unionsnormen hinausgehen oder die bei Fehlen solcher Normen den Umweltschutz verbessern zwar immer noch berücksichtigt, finden sich nun aber im neuen Abschnitt 4.5 des CEEAG Entwurfs wieder. Insgesamt scheinen die Beihilfekategorien im CEEAG Entwurf daher auf den ersten Blick umfassender. Dies verdeutlich auch der neue Abschnitt 4.1.
Allgemeine Kriterien
Bereits im allgemeinen Abschnitt lässt sich ein verstärkter Trend hin zur Gewährung von Beihilfen auf Basis von Ausschreibungen erkennen (siehe Rn. 48 f.). Nur für den Fall, dass dies nicht erfolgt ist, verweist die Kommission auf eine Bestimmung der Mehrkosten auf Basis der kontrafaktischen Analyse (Rn. 50 ff.). In bestimmten Fällen, in denen keine Ausschreibung durchgeführt wurde, weist die Kommission nun auch explizit auf die Möglichkeit von Kompensationsmodellen hin, die aus einer Mischung von ex ante und ex post Merkmalen oder auch aus einem Claw-back-Mechanismus bestehen können (Rn. 53).
Zudem fällt auf, dass die strengen Schwellen für Einzelanmeldungen an die Kommission – wie man sie in Rn. 20 EEAG noch kennt und welche in Abwesenheit einer Ausschreibung zu einer Pflicht zur Einzelanmeldung trotz genehmigter Beihilferegelung führen können – in dem Entwurf der CEEAG nicht mehr zu finden sind. Der CEEAG Entwurf enthält jedoch einen allgemeinen Vorbehalt, der es der Kommission erlaubt in gewissen Fällen eine Einzelnotifizierung zu verlangen. Die Kommission spricht insoweit zwar von „zusätzlichen Faktoren“, die sie bei der Abwägung von bestimmten Beihilferegelungen berücksichtigen wird. Ob es in der Sache einen Unterschied machen wird, bleibt abzuwarten. Neben einer solchen individuellen Notifizierungspflicht findet sich in Rn. 72 zudem auch die Möglichkeit einer zeitlichen Beschränkung der Beihilfemaßnahmen.
Beihilferegelungen können einer „ex post evaluation“ unterliegen, auch wenn sie bereits von der Kommission genehmigt wurden (Rn. 399 ff.). Die Kommission verweist hierbei insbesondere auf Regelungen mit hohem Beihilfebudget (mehr als EUR 150 Mio. im Jahr oder EUR 750 Mio. während der Laufzeit der Regelung). Eine „ex post evaluation“ ist aber auch in anderen Fällen (bspw. bei Beihilferegelungen mit neuen Eigenschaften) denkbar. Die Mitgliedstaaten müssen außerdem einen Evaluierungsplan bei der Kommission vorlegen.
Neu ist außerdem der explizite Hinweis darauf, dass Maßnahmen nicht zu einem Verstoß gegen EU Recht führen dürfen (siehe Rn. 32). Dies ist ein Ausfluss der jüngeren Rechtsprechung.
Die Beihilfekategorien des CEEAG Entwurfes – Insbesondere Beihilfen zur Reduktion oder Vermeidung von Treibhausgasen
Eine wesentliche Neuerung stellt der Abschnitt 4.1 (Aid for the reduction and removal of greenhouse gas emissions including through support for renewable energy) dar. Der Abschnitt umfasst neben bereits bekannten Instrumenten wie bspw. Carbon Capture and Storage auch die Reduzierung und Vermeidung von Emissionen aus industriellen Prozessen. Die Kommission weist explizit darauf hin, dass Beihilfen prinzipiell ein angemessenes Mittel zur Dekarbonisierung sein können und daher auch eine Vielzahl unterschiedlicher Instrumente genutzt werden können. Neben der Möglichkeit von Zuschüssen weist sie dabei auch explizit auf sog. Contracts for Difference hin, die auch als sog. „Carbon Contracts for Difference“ ausgestaltet werden können. Auch Betriebsbeihilfen werden nun ausdrücklich erwähnt (Rn. 103).
Die Kommission scheint an einer technologieneutralen Ausgestaltung der Maßnahmen interessiert. So sollen Mitgliedstaaten zumindest begründen, wenn diese nicht alle Technologien oder Projekte im Wettbewerb berücksichtigen (siehe Rn. 82).
Überraschend scheint auf den ersten Blick die neu eingeführte Vorgabe, dass der Mitgliedstaat vor Anmeldung eine öffentliche Konsultation durchführen muss (siehe Rn. 85). Diese kann je nach Höhe der jährlichen Beihilfe mindestens vier oder mindestens acht Wochen betragen. Die Ergebnisse eines solchen Konsultationsprozesses sollen auch veröffentlicht werden. Dies ist – zumindest in dieser Breite – ein Novum, das bei vielen mitgliedstaatlichen Stellen auf Umsetzungsschwierigkeiten treffen könnte. Denkbar wäre, dass es sogar den gesamten Beihilfegewährungsprozess verlangsamt. Ausnahmen von der verpflichtenden Durchführung der öffentlichen Konsultation scheinen unter bestimmten (engen) Voraussetzungen jedoch möglich zu sein (siehe insbesondere Rn. 86).
Des Weiteren scheint die Kommission davon auszugehen, dass Beihilfen auf Basis des Abschnitts 4.1 generell im Rahmen einer Ausschreibung gewährt werden sollen (Rn. 89). Die genannten Ausnahmen hiervon betreffen spezielle kleinere Projekte oder Fälle, in denen nicht genügend Angebot für ein wettbewerbliches Verfahren besteht. Dies bedeutet, dass man sich künftig in einem offenen, transparenten, diskriminierungsfreien und „klaren“ Verfahren um Förderung bewerben muss, und zwar in Konkurrenz zu anderen Unternehmen. Diese Tendenz hin zur generellen Nutzung von Ausschreibungen soll – so wohl die Vorstellung der Kommission – zu einer bedarfsgerechten und angemesseneren Beihilfehöhe führen, die dadurch auf das notwendige Maß beschränkt wird. Damit einher geht im Hinblick auf Beihilfen zur Reduktion oder Vermeidung von Treibhausgasen auch die Abkehr von den vordefinierten Förderhöchstsätzen (Beihilfeintensitäten), welche die geltenden EEAG noch zum großen Teil kennen und nutzen. Nach der Neuregelung scheint primär das Ergebnis der Ausschreibung für die Höhe der Förderung entscheidend zu sein.
Wie bereits oben ausgeführt, scheint eine individuelle Notifizierungspflicht trotz genehmigter, zugrundeliegender Beihilferegelung ab einer bestimmten Beihilfehöhe nicht mehr enthalten. Für Abschnitt 4.1 wird dies insofern ergänzt, als dass eine individuelle Notifizierungspflicht oder eine zeitliche Beschränkung der Beihilfemaßnahmen nur noch in den Fällen angeordnet werden soll, in denen Maßnahmen besonders neu und komplex sind oder die Kommission zusätzliche Wettbewerbsbeschränkungen befürchtet (Rn. 111).
Weitere Beihilfekategorien des CEEAG Entwurfes in Kürze
Der Entwurf des CEEAG sieht in seinem Abschnitt 4 noch weitere Beihilfekategorien vor. Diese sollen im Folgenden lediglich überblicksartig dargestellt werden:
- Beihilfen zur Verbesserung der Energie- und Umweltbilanz von Gebäuden (4.2. Aid for the improvement of the energy and environmental performance of buildings): Dies betrifft insbesondere Beihilfen zur Verbesserung der Energieeffizienz,
- Beihilfen für saubere Mobilität (4.3 Aid for clean mobility: Aid for the acquisition and leasing of clean transport vehicles and clean service equipment and for the retrofitting of vehicles and Aid for the deployment of recharging or refuelling infrastructure): Dies erfasst Beihilfen zum Erwerb oder Leasing von sauberen Transportmitteln sowie den Aufbau einer Auflade- oder Betankungsinfrastruktur,
- Beihilfen zur Ressourceneffizienz und Unterstützung für den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft (4.4 Aid for resource efficiency and for supporting the transition towards a circular economy): Dies umfasst u. a. Beihilfen für Investitionen zur Verbesserung der Ressourceneffizienz durch Verringerung der konsumierten Rohstoffe bei gleichbleibender Produktionsmenge oder durch den Ersatz von Rohstoffen durch gebrauchte oder recycelte Materialien,
- Beihilfen zur Reduzierung oder Vermeidung von Umweltverschmutzung (4.5 Aid for the prevention or the reduction of pollution other than from greenhouse gases): Das Kapitel erfasst Beihilfen für Unternehmen, die über Unionsnormen hinausgehen bzw. Unionsnormen erfüllen, die noch nicht in Kraft sind sowie die bei Fehlen solcher Normen den Umweltschutz verbessern,
- Beihilfen zur Altlastensanierung, der Wiederherstellung von natürlichen Lebensräumen und Ökosystemen, Biodiversität und naturbasierten Lösungen (4.6 Aid for the remediation of contaminated sites, for the rehabilitation of natural habitats and ecosystems and for biodiversity and nature-based solutions),
- Beihilfen in Form von Ermäßigungen für Steuern oder steuerähnliche Abgaben (4.7 Aid in the form of reductions in taxes or parafiscal levies),
- Beihilfen zur Sicherstellung der Stromversorgung (4.8 Aid for the security of electricity supply): Dies umfasst bspw. Kapazitätsmechanismen, auch hier wird eine öffentliche Konsultation vorgesehen,
- Beihilfen für Energieinfrastrukturen (4.9 Aid for energy infrastructure),
- Beihilfen für Fernwärme und Fernkälte (4.10 Aid for district heating or cooling): Die Kategorie bezieht sich auf die Unterstützung beim Bau bzw. der Aufrüstung von energieeffizienten Fernwärme- und Fernkältesystemen,
- Beihilfen in der Form von Umweltabgabenermäßigungen für stromintensive Unternehmen (4.11 Aid in the form of reductions from electricity levies for energy-intensive users): Abschnitt 4.11 bezieht sich nun explizit auf energieintensive Nutzer und regelt Beihilfen in Form von Ermäßigungen von Umweltabgaben. Bereits die jetzigen EEAG kennen in Abschnitt 3.7 eine ähnliche Beihilfekategorie (Beihilfen in Form von Umweltsteuerermäßigungen oder -befreiungen und in Form von Ermäßigungen der finanziellen Beiträge zur Förderung erneuerbaren Energiequellen), in den Details kommt es dennoch zu Änderungen:
- Abschnitt 4.11 erfasst Abgaben zur Finanzierung von erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung sowie zur Finanzierung von Sozialtarifen bzw. Strompreisen in abgelegenen Regionen.
- Abgaben, die einen Teil der Kosten für die Bereitstellung von Strom widerspiegeln (wie bspw. Befreiungen von Netzwerkabgaben oder Finanzierung von Kapazitätsmechanismen) sollen hingegen nicht erfasst sein. Auch Abgaben auf den Verbrauch anderen Energieformen, wie bspw. Erdgas, werden nicht erfasst (Rn. 354).
- Ermäßigungen können nur erteilt werden, wenn der Gesamtbetrag dieser Abgaben ohne Ermäßigungen einen bestimmten Betrag überschreitet (Rn. 356). Bisher hat die Kommission hierzu noch keinen konkreten Vorschlag gemacht. Eine derartige zusätzliche Obergrenze ist jedoch neu.
- Beihilfen auf Basis von 4.11 sollen auf besonders betroffene Sektoren beschränkt sein. Diese sind durch zwei Faktoren gekennzeichnet, eine Handelsintensität von mindestens 20 % sowie eine Elektrointensität von mindestens 10 % auf Europäischer Ebene. Zusätzlich erkennt die Kommission eine ähnliche Gefährdung bei Unternehmen mit einer Elektrointensität von mindestens 7 % und einer Handelsintensität von mindestens 80 % an. Die Kommission hat diese Sektoren in Anhang I zum Entwurf der CEEAG aufgelistet.
- Von der Verhältnismäßigkeit der Beihilfe geht die Kommission generell aus, wenn der Beihilfeempfänger mindestens 25 % der von der Beihilferegelung erfassten Abgaben bezahlt (siehe Rn. 359 f. zu den Details). Dies liegt höher als in den jetzigen EEAG, die 15 % im Rahmen von Beihilfen in Form von Ermäßigungen des Beitrags zur Finanzierung erneuerbarer Energien genügen lassen (Rn. 188).
- Zusätzlich sieht Abschnitt 4.11 nun auch vor, dass Unternehmen, die eine Energieprüfung vornehmen, zusätzliche Vorgaben erfüllen müssen. Unternehmen müssten danach z. B. ihren CO2- Fußabdruck in dem Maße reduzieren, dass 30 % des Energieverbrauchs aus CO2 freien Quellen kommt, oder sie investieren einen erheblichen Anteil von mindestens 50 % des Beihilfebetrages in Projekte, die zu einer erheblichen Verminderung von Treibhausgasemissionen durch ihre Anlage führen. Die jetzigen EEAG sehen derartige Bedingungen bspw. im Rahmen von Beihilfen in Form von Umweltsteuerermäßigungen oder -befreiungen und dort auch nur alternativ zu der 20 % Schwelle vor (siehe Rn. 178 EEAG).
- Beihilfen zur Schließung von Kraftwerken, die Kohle, Torf und Ölschiefer verbrennen (4.12 Aid for coal, peat and oil shale closure): Umfasst werden zwei verschiedene Maßnahmen, Beihilfen für eine frühere Schließung oder Beihilfen für außergewöhnliche Kosten, die aus einer Schließung resultieren.
Ausblick
Der Entwurf der CEEAG weist auf seinen insgesamt fast 100 Seiten zahlreiche Neuerungen im Vergleich zu den geltenden EEAG auf. Abschnitt 4.1 scheint hierbei die wohl auffälligste Neuerung und zeigt zugleich den Fokus der Kommission, nämlich die Transformation der Industrie hin zur CO2 armen bzw. freien Produktion. Ob der Entwurf der CEEAG in dieser Form schlussendlich kommen wird, lässt sich noch nicht vorhersehen. So sind doch zahlreiche Beteiligungen am momentan laufenden öffentlichen Konsultationsverfahren zu erwarten. Insbesondere die Umsetzung der zusätzlichen administrativen Hürden könnte einige Mitgliedstaaten vor Herausforderungen stellen und die rasche Umsetzung potenzieller Beihilfemaßnahmen in Frage stellen.
Vor allem der starke Fokus auf die Durchführung von Ausschreibungen könnte diese Tendenz noch verstärken. Dies gilt insbesondere deshalb, weil sich die in einer solchen Ausschreibung eingereichten Projekte hinsichtlich Zielsetzung, Sektor, Technik, inhaltlicher Ausrichtung und Förderhöhe unterscheiden können, was Mitgliedstaaten vor weitere Herausforderungen stellen könnte. Ob dies am Ende ein nur theoretisches Problem sein wird, das die Kommission durch eine flexible und praxisgerechte Auslegung der Ausnahmetatbestände löst, bleibt abzuwarten. Das Ergebnis der öffentlichen Konsultation sowie sich daraus möglicherweise ergebende Änderungen am bisherigen Entwurf der CEEAG sollten daher mit Spannung erwartet werden.