Lange Jahre standen die Bundes- und Landesregierungen der Nutzung von Technologien zur Abscheidung von CO2-Emissionen skeptisch gegenüber. Inzwischen ist die Erkenntnis gereift, dass CCS und CCU notwendig sein werden, um die Klimaziele auf nationaler und europäischer Ebene zu erreichen. Die nun veröffentlichten Eckpunkte für eine Carbon Management-Strategie sowie ein erster Referentenentwurf des BMWK zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) wollen einen rechtlichen Rahmen für die zukünftige Nutzung der CCS- und CCU-Technologien schaffen.
Jüngste Studien zeigen, dass Carbon Capture and Storage („CCS“) und Carbon Capture and Utilization („CCU“) schon ab 2030 in relevantem Umfang in emissionsintensiven Sektoren in Deutschland eingesetzt werden müssen, damit das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 erreicht werden kann. Auch auf EU-Ebene wurde die Notwendigkeit dieser Technologien erkannt und im Februar 2024 die Industrial Carbon Management-Strategie veröffentlicht, die ebenfalls die verstärkte Nutzung von CCS und CCU zum Ziel hat. Das am 26. Februar 2024 veröffentlichte Eckpunktepapier für eine Carbon Management-Strategie aus dem BMW zeigt nun erstmals den Weg auf, wie in Deutschland diese Technologien genutzt werden könnten. Gleichzeitig wurde ein Referentenentwurf zur Änderung des zentralen Gesetzes, dem Kohlendioxid-Speicherungsgesetz („KSpG“), vorgelegt, das momentan einer dauerhaften Speicherung und Nutzung von CO2 entgegensteht. So soll gesichert werden, dass die entsprechenden Systeme und Infrastrukturen bis 2030 einsatzbereit sind.
Anwendungsbereich für CCS und CCU
Mittels CCS und CCU wird CO2 abgeschieden und anschließend entweder unterirdisch (an Land oder im Meeresboden) gelagert (CCS) oder einer weiteren Nutzung zugeführt (CCU). Die Nutzung von CCS und CCU ist sowohl möglich für die Abscheidung von Emissionen aus der Industrie oder aus Kraftwerken als auch potenziell für die Abscheidung von CO2 aus der Luft (Direct Air Capture and Storage, DACCS). In Deutschland soll die Technologie schwerpunktmäßig in Bereichen eingesetzt werden, in denen Emissionen schwer oder anderweitig nicht vermeidbar sind (beispielsweise bei der Produktion von Kalk und Zement oder bei der thermischen Abfallbehandlung). Eine Beschränkung auf diese Anwendungen ist dagegen im Eckpunktepapier nicht vorgesehen, sondern die Nutzung von CCS und CCU soll u.a. auch für Kraftwerke mit gasförmigen Energieträgern oder Biomasse ermöglicht werden. Lediglich Emissionen aus der Kohleverstromung soll der Zugang zu den CO2-Pipelines verwehrt werden, um den Kohleausstieg nicht zu gefährden.
Im Eckpunktepapier wird mehrfach betont, dass die Zulassung von CCS und CCU nichts an der Verfolgung der übergeordneten Ziele der Vermeidung von Emissionen und dem Ausstieg aus fossilen Energien ändern soll. Kritiker befürchten, dass durch die Möglichkeit zum Einsatz dieser Technologien zur Abscheidung von vermeidbaren Emissionen der Ausstieg aus fossilen Energieträgern verzögert werden könnte. Diesen Bedenken trägt das Eckpunktepapier (lediglich) dadurch Rechnung, dass die staatliche Förderung auf den Einsatz von CCS und CCU für schwer oder nicht vermeidbare Emissionen konzentriert werden soll.
Staatliche Förderung
Der EU-Emissionshandel hat bereits Anreize für den Einsatz von CCS und CCU gesetzt, indem Emissionen, die durch CCS abgeschieden und dauerhaft gespeichert wurden, als nicht emittiert gelten. Auch wenn der Zertifikatehandel bereits Kostendruck auf die Industrie ausübt, ihre Emissionen zu verringern, ist der CO2-Preis noch nicht hoch genug, damit die Kosten für die Nutzung von CCS und CCU im Vergleich zur emissionsintensiven Produktion günstiger ausfallen.
Deshalb sind staatliche Förderungen erforderlich, um den Hochlauf der Technologien zu beschleunigen. Dazu sollen durch die Förderrichtlinie Bundesförderung Industrie und Klimaschutz (FRL BIK) Vorhaben zum Einsatz von CCU oder CCS in der Industrie und der Abfallwirtschaft gefördert werden können, in denen überwiegend schwer vermeidbare CO2-Emissionen anfallen. Hierzu zählen neben Abscheidungsanlagen insbesondere auch Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsvorhaben.
Zudem wurden CCS und CCU bereits als förderfähige Technologien in die Förderrichtlinie Klimaschutzverträge aufgenommen. Das Konzept der Klimaschutzverträge sieht dabei vor, dass die Mehrkosten von Unternehmen aus emissionsintensiven Branchen ausgeglichen werden, die diesen durch die Errichtung von klimafreundlicheren Anlagen und deren Betrieb im Vergleich zu Anlagen mit derzeit bester verfügbarer Technik entstehen (Beitrag vom 13. März 2024).
Anpassung des Rechtsrahmens für ein Pipeline-Netz
Das Eckpunktepapier sieht für die künftige Transportinfrastruktur von CO2 eine privatwirtschaftliche Pipeline-Infrastruktur vor. Neben der Errichtung neuer Pipelines ist auch die Umwidmung bestehender Gasleitungen vorgesehen. Die aktuellen Regelungen im KSpG sollen geändert werden, da sie unvollständig sind und nicht das Instrumentarium zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren berücksichtigen.
Der Referentenentwurf sieht eine Umbenennung des KSpG in das Kohlendioxid-Speicherungs-und-Transportgesetz („KSpTG“) vor und soll einen sicheren Rechtsrahmen sowohl für den Transport als auch für die Speicherung von CO2 vorsehen. Auf diese Weise sollen Genehmigungsverfahren vereinheitlicht werden und für erhebliche Erleichterungen bei der Verwaltung und den Vorhabenträgern sorgen. Die in § 4 Abs. 2 aufgenommenen Verweise auf das EnWG sollen Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen, beispielsweise durch die Erlaubnis, Leerrohre beim Bau von CO2-Leitungen für spätere Nutzung mit zu verlegen (§ 43j EnWG) oder durch die Möglichkeit der Umstellung von vorhandenen Erdgasleitungen auf CO2-Transport-Leitungen ohne zusätzliches Verfahren (§ 43l Absätze 4-7 EnWG). Gleichwohl ist kein vollständiger Gleichlauf mit dem Genehmigungsverfahren nach dem EnWG vorgesehen. Elemente mit erheblicher Beschleunigungswirkung wie ein Verzicht auf die Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine Verkürzung des Rechtsweges werden nicht übernommen.
Schließlich soll auch die Genehmigung für Leitungen zum Transport von CO2 in Mitgliedstaaten der EU vereinfacht werden. Bisher bestehende Prüfpflichten zur Einhaltung von europarechtlichen Vorgaben durch den anderen Mitgliedstaat sollen gestrichen werden, um den Ausbau des Leitungsnetzwerks auch intereuropäisch zu erleichtern. Hierfür soll auch das London-Protokoll hinsichtlich der Anbindung von Leitungen an Speicher im EU-Ausland geändert werden. Die Anbindung an Speicherkapazitäten in anderen Mitgliedstaaten wird auch im Eckpunktepapier als wichtiges Element hervorgehoben, da in einigen Mitgliedstaaten die Speicherkapazitäten voraussichtlich früher zur Verfügung stehen werden als in Deutschland.
Anpassung des KSpG für Erkundung und Erschließung von Offshore-Speicherflächen
Die Offshore-Speicherung von CO2 im Festlandsockel und der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) soll erstmals umfassend ermöglicht werden, nachdem diese Möglichkeit im aktuellen KSpG auf Speichervorhaben zur Erforschung, Erprobung und Demonstration beschränkt ist. Die durchgeführten Tests hätten die Sicherheit derartiger Speicherungen ausreichend belegt. Der Referentenentwurf sieht nun die Einführung eines Zulassungsverfahrens für „Anlagen zur dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid in unterirdischen Gesteinsschichten“ vor und ermöglicht dadurch die kommerzielle Kohlenstoffspeicherung im industriellen Maßstab und öffnet das Feld für private Investoren und Träger.
Bevor entsprechende Projekte zugelassen werden können, ist jedoch eine Erkundung geeigneter Flächen erforderlich, die bislang durch entgegenstehende Regelungen der nördlichen Bundesländer verhindert wurden. Die für eine Speicherung potenziell geeignete Flächen werden im Referentenentwurf dahingehend eingeschränkt, dass Speicherungen innerhalb von Meeresschutzgebieten ausgeschlossen werden und (potenzielle) Offshore Windenergieanlagen nicht beeinträchtigt werden dürfen, um dem Vorrang des Ausbaus von Erneuerbaren Energien Rechnung zu tragen. Um die konkurrierenden Nutzungen in der AWZ ausreichend zu berücksichtigen, sollen CO2-Speicherstätten nach dem Eckpunktepapier künftig in die Meeresraumplanung integriert werden.
Die unterirdische Onshore-Speicherung auf dem Festland soll aktuell noch nicht gestattet werden. Im Eckpunktepapier wird jedoch die Möglichkeit offengehalten, eine Regelung in das KSpTG einzufügen, die die Onshore-Speicherung durch Landesgesetze ermöglicht, sofern die Bundesländer dies wünschen.
Ausblick
Sowohl das Eckpunktepapier als auch der Referentenentwurf zum KSpTG stammen aus dem BMWK und sind somit weder mit der gesamten Bundesregierung noch mit weiteren Entscheidungsträgern abgestimmt. Es bleibt insofern abzuwarten, welche Änderungen an diesen Entwürfen noch vorgenommen werden und wie die Carbon Management-Strategie der Bundesregierung letztendlich aussehen wird. Ein Streitpunkt dürfte hier sein, in welchen Bereichen CCS und CCU auch für vermeidbare Emissionen eingesetzt werden dürfen. Daneben wird ein Anpassungsbedarf auch bei anderen Gesetzen als dem KSpG entstehen. Auch auf europäischer Ebene ist mit Regelungen zu CCS und CCU zu rechnen, nachdem die Industrial Carbon Management-Strategie veröffentlicht wurde. Gleichzeitig besteht Zeitdruck für die Schaffung eines stabilen Rechtsrahmens um angesichts der komplett neu aufzubauenden Infrastruktur das Ziel erreichen zu können, bis 2030 CCS und CCU in nennenswertem Umfang in Deutschland zu nutzen.