Subventionen und Beihilfen

Der „Green Deal“ und das EU-Beihilferecht: Neue Leitlinien der Kommission für Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen

Kurz vor Weihnachten, am 21. Dezember 2021, veröffentlichte die Europäische Kommission ihre neuen Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen („Guidelines on State aid for climate, environmental protection and energy 2022“, kurz „CEEAG“). Das Kollegium der Kommissionsmitglieder hat die neuen Leitlinien gebilligt und die formelle Verabschiedung soll noch im Januar dieses Jahres erfolgen. Die lang erwarteten CEEAG sowie deren Anlagen sind zunächst nur in englischer Sprachfassung verfügbar.

Auch wenn die offizielle Verabschiedung des Dokuments damit zum jetzigen Zeitpunkt noch aussteht, sollten Mitgliedstaaten sowie potenzielle Beihilfeempfänger sich bereits jetzt mit den wesentlichen Neuerungen und möglichen Auswirkungen auf die zukünftige Beihilfegewährung näher befassen.

CEEAG vs. EEAG: Strukturelle Änderungen

Wie bereits in unserem früheren Beitrag beschrieben weisen die CEEAG zahlreiche Änderungen im Vergleich zu den vorhergehenden Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020 (Guidelines on State aid for environmental protection and energy 2014-2020, „EEAG“) auf. Der Hauptteil der CEEAG ist inzwischen auf 111 Seiten angewachsen und übersteigt damit den Umfang der Vorgängerregelung bei weitem. Die Kommission hat in den CEEAG auch mehrere neue Beihilfekategorien integriert, u. a. Beihilfen zur Reduktion oder Vermeidung von Treibhausgasen (4.1), Beihilfen für saubere Mobilität (4.3), sowie Beihilfen zur Ressourceneffizienz und Unterstützung für den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft (4.4). Zusätzlich wurden auch Sondervorschriften für energieintensive Nutzer (4.11) und Schließungsbeihilfen für Kraftwerke (in denen Kohle, Torf oder Ölschiefer verwendet werden) und von Bergwerken (in denen Kohle, Torf oder Ölschiefer abgebaut werden) (4.12) geschaffen. Auf Beihilfen für Atomenergie sollen die CEEAG ausdrücklich keine Anwendung finden (Rn. 13 (d)).

Strukturell ähneln die CEEAG den EEAG zumindest noch insoweit, als dass den einzelnen Beihilfekategorien ein allgemeiner Abschnitt vorangestellt wurde. Dieser findet auf alle Beihilfekategorien Anwendung soweit die allgemeinen Kriterien nicht in den spezifischeren Abschnitten präzisiert, geändert oder für unanwendbar erklärt werden. Beihilfekategorien, die ausschließlich auf Basis der generellen Kriterien bewertet werden sollen, finden sich in den CEEAG jedoch nicht mehr.

Zu den allgemeinen Kriterien

Bereits im allgemeinen Abschnitt lässt sich ein verstärkter Trend hin zur Gewährung von Beihilfen auf Basis von Ausschreibungen erkennen (siehe Rn. 49). Die Kommission führt zwar aus, dass generell auf die erforderlichen Netto-Mehrkosten (funding gap) abgestellt wird, die im Rahmen einer kontrafaktischen Analyse bestimmt werden sollen (Rn. 48). Für den Fall, dass eine Gewährung auf Basis einer Ausschreibung erfolgt, die die Vorgaben in Rn. 49 erfüllt, soll dies jedoch nicht erforderlich sein.

In bestimmten Fällen, in denen keine Ausschreibung durchgeführt wurde und die künftige Entwicklung von Kosten und Erträgen mit einem hohen Maß an Unsicherheit behaftet ist sowie eine starke Informationsasymmetrie besteht, weist die Kommission nun auch explizit auf die Möglichkeit von Kompensationsmodellen hin. Diese können aus einer Mischung von ex ante und ex post Merkmalen, einem Claw-back-Mechanismus oder einem Kostenkontrollmechanismus bestehen (Rn. 55).

Es fällt außerdem auf, dass die strengen Schwellen für Einzelanmeldungen an die Kommission – wie man sie in Rn. 20 EEAG noch kannte und welche in Abwesenheit einer Ausschreibung zu einer Pflicht zur Einzelanmeldung trotz genehmigter Beihilferegelung führen konnten – in den CEEAG nicht mehr zu finden sind. Die CEEAG enthalten jedoch einen allgemeinen Vorbehalt, der es der Kommission erlaubt in gewissen Fällen „zusätzliche Faktoren“ bei der Abwägung von bestimmten Beihilferegelungen zu berücksichtigen (Rn. 76). Hier erwähnt die Kommission explizit die Möglichkeit einer Ex-post Evaluierung oder in Abwesenheit einer Ausschreibung eine Einzelnotifizierung von Förderprojekten einer bestimmten Größe oder mit bestimmten Eigenschaften sowie eine zeitliche Beschränkung der Beihilfemaßnahmen.

Damit können Beihilferegelungen einer „ex post evaluation“ unterliegen, auch wenn sie bereits von der Kommission genehmigt wurden (siehe hierzu auch in Abschnitt 5, Rn. 455 ff.). Die Kommission verweist hierbei insbesondere auf Regelungen mit hohem Beihilfebudget (mehr als EUR 150 Mio. im Jahr oder EUR 750 Mio. während der Laufzeit der Regelung). Eine „ex post evaluation“ ist aber auch in anderen Fällen (bspw. bei Beihilferegelungen mit neuen Eigenschaften) denkbar. Die Mitgliedstaaten müssen außerdem einen Evaluierungsplan bei der Kommission vorlegen.

Die Kommission kann Beihilfemaßnahmen auf Basis der CEEAG für eine Maximaldauer von 10 Jahren genehmigen (Rn. 70). Die neuen Vorgaben der CEEAG sollen auf Beihilferegelungen sowie auf Individualbeihilfen (auf Basis einer Beihilferegelung oder als ad hoc Beihilfe) Anwendung finden (Rn. 18). Neu ist außerdem der explizite Hinweis darauf, dass Maßnahmen nicht zu einem Verstoß gegen EU Recht führen dürfen (siehe Rn. 33). Dies ist ein Ausfluss der jüngeren Rechtsprechung.

Die Beihilfekategorien der CEEAG - Insbesondere Beihilfen zur Reduktion oder Vermeidung von Treibhausgasen

Eine wesentliche Neuerung stellt der Abschnitt 4.1 (Aid for the reduction and removal of greenhouse gas emissions including through support for renewable energy) dar. Der Abschnitt umfasst Beihilfemaßnahmen zur Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen (inklusive Beihilfen für die Produktion von erneuerbarer Energie oder synthetischer Kraftstoffe, die mit erneuerbaren Energien hergestellt wurden) sowie Beihilfemaßnahmen, die eine breite Palette anderer Technologien umfassen und in erster Linie auf die Verringerung von Treibhausgasemissionen abzielen (Rn. 78). Neben bereits bekannten Instrumenten wie bspw. Carbon Capture and Storage sind nun auch Carbon Capture and Use (Rn. 83) sowie Beihilfen zur Förderung der Elektrifizierung mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen und/oder kohlenstoffarmer Elektrizität und damit auch explizit die Förderung von Industrieprozessen von Abschnitt 4.1 erfasst (Rn. 88).

Die Kommission stellt klar, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Instrumente genutzt werden können. Neben der Möglichkeit von Zuschüssen weist sie dabei explizit auf sog. Contracts for Difference hin, die auch als sog. „Carbon Contracts for Difference“ ausgestaltet werden können. Des Weiteren werden Betriebsbeihilfen nun ausdrücklich erwähnt (Rn. 121).

Eine wesentliche Neuerung, die bereits in der vorhergehenden Entwurfsfassung enthalten war, bildet die neu eingeführte Vorgabe, dass der Mitgliedsstaat vor Anmeldung eine öffentliche Konsultation durchführen muss (siehe Rn. 98 ff.). Diese kann je nach Höhe der jährlichen Beihilfe mindestens vier oder mindestens sechs Wochen betragen. Die Ergebnisse eines solchen Konsultationsprozesses sollen auch veröffentlicht werden. Ausnahmen von der verpflichtenden Durchführung der öffentlichen Konsultation scheinen unter bestimmten (engen) Voraussetzungen jedoch möglich zu sein (siehe insbesondere Rn. 100). Die Kommission hat nun außerdem in den CEEAG klargestellt, dass dieser Abschnitt erst ab dem 1. Juli 2023 gelten soll (Rn. 98).

Des Weiteren scheint die Kommission davon auszugehen, dass Beihilfen auf Basis des Abschnitts 4.1 grundsätzlich im Rahmen von Ausschreibungen gewährt werden sollen (Rn. 103). Diese Ausschreibungen sollen generell allen förderfähigen Begünstigten offenstehen (Rn. 104). Ausnahmen von der generellen Offenheit sowie von der Vorgabe einer Ausschreibung an sich sind möglich. Insbesondere die Ausnahmen zu letzterer - der generellen Vorgabe eine Ausschreibung durchzuführen - betreffen spezielle kleinere Projekte oder Fälle, in denen nicht genügend Angebot für ein wettbewerbliches Verfahren besteht (Rn. 107). Dies bedeutet für potenzielle Beihilfeempfänger, dass sie sich künftig in einem offenen, transparenten, diskriminierungsfreien und „klaren“ Verfahren um Förderung bewerben müssen, und zwar in Konkurrenz zu anderen Unternehmen.

Wie bereits oben ausgeführt, scheint eine individuelle Notifizierungspflicht trotz genehmigter, zugrundeliegender Beihilferegelung ab einer bestimmten Beihilfehöhe nicht mehr enthalten. Für Abschnitt 4.1 wird dies insofern präzisiert, als dass eine individuelle Notifizierungspflicht (oder eine andere in Rn. 76 erwähnte Maßnahme) nur noch in Fällen angeordnet werden soll, in denen Maßnahmen besonders neu oder komplex sind oder die Kommission zusätzliche Wettbewerbsbeschränkungen befürchtet (Rn. 131).

Weitere Beihilfekategorien der CEEAG in Kürze

Die CEEAG sehen in ihrem Abschnitt 4 noch zahlreiche weitere Beihilfekategorien vor:

  • Beihilfen zur Verbesserung der Energie- und Umweltbilanz von Gebäuden (4.2. Aid for the improvement of the energy and environmental performance of buildings): Dies betrifft insbesondere Beihilfen zur Verbesserung der Energieeffizienz,
  • Beihilfen für saubere Mobilität (4.3 Aid for clean mobility: Aid for the acquisition and leasing of clean vehicles and clean mobile service equipment and for the retrofitting of vehicles and mobile service equipment and aid for the deployment of recharging or refuelling infrastructure): Dies erfasst Beihilfen zum Erwerb oder Leasing von sauberen Transportmitteln sowie den Aufbau einer Auflade- oder Betankungsinfrastruktur,
  • Beihilfen zur Ressourceneffizienz und Unterstützung für den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft (4.4 Aid for resource efficiency and for supporting the transition towards a circular economy): Dies umfasst u. a. Beihilfen für Investitionen zur Verbesserung der Ressourceneffizienz durch Verringerung der konsumierten Rohstoffe bei gleichbleibender Produktionsmenge oder durch den Ersatz von Rohstoffen durch gebrauchte oder recycelte Materialien,
  • Beihilfen zur Reduzierung oder Vermeidung von Umweltverschmutzung (4.5 Aid for the prevention or the reduction of pollution other than from greenhouse gases): Das Kapitel erfasst Beihilfen für Unternehmen, die über Unionsnormen hinausgehen bzw. Unionsnormen erfüllen, die noch nicht in Kraft sind sowie die bei Fehlen solcher Normen den Umweltschutz verbessern,
  • Beihilfen zur Altlastensanierung, der Wiederherstellung von natürlichen Lebensräumen und Ökosystemen, Biodiversität und naturbasierten Lösungen (4.6 Aid for the remediation of environmental damage, the rehabilitation of natural habitats and ecosystems, the protection or restoration of biodiversity and the implementation of nature-based solutions for climate change adaptation and mitigation), 
  • Beihilfen in Form von Ermäßigungen für Steuern oder steuerähnliche Abgaben (4.7 Aid in the form of reductions in taxes or parafiscal levies),
  • Beihilfen zur Sicherstellung der Stromversorgung (4.8 Aid for the security of electricity supply): Dies umfasst bspw. Kapazitätsmechanismen, auch hier wird eine öffentliche Konsultation ab dem 1. Juli 2023 vorgesehen,
  • Beihilfen für Energieinfrastrukturen (4.9 Aid for energy infrastructure),
  • Beihilfen für Fernwärme und Fernkälte (4.10 Aid for district heating or cooling): Die Kategorie bezieht sich auf die Unterstützung beim Bau bzw. der Aufrüstung von energieeffizienten Fernwärme- und Fernkältesystemen,
  • Beihilfen in der Form von Stromabgabenermäßigungen für stromintensive Unternehmen (4.11 Aid in the form of reductions from electricity levies for energy-intensive users): Abschnitt 4.11 bezieht sich nun explizit auf energieintensive Nutzer und regelt Beihilfen in Form von Ermäßigungen von Stromabgaben. Bereits die jetzigen EEAG kennen in Abschnitt 3.7 eine ähnliche Beihilfekategorie (Beihilfen in Form von Umweltsteuerermäßigungen oder -befreiungen und in Form von Ermäßigungen der finanziellen Beiträge zur Förderung erneuerbaren Energiequellen), in den Details kommt es dennoch zu Änderungen:
    • Abschnitt 4.11 erfasst Abgaben zur Finanzierung von erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung sowie zur Finanzierung von Sozialtarifen bzw. Strompreisen in abgelegenen Regionen (Rn. 403).
    • Abgaben, die einen Teil der Kosten für die Bereitstellung von Strom widerspiegeln (wie bspw. Befreiungen von Netzwerkabgaben oder Finanzierung von Kapazitätsmechanismen) sollen hingegen nicht erfasst sein. Auch Abgaben auf den Verbrauch anderen Energieformen, wie bspw. Erdgas, werden nicht erfasst (Rn. 403).
    • Die in der Entwurfsfassung enthaltene Vorgabe, dass Ermäßigungen nur erteilt werden können, wenn der Gesamtbetrag dieser Abgaben ohne Ermäßigungen einen bestimmten Betrag überschreitet (damals Rn. 356 im Entwurf), wurde nicht beibehalten. Eine derartige zusätzliche Obergrenze findet sich in den CEEAG daher nicht.
    • Beihilfen auf Basis von 4.11 sollen auf besonders betroffene Sektoren beschränkt sein. Diese sind durch zwei Faktoren gekennzeichnet; ihre Handelsintensität auf Europäischer Ebene sowie ihre Elektrointensität. Die Kommission hat diese Sektoren in Anhang I der CEEAG aufgelistet. Dort werden sie in Sektoren mit wesentlichem Risiko und Sektoren mit Risiko (“sectors at significant risk” or “sectors at risk”) kategorisiert. Auch diese Unterscheidung ist neu im Vergleich zu dem vorhergehenden Annex 3 der EEAG.
    • Von der Verhältnismäßigkeit der Beihilfe geht die Kommission generell aus, wenn der Beihilfeempfänger mindestens 15 % bzw. 25 % der von der Beihilferegelung erfassten Abgaben bezahlt (siehe Rn. 408 ff. zu den Details). Dies scheint ein Mittelweg zwischen den vorhergehenden EEAG, die im Rahmen von Beihilfen in Form von Ermäßigungen des Beitrags zur Finanzierung erneuerbarer Energien 15 % genügen ließen (siehe dort Rn. 188) und der Entwurfsfassung der CEEAG, die ursprünglich 25 % vorsah (siehe dort Rn. 359), zu sein.
    • Zusätzlich sieht Abschnitt 4.11 vor, dass Mitgliedstaaten verpflichtet sind zu überprüfen, ob der Begünstigte seiner Verpflichtung zur Durchführung eines Energieaudits nachkommt. Mitgliedstaaten müssen außerdem überwachen, ob diese Unternehmen eine oder mehrere der zusätzlichen Vorgaben in Rn. 415 erfüllen (z.B. ihren CO2- Fußabdruck in dem Maße reduzieren, dass 30 % des Energieverbrauchs aus CO2 freien Quellen kommt, oder ein erheblicher Anteil von mindestens 50 % des Beihilfebetrages in Projekte investiert wird, die zu einer erheblichen Verminderung von Treibhausgasemissionen durch ihre Anlage führen).
  • Beihilfen zur Stilllegung von Kraftwerken, in denen Kohle, Torf oder Ölschiefer verwendet werden, und von Bergwerken, in denen Kohle, Torf oder Ölschiefer abgebaut wird (4.12 Aid for the closure of power plants using coal, peat or oil shale and of mining operations relating to coal, peat or oil shale extraction): 4.12 umfasst zwei verschiedene Maßnahmen, zum einen Beihilfen für eine frühere Schließung, zum anderen Beihilfen für außergewöhnliche Kosten, die aus einer Schließung resultieren.

Ausblick

Die CEEAG weisen zahlreiche Neuerungen im Vergleich zu den vorhergehenden EEAG sowie Änderungen im Verhältnis zum vorab veröffentlichten Entwurf zur Konsultation auf. Abschnitt 4.1 scheint hierbei die wohl auffälligste Neuerung und zeigt zugleich den Fokus der Kommission, nämlich die Transformation der Industrie hin zur CO2 armen bzw. freien Produktion.

Die Kommission hat außerdem an den wohl wesentlichen Verfahrensneuerungen festgehalten, dem Fokus auf Ausschreibungen sowie der Durchführung einer öffentlichen Konsultation. Insbesondere die Umsetzung dieser zusätzlichen administrativen Hürden könnte einige Mitgliedstaaten vor Herausforderungen stellen und die rasche Umsetzung potenzieller Beihilfemaßnahmen in Frage stellen. Ob die Verfahrensneuerungen am Ende ein nur theoretisches Problem sein werden, das die Kommission durch eine flexible und praxisgerechte Auslegung der Ausnahmetatbestände löst, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.

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