Am 23. Februar 2024 hat die EU weitere Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschlossen, die anlässlich des zweiten Jahrestages des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine am 24. Februar 2024 in Kraft getreten sind.
Das nunmehr 13. Sanktionspaket verschärft die bestehenden Sanktionen aus den bisherigen Sanktionspaketen, zuletzt vom 18. Dezember 2023 (Beitrag vom 21. Dezember 2023). Die Neuregelungen zielen schwerpunktmäßig darauf ab, die Beschaffung von für die russische Kriegsführung besonders wichtigen unbenannten Luftfahrzeugen und Drohnen weiter zu erschweren. Neben wenigen Ausweitungen der handelsbezogenen Beschränkungen wird insbesondere die Sanktionsliste erheblich erweitert. Verglichen mit den letzten Sanktionspaketen handelt es sich eher um ein kleineres Gesetzespaket, dem anlässlich des zweiten Jahrestages der Invasion vor allem Symbolwirkung zukommt.
Zudem hat sich Neues auch mit Blick auf zwei bereits mit dem 12. Sanktionspaket eingeführte, vieldiskutierte Änderungen ergeben: Zum einen hat das BAFA die Allgemeine Genehmigung Nr. 42 erlassen, die die Erbringung von Dienstleistungen und Unternehmenssoftware zugunsten von in Russland niedergelassenen EU-Tochterunternehmen erlaubt. Zum anderen hat die EU Kommission die bereits erwarteten Auslegungshinweise zum Artikel 12g der Verordnung (EU) 833/2014 einschließlich eines Mustertextes für die sogenannte „No-Russia-Klausel“ veröffentlicht, deren praktische Handhabung seit ihrer Einführung durch das 12. Sanktionspaket kontrovers diskutiert wurde.
I. Neue EU-Sanktionen
In ihrem 13. Sanktionspaket (bestehend aus der Verordnung (EU) 2024/745 und der Durchführungsverordnung (EU) 2024/753) nimmt die EU weitere Verschärfungen und Anpassungen ihrer Sanktionsmaßnahmen gegen Russland vor. Dies betrifft insbesondere die personenbezogenen Sanktionen in der Verordnung (EU) 269/2014 und die handelsbezogenen Sanktionen in der Verordnung (EU) 833/2014. Bereits am 12. Februar 2024 wurde durch die Verordnung (EU) 2024/576 der Umgang mit Erträgen aus eingefrorenen russischen Geldern neu gehandhabt.
1. Personenbezogene Sanktionen
Mit einer Erweiterung der Sanktionsliste im Vergleich zum Stand vom 18. Dezember 2023 um 106 Einzelpersonen und 88 Einrichtungen, hat die EU ihre personenbezogenen Russland-Sanktionen so stark ausgeweitet wie durch kein anderes Sanktionspaket zuvor. Durch die Verordnung (EU) 269/2014 werden Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren, die im Eigentum oder Besitz der in Anhang I aufgeführten Personen stehen. In sachlicher Hinsicht bleibt die Verordnung unverändert: Neben dem Verfügungsverbot gilt weiterhin ein Verbot der (auch mittelbaren) Bereitstellung von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen zugunsten sanktionierter Personen oder Organisationen (siehe dazu bereits unsere Beiträge vom 7. März 2022, vom 12. April 2022 und vom 9. Juni 2022). Die inzwischen über 2.000 Einträge zählende Sanktionsliste wurden vor allem um die folgenden Personengruppen und Einrichtungen ergänzt:
- Mit 140 Unternehmen und Einzelpersonen wurden die meisten Ergänzungen bezüglich Unternehmen und Personen vorgenommen, die dem militärisch-industriellen Komplex Russlands zuzuordnen sind. Einen Schwerpunkt stellen hierbei Unternehmen dar, die mit verschiedenen zentralen Komponenten für Drohnen handeln.
- Weiter wurden Unternehmen und Einzelpersonen aufgenommen, die zur Umgehung von Sanktionen beitragen oder anderweitig die russischen Kriegsanstrengungen unterstützen. Daneben zählen zu den neu gelisteten Personen auch Richter und Beamte aus den besetzten ukrainischen Gebieten.
2. Erschwerung der Beschaffung von Drohnen durch bestimmte Unternehmen
Als Teil der handelsbezogenen Beschränkungen wurde der Anhang IV der Verordnung (EU) 833/2014 um 27 Unternehmen aus Russland, aber auch aus Drittländern ergänzt. In diesem Anhang werden Personen, Organisationen und Einrichtungen aufgeführt, die zum militärischen und industriellen Komplex Russlands gehören oder den russischen Verteidigungs- und Sicherheitssektor anderweitig unterstützen und die daher grundsätzlich als „militärische Endnutzer“ einzustufen sind. Die neu hinzugefügten Unternehmen versorgen die russische Militärindustrie mit wichtigen Drohnenkomponenten oder stehen mit der Drohnenbeschaffung im Zusammenhang. Der Anhang IV enthielt bisher neben russischen Personen und Einrichtungen nur einige wenige Personen/Unternehmen aus den Drittländern Iran, Usbekistan, Syrien, Vereinigte Arabische Emirate, China (Hongkong) und Singapur. Zu diesen treten nun zehn weitere Unternehmen aus China, Kasachstan, Indien, Serbien, Thailand, Sri Lanka und der Türkei hinzu.
Soweit Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck (Dual Use-Güter) sowie in Anhang VII gelistete Güter und Technologien, die zur technologischen Stärkung des russischen Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen können, mit entsprechender Genehmigung ausnahmsweise an nicht-militärische Endnutzer für nicht-militärische Zwecke nach Russland oder zur Verwendung in Russland ausgeführt werden dürfen, scheidet eine solche Genehmigung in der Regel aus, wenn der Endnutzer in Anhang IV gelistet ist.
3. Vereinigtes Königreich als neues Partnerland für die Einfuhr von Eisen und Stahl
Das Vereinigte Königreich wurde neben den bereits im Rahmen des 12. Sanktionspakets eingeführten Partnerländern Schweiz und Norwegen als neues Partnerland für die Einfuhr von Eisen und Stahl aufgenommen, da dort ähnliche restriktive Maßnahmen für die Einfuhr von Eisen und Stahl implementiert sind wie in der EU. In der Folge ist kein Nachweis über das Ursprungsland von gelisteten Eisen- und Stahlprodukten erforderlich, wenn diese aus dem Vereinigten Königreich eingeführt werden (siehe dazu Beitrag vom 21. Dezember 2023).
4. Handhabung der Zinserträge von eingefrorenen russischen Geldern
Medial wenig beachtet, hat die EU bereits am 12. Februar 2024, und damit „zwischen“ dem 12. und dem 13. Sanktionspaket, eine Neuregelung zu Zinserträgen aus eingefrorenen russischen Geldern eingeführt. Durch die Verordnung (EU) 2024/576 wird klargestellt, dass Transaktionen im Rahmen des Bilanzmanagements von eingefrorenen Vermögenswerten und Reserven der russischen Zentralbank erlaubt sind. Die dadurch erzielten Einnahmen müssen von Zentralverwahrern, die Vermögenswerte mit einem Gesamtwert von mehr als EUR 1 Mio. halten, gesondert verbucht werden und dürfen insbesondere nicht an Anteilseigner oder Dritte ausgeschüttet werden.
Diese Neuregelung ist der erste Schritt zu dem von der EU angestrebten Ziel, die Erträge aus den eingefrorenen russischen Gelder der Ukraine bereitzustellen. Aufgrund der Summe der in der EU eingefrorenen Gelder (über EUR 200 Mrd.) könnten dadurch Erträge im einstelligen Milliardenbereich erwirtschaftet werden. Die dafür erforderlichen Gesetzesänderungen sind jedoch noch nicht beschlossen.
II. Update zum 12. Sanktionspaket
Obwohl nun bereits das 13. Sanktionspaket in Kraft getreten ist, sind erst in der letzten Woche neue Informationen veröffentlicht worden, die sich auf Änderungen beziehen, die mit dem 12. Sanktionspaket am 19. Dezember 2023 in Kraft getreten sind.
1. Neue AGG zur Erbringung von Dienstleistungen an russische Töchter von EU-Unternehmen
Am 20. Februar 2024 hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle („BAFA“) die Allgemeine Genehmigung („AGG“) Nr. 42 veröffentlicht, die sich auf die Verbote zur Erbringung bestimmter Dienstleistungen und zur Weitergabe bestimmter Unternehmenssoftware in Art. 5n Verordnung (EU) 833/2014 bezieht. Bei den AGG handelt es sich um eine Sonderform der Ausfuhrgenehmigung, durch die automatisch alle Ausfuhren genehmigt werden, die die Voraussetzungen der AGG erfüllen.
Art. 5n Verordnung (EU) 833/2014 verbietet grundsätzlich die Erbringung bestimmter Dienstleistungen (u.a. Wirtschaftsprüfung, Buchführung, Unternehmensberatung, IT-Beratung etc.) sowie das Bereitstellen von Unternehmenssoftware und Software für Industriedesign und Fertigung für in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen. Davon abweichend galt bislang jedoch das sog. „Tochterprivileg“, wonach die Erbringung der aufgezählten Dienstleistungen und Software ausnahmsweise zulässig war, wenn sie ausschließlich durch ein russisches Tochterunternehmen von einem EU-Unternehmen oder einem Unternehmen aus einem Partnerland genutzt werden. Die neue AGG wurde erst durch das 12. Sanktionspaket erforderlich, das diese Privilegierung mit Wirkung zum 20. Juni 2024 abgeschafft hat. Ab diesem Zeitpunkt muss nunmehr für die Erbringung der Dienstleistungen und der Software zugunsten russischer Töchter von EU-Unternehmen eine Genehmigung eingeholt werden.
Das BAFA hält es nicht für erforderlich, Dienstleistungen und Softwareübertragungen an russische Tochterunternehmen von EU-Unternehmen oder Unternehmen aus Partnerländern im Wege der Einzelgenehmigung zu überwachen und hat daher die neue AGG Nr. 42 erlassen. Diese gilt auch, sofern die Dienstleistungen oder die Software für die Tätigkeit der diplomatischen oder konsularischen Vertretungen der Union, der Mitgliedstaaten oder der Partnerländer erforderlich ist. Die AGG umfasst dabei sämtliche Dienstleistungen, Software und Tätigkeiten, die in Art. 5n Abs. 1 bis 3b Verordnung (EU) 833/2014 aufgezählt sind. Es sind nur wenige Ausnahmefälle genannt, in denen die AGG nicht in Anspruch genommen werden kann, sondern eine Einzelgenehmigung beantragt werden muss (so z.B. wenn die Software selbst Exportbeschränkungen unterliegt, der Empfänger der Leistungen in einer Sanktionsliste gelistet ist oder er bestimmte Waffen oder Rüstungsgüter herstellt).
Unternehmen, die die AGG in Anspruch nehmen wollen, müssen sich bei der ersten Nutzung oder binnen 30 Tagen danach beim BAFA als Nutzer der AGG Nr. 42 registrieren. Die Registrierung ist sowohl über das Onlineportal ELAN-K2 als auch per E-Mail möglich. Eine weitere Verfahrenserleichterung liegt hier darin, dass nur die erste Leistungserbringung anzuzeigen ist. Nachfolgende Leistungserbringungen an denselben Empfänger müssen selbst dann nicht angemeldet werden, wenn es sich um andere Leistungen handelt.
2. FAQ und Musterformulierung zur No-Russia-Klausel
Ebenfalls im Rahmen des 12. Sanktionspaketes wurde Art. 12g in die Verordnung (EU) 833/2014 aufgenommen, wonach Ausführer ihren Kunden die Wiederausfuhr bestimmter umgehungssensibler Güter und Technologien nach Russland oder zur Verwendung in Russland vertraglich verbieten müssen. Da es sich dabei um ein neues exportkontrollrechtliches Instrument handelt und die Formulierung der Vorschrift große Auslegungsspielräume lässt, bestanden erhebliche Unsicherheiten, wie diese Regelung in der Praxis zu handhaben ist.
Die EU Kommission hat nun am 22. Februar 2024 ihre FAQ zu Art. 12g Verordnung (EU) 833/2014 veröffentlicht, die auch eine Musterklausel enthalten. Positiv anzumerken ist in dieser Hinsicht, dass die EU-Kommission im Zusammenhang mit ihren Erläuterungen ausdrücklich auf die „EU-Ausführer“ (EU exporters) rekurriert. Insoweit ergibt sich aus den Kommissions-FAQ ein weiteres Argument dafür, dass die Pflicht zur Aufnahme einer „No Russia“-Klausel nur für Verträge über Ausfuhren aus der EU gilt – und nicht etwa bei außereuropäischen Lieferverhältnissen, auf die die Verordnung (EU) 833/2014 anwendbar ist. Der Klauselvorschlag der EU-Kommission ist dann aber denkbar weit formuliert und enthält etwa die Verpflichtung des Vertragspartners, Anstrengungen zu unternehmen, dass auch weitere Unternehmen entlang der Lieferkette die Güter nicht nach Russland oder zur Verwendung in Russland wiederausführen (best efforts-Klausel zur Weitergabe). Dazu soll sich der Vertragspartner Monitoringrechte einräumen lassen, um bei den Unternehmen entlang der Lieferkette zu überprüfen, ob sie dieser Verpflichtung nachkommen. Als „angemessene Abhilfemaßnahmen“, die für den Fall eines Verstoßes gegen das Wiederausfuhrverbot vertraglich vereinbart werden müssen, nennt die Kommission beispielhaft ein Kündigungsrecht sowie Vertragsstrafen. Es bleibt abzuwarten, wie sich Vertragspartner in Drittstaaten zu einer solchen weitreichenden Klausel in Vertragsverhandlungen verhalten werden. Die EU-Kommission ist in Ihren FAQ insoweit deutlich: Dort, wo es nicht gelingt, eine „No Russia“-Klausel zu vereinbaren, muss vom Vertrag Abstand genommen werden.
Trotz dieser Konkretisierungen durch die Kommission verbleibt weiterhin Auslegungsspielraum. Die von der Kommission vorgeschlagene Klausel wird ausdrücklich für Verträge mit Vertragspartnern empfohlen, bei denen ein hohes Umgehungsrisiko besteht. Das spricht dafür, dass es zulässig bleiben kann, in weniger risikoträchtigen Konstellation, hinter dem Vorschlag der Kommission zurückzubleiben. Welche Mindestanforderungen an eine No-Russia-Klausel in solchen risikoärmeren Konstellationen gestellt werden, bleibt auch nach den FAQ der EU Kommission unklar.
Neben der Musterklausel ist hervorzuheben, dass die EU Kommission in den FAQ ihre Auffassung wiederholt, dass abhängig vom Risikoprofil des jeweiligen Geschäftsmodells auch außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 12g Verordnung (EU) 833/2014 eine Klausel mit einem Wiederausfuhrverbot nach Russland oder zur Verwendung in Russland als Compliance-Maßnahme erforderlich sein kann.
III. US-Sanktionen
Ebenfalls am 23. Februar 2024 haben auch die Vereinigten Staaten weitere Sanktionen gegen Russland angekündigt. Neben dem zweiten Jahrestag des Einmarschs russischer Truppen in die Ukraine war auch der Tod des Kremlkritikers Alexej Nawalny Anlass für die Verschärfung der Maßnahmen gegen Russland. Ein Teil der neuen Sanktionen richtet sich dementsprechend auch gegen Personen, die im Zusammenhang mit dem Tod Nawalnys stehen sollen. Daneben sollen durch das US-Sanktionspaket Umgehungsgeschäfte weiter unterbunden werden, weshalb sich einige Maßnahmen auch gegen Unternehmen in Drittstaaten richten.
IV. Ausblick
Das 13. Sanktionspaket verursacht im Vergleich zu den vorherigen Paketen weniger Handlungsbedarf bei den Unternehmen. Neue Sanktionsinstrumente wurden nicht eingeführt, sondern lediglich bestehende Instrumente ausgebaut. Insofern ist es lediglich geboten, die neuen Listungen sanktionierter Personen und Unternehmen sowie die überschaubaren Ausweitungen der Güterlisten zu beachten.
Die neue AGG stellt eine große Vereinfachung für alle EU-Unternehmen mit russischen Tochterunternehmen dar, die an diese Dienstleistungen erbringen oder ihnen Unternehmenssoftware bereitstellen. Statt der Beantragung mehrerer Einzelgenehmigungen für die verschiedenen erbrachten Leistungen, ist nun lediglich eine einmalige Registrierung beim BAFA erforderlich. Im Gegensatz dazu wird die Umsetzung der Vorgaben zur No-Russia-Klausel weiterhin viel Aufwand erfordern. Die neue Musterklausel gibt zwar Orientierung bei der Auslegung der gesetzlichen Anforderungen. Insbesondere in weniger risikoträchtigen Konstellationen, in welchen auf Seiten des potentiellen Vertragspartners mit Widerstand gegen die Aufnahme der weiten Musterklausel zu rechnen ist, bleiben für EU-Unternehmen schwierige Risikoabwägungen zu treffen.
Die Einhaltung der EU-Sanktionen gegen Russland wird die Unternehmen auch zukünftig vor Herausforderungen stellen. Sie sind nicht nur bei Exporten nach Russland, sondern im Rahmen sämtlicher Transaktionen mit Auslandsberührung zu beachten. Da ein baldiges Ende des russischen Angriffskrieges nicht in Sicht ist, ist auch für die Zukunft mit weiteren Sanktionspaketen und damit weiteren Veränderungen der Rechtslage zu rechnen.