Außenwirtschaftsrecht

Außenwirtschaftsrecht Update: Nächste Sanktionen der EU und der USA gegen Russland treten in Kraft; Russische Maßnahmen

Angesichts der anhaltenden Angriffe Russlands auf die Ukraine hat die EU weitere Wirtschaftssanktionen gegen Russland erlassen: Am 9. April 2022 ist das – nach offizieller Zählung – fünfte Sanktionspaket der EU in Kraft getreten. Dieses Maßnahmenbündel, das auf die Sanktionspakete vom 24. und 26. Februar 2022 (Beitrag vom 28. Februar 2022), vom 28. Februar / 2. März 2022 (Beitrag vom 7. März 2022) sowie das Paket vom 16. März 2022 (Beitrag vom 18. März 2022) folgt, soll aus Sicht der EU den Druck auf die russische Regierung und die russische Wirtschaft erhöhen sowie die Ressourcen des Kreml begrenzen.

Hinzugekommen sind nunmehr diverse Einfuhrverbote für russische Erzeugnisse wie Holz, Zement, Düngemittel und Kohle in die EU, die Einschränkung des Warentransports mit russischen Schiffen und Fahrzeugen und weitere Ausfuhrverbote, vor allem im Maschinen- und Computerbereich. Zudem werden die bestehenden personenbezogenen Sanktionen erweitert. Auch ein Transaktionsverbot für eine Reihe wichtiger russischer Banken und die Schließung von Schlupflöchern im Bereich des sanktionierten Zahlungsverkehrs sind Gegenstand der neuesten Maßnahmen.

Auch die USA haben – in Abstimmung mit der EU und den G7 – weitere Sanktionsmaßnahmen verhängt: Am 6. und 7. April 2022 beschloss die US-Regierung ein Investitionsverbot in Russland, die bisher strengsten Finanzsanktionen gegen Russlands größte Staatsbank (Sberbank) und Privatbank (Alfa-Bank); weiterhin setzte sie weitere russische Regierungsbeamte und ihre Familienmitglieder auf die sog. SDN-Liste. Diese Maßnahmen folgen auf das bereits am 4. April 2022 verhängte Verbot, russische Staatsschulden von bei US-Finanzinstitutionen geführten Konten zu begleichen.

Gleichzeitig bringt Russland neue Gegenmaßnahmen auf den Weg. Neben möglichen strafrechtlichen Konsequenzen für Unternehmensleitungen, die sich an die westlichen Sanktionen halten, betrifft dies insbesondere Einschränkungen des Schutzes von Immaterialgüterrechten zu Lasten von Rechteinhabern aus „unfreundlichen Staaten“.

 

EU-Sanktionen

In ihrem fünften Sanktionspaket (VO (EU) 2022/581 und 2022/576) vom 8. April 2022 nimmt die EU weitere Ergänzungen und Verschärfungen insb. der Verordnungen (EU) 269/2014 und 833/2014 vor.

  • Die EU hat die personenbezogenen Sanktionen im Vergleich zum Stand am 17. März 2022 um über 200 weitere Einträge auf derzeit insgesamt 1110 Personen und 83 Organisationen ausgedehnt. Im neuen Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 sind nunmehr auch Unternehmen aufgenommen, deren Produkte oder Technologien eine Rolle bei der Invasion gespielt haben. Gelistet sind zudem wichtige „Oligarchen“ und Geschäftsleute, hochrangige Kreml-Beamte, Befürworter von Desinformation und Informationsmanipulation, die systematisch das Narrativ des Kremls zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine verbreiten, sowie Familienangehörige bereits sanktionierter Personen. Hierdurch will man sicherstellen, dass die EU-Sanktionen nicht mittels Vermögensverschiebungen umgangen werden. Wie bereits in unserem Newsletter vom 7. März 2022 erläutert, gilt für die gelisteten Personen ein Ein- und Durchreiseverbot für das Unionsgebiet; sämtliche Vermögenswerte der betroffenen Personen werden eingefroren. Das Bereitstellungsverbot, das es europäischen Unternehmen verbietet, gelisteten Personen Vermögenswerte zur Verfügung zu stellen, soll nach aktuellen Verlautbarungen der EU-Kommission offenbar auch für solche nicht gelisteten Unternehmen greifen, die insgesamt mehrheitlich im Eigentum (mehrerer) gelisteter Personen stehen. Die Kommission geht also von einer „Addition“ der Anteile gelisteter Personen an Unternehmen aus, sodass auch ein Unternehmen, das etwa zu 30% von einer gelisteten Person und zu 25% von einer anderen gelisteten Person gehalten wird, als von einer gelisteten Person kontrolliertes Unternehmen betrachtet wird. Der Handel mit einem solchen Unternehmen kann daher nach der – insoweit allerdings nicht verbindlichen – Rechtsauffassung der Kommission einen Verstoß gegen das mittelbare Bereitstellungsverbot begründen.
  • Das fünfte Sanktionspaket führt ein vollständiges Transaktionsverbot gegen wichtige russische Banken ein, indem in Anhang I der Verordnung (EU) 269/2014 nun auch vier wichtige russische Banken als sanktionierte Organisationen gelistet sind. Es handelt sich dabei um die VTB-Bank, die Otkritie FC Bank, die Novikombank und die Sovcombank, die zusammen auf 23% des Marktanteils im russischen Bankensektor kommen; entgegen einiger Vermutungen ist die Sberbank hiervon nicht betroffen. Das so verhängte Transaktionsverbot geht über den bereits erfolgten Ausschluss aus dem SWIFT-System hinaus, da diese Banken nun dem Einfrieren von Vermögenswerten unterliegen, wodurch sie vollständig von den EU-Märkten abgeschnitten werden.
  • Der Schwerpunkt der Sanktionen ist wiederum die Ergänzung der Verordnung (EU) 833/2014 im Bereich der finanz- und handelsbezogenen Sanktionen:
    • Das Ausfuhr- und Investitionsverbot der Artt. 3 und 3a, b und c gilt jetzt auch für Kohle und andere fossile Brennstoffe, zur Verflüssigung von Erdgas geeignete Güter und Technologien sowie für Flugturbinenkraftstoffe und Kraftstoffadditive (Ausnahmegenehmigungen kommen für Finanzierungsleasingverträgen für Luftfahrzeuge in Betracht). Neben der Ölraffination ist damit jetzt auch die Gasindustrie betroffen, wobei der Verordnungsgeber das Ausfuhrverbot des Art. 3b ausdrücklich auf Güter und Technologien zur Verflüssigung von Erdgas (d.h. LNG-Technologie und Güter) beschränkt. Weiterhin nicht erfasst sind damit sonstige Güter und Technologien für die Erdgasaufbereitung / -verarbeitung, die nicht die Verflüssigung von Erdgas betreffen.
    • Zudem wurden diverse Güterlisten bereits bestehender Ein- und Ausfuhrverbote überarbeitet. Von Ausfuhrverboten sind nun etwa auch Quantencomputer und fortgeschrittene Halbleiter, hochwertige Elektronikerzeugnisse, Software, weitere sensible Hightechmaschinen, bestimmte Flüssiggastechnik und Fahrzeuge umfasst.
    • Nach dem neuen Art. 3ea ist es verboten, unter russischer Flagge registrierten Schiffen Zugang zu Häfen im EU-Gebiet zu gewähren. Der neue Art. 3l verbietet es Kraftverkehrsunternehmen, die in Russland oder Belarus (vgl. Art. 1 zc der Verordnung (EG) Nr. 765/2006) niedergelassen sind, im EU-Gebiet Güter auf der Straße, einschließlich zu Zwecken der Durchfuhr, zu befördern. Die Verbote gelten für bestimmte Konstellationen erst ab dem 16. April 2022; Behörden können Ausnahmen im Zusammenhang mit der Einfuhr erlaubter Güter gewähren.
    • Die neuen Artt. 3i, j und k der Verordnung (EU) 833/2014 führen Handelsbeschränkungen ein, die insgesamt nach Einschätzung der EU-Kommission ein Gesamtvolumen von über 20 Milliarden EUR erreichen. Es gelten nunmehr Einfuhrverbote in die Union für bestimmte aus Russland stammende Erzeugnisse, wie etwa:
      • Kohle und andere feste fossile Brennstoffe, die im neuen Anhang XXII der Verordnung (EU) 833/2014 genauer aufgeführt sind. Dieses Verbot gilt bis zum 10. August 2022 nicht für die Erfüllung von vor dem 9. April 2022 geschlossenen Verträgen („Wind Down Period“). Dementsprechend gilt auch die zuvor noch zeitlich unbefristete Bereichsausnahme zum umfassenden Geschäftsverbot aus Art. 5aa der Verordnung (EU) 833/2014 (siehe dazu unseren letzten Newsletter vom 18. März 2022) für auf diese Güter bezogene Transaktionen nur noch bis zum 10. August 2022.
      • Auch die im neuen Anhang XXI der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 genauer aufgeführten Erzeugnisse (wie etwa Holz, Zement, Reifen, Glas, Düngemittel, Meeresfrüchte und Spirituosen) dürfen nicht mehr eingeführt werden (für bestimmte Güter gibt es Kontingente). Dieses Verbot gilt bis zum 10. Juli 2022 nicht für die Erfüllung von vor dem 9. April 2022 geschlossenen Verträgen („Wind Down Period“).
    • Zudem gelten zahlreiche neue Ausfuhrverbote:
      • Die im neuen Anhang XXIII Verordnung (EU) Nr. 833/2014 aufgeführten Güter, die insbesondere zur Stärkung der industriellen Kapazitäten Russlands beitragen könnten, dürfen nicht mehr ausgeführt werden (neuer Art. 3k). Zu dieser sehr weitreichenden und umfangreichen Liste zählen etwa bestimmte Pflanzen, Erden, chemische Rohstoffe, Gewebe, Steine, Glas, Maschinen und anderes. Dieses Verbot gilt bis zum 10. Juli 2022 nicht für die Erfüllung von vor dem 9. April 2022 geschlossenen Verträgen („Wind Down Period“). Ausnahmen sind hier insbesondere im Bereich der humanitären Zwecke möglich. Diese Regelung hat erhebliche „Sprengkraft“: Anhang XXIII ist heterogen und weitreichend; er wirkt wie ein „Schuss aus der Schrotflinte“. Die Flankierung des Ausfuhrverbotes (Art. 3k Abs. 1) durch das übliche „Dienstleistungsverbot“ (Art. 3k Abs. 2 a) dürfte Auswirkungen auf eine Vielzahl von Transaktionen haben, die bislang nicht reguliert waren. Hier bestehen erhebliche Rechtsunsicherheiten. Insofern sollten betroffene Unternehmen vorerst ihre Geschäftstätigkeit (bezogen auf Güter des Anhangs XXIII und auch damit zusammenhängende Dienstleistungen) kritisch prüfen und nach Möglichkeit eine Klärung durch das BMWK/BAFA abwarten.
  • Das in Art. 5b der Verordnung (EU) 833/2014 enthaltene Verbot der Entgegennahme von Einlagen über 100.000 EUR wird auf Kryptowallets erweitert. Das Verkaufsverbot für Banknoten und übertragbare Wertpapiere aus Art. 5f Verordnung (EU) 833/2014 gilt nunmehr nicht nur für Euro, sondern für sämtliche amtliche Währungen der EU-Mitgliedstaaten.
  • Nach dem neuen Art. 5k der Verordnung (EU) 833/2014 ist es russischen Unternehmen verboten, an öffentlichen Ausschreibungen in den EU-Mitgliedstaaten teilzunehmen.
  • Verboten ist nach dem neuen Art. 5l Verordnung (EU) 833/2014 schließlich auch jegliche finanzielle Unterstützung für öffentliche Stellen in Russland. Öffentliche Stellen sind in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die sich zu über 50% in öffentlicher Inhaberschaft oder unter öffentlicher Kontrolle befinden. Ausnahmen bestehen insb. im Bereich der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit.

 

US-Sanktionen

Die USA haben am 4. April 2022 ebenfalls weitere Sanktionen in Kraft gesetzt.

Die US-Regierung hat sich nach eigenen Angaben dabei mit ihren Verbündeten und Partnern abgestimmt.

Nach Schätzung der US-Administration wird das russische Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um bis zu 15% schrumpfen, was eine Nivellierung der wirtschaftlichen Gewinne Russlands aus den letzten fünfzehn Jahren bedeuten würde.

Im Einzelnen haben die USA seit dem 4. April 2022 folgende Maßnahmen beschlossen:

  • Ab dem 4. April 2022 ist es Russland untersagt, Dollar-Schuldenzahlungen von russischen Regierungskonten zu leisten, die der US-Gerichtsbarkeit unterliegen. Zwar waren die beträchtlichen, in amerikanischen Finanzinstituten angelegten russischen Geldsummen bereits zuvor im Wesentlichen eingefroren. Sie konnten aber noch zur Schuldenbegleichung gegenüber Anleihegläubigern eingesetzt werden. Mit dem neuen Verbot muss Russland sich nun entscheiden, ob es zur Tilgung von Verbindlichkeiten seine verbleibenden Dollarreserven aufbraucht, neue Einnahmen erzielt oder ob es in Verzug gerät. Die Maßnahme steht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Fälligwerden größerer Zahlungen am 4. April 2022.
  • Am 6. April 2022 hat das Finanzministerium (Amt für die Kontrolle ausländischer Vermögenswerte – OFAC) eine Erweiterung der sog. SDN-Liste (List of Specially Designated Nationals and Blocked Persons) veröffentlicht. Neben weiteren Staatsunternehmen sind nunmehr auch das größte russische Finanzinstitut, die Sberbank einschließlich 42 ihrer Tochtergesellschaften, und die Alfa-Bank als größte russische Privatbank einschließlich 6 ihrer Tochtergesellschaften gelistet. Gegen die Sberbank hatten die USA bereits im Jahr 2014 als Reaktion auf die Krim-Annexion Sanktionen verhängt (Ausschluss von den US-Finanzmärkten für längerfristige Kreditaufnahmen). Am 24. Februar 2022 erfolgten weitere Sanktionen gegen die Sberbank und erstmals Maßnahmen gegen die Alfa-Bank: US-Finanzinstitute durften seitdem keine Konten mehr für diese Banken eröffnen oder führen sowie keine Transaktionen mehr für sie bearbeiten. Die Aufnahme in die SDN-Liste bedeutet nunmehr die „vollständige Blockade“ (full blocking sanction) der Finanzinstitute: Vorbehaltlich dreier General Licences, die binnen einer „Wind DownPeriod“ noch Abwicklungsgeschäfte erlauben, sind die benannten Bankeinheiten und Tochtergesellschaften jetzt vollständig daran gehindert, mit US-Finanzinstituten zu interagieren.
  • Der SDN-Liste wurden zudem weitere natürliche Personen hinzugefügt. Zu den sanktionierten Personen zählen nunmehr auch die erwachsenen Kinder des russischen Präsidenten Putin, die Frau und die Tochter von Außenminister Lawrow sowie die Mitglieder des russischen Sicherheitsrates, darunter der ehemalige Präsident und Ministerpräsident Russlands Dmitri Medwedew und Ministerpräsident Michail Mischustin. Alle Vermögensgegenstände und Beteiligungen an Vermögensgegenständen der gelisteten Personen, welche sich in den USA oder im Besitz oder unter der Kontrolle von US-Personen befinden, werden gesperrt (siehe zu rechtlichen Konsequenzen der Listung bereits unseren Newsletter vom 7. März 2022).
  • Hinsichtlich des Geschäftsverbots bezüglich der SDN-gelisteten Personen und Unternehmen (teilweise einschließlich ihrer Tochtergesellschaften) ist zu beachten, dass das US-Recht hier im Einzelfall über die Beschränkungen und Verbote nach EU-Recht hinausgehen kann. So gilt das umfassende Geschäftsverbot nach Art. 5aa der Verordnung (EU) 833/2014 in Verbindung mit Anhang XIX nicht für Tochterunternehmen der in Anhang XIX gelisteten Personen, soweit sie ihren Sitz in der EU haben (siehe hierzu bereits unseren Newsletter vom 18. März 2022). Eine solche Beschränkung des personellen Anwendungsbereichs kennt das US-Recht hingegen nicht. Insofern müssen deutsche/europäische Unternehmen beachten, dass ein geplantes Geschäft nach EU-Recht zwar zulässig, nach US-Recht hingegen verboten ist (mit u.U. gravierenden Konsequenzen).
  • Ebenfalls am 6. April 2022 verhängte US-Präsident Biden ein umfassendes Investitionsverbot. Die zuvor bereits für bestimmte Sektoren, insbesondere den Energiesektor, in Kraft gesetzten Investitionsverbote sind damit überholt. Verboten sind nunmehr grundsätzlich sämtliche Neuinvestitionen in Russland durch eine US-Person (d.h. US-Bürger, in den USA wohnhafte Personen und nach US-amerikanischem Recht organisierte juristische Personen) und jede sich in den USA aufhaltende Person. US-Personen dürfen zudem keine Unterstützungsleistungen für solche Investitionen erbringen.
  • Schließlich hat der Finanzminister die Befugnis, in Absprache mit dem Außenminister Verbote für die Erbringung von Dienstleistungen aus den USA und durch US-Personen an Russland zu verhängen. Dies eröffnet die Möglichkeit, nicht nur spezifische Unternehmen aus bestimmten Dienstleistungsbereichen, sondern vielmehr vollständige Dienstleistungszweige zu verbieten.

Sämtliche der in Kraft gesetzten US-Sanktionen (siehe bereits unsere Newsletter vom 18. März 2022, 7. März 2022 und 28. Februar 2022) sollen humanitäre Belange der russischen und der Weltbevölkerung insgesamt unberührt lassen: US-amerikanische Unternehmen dürfen in Russland weiterhin tätig werden, soweit es um die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln und landwirtschaftlichen Rohstoffen, den Zugang zu Medikamenten und medizinischen Geräten sowie die Ermöglichung von Telekommunikationsdiensten zur Unterstützung des Informationsflusses und des Zugangs zum Internet geht (der dem russischen Volk Perspektiven von außen bieten soll). Um derartige Tätigkeiten nicht zu unterbrechen, hat das OFAC am 24. März 2022 die General License 6A erlassen. Gestattet die Wieder(-Ausfuhr) von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Medikamenten, medizinischen Geräten, Ersatzteilen und Komponenten sowie Software-Updates für medizinische Geräte nach, aus oder durch Russland sowie Transaktionen, die für die Prävention, Diagnose oder Behandlung von Covid-19 erforderlich sind.

 

Keine Carnets mehr für Russland und Belarus

  • Aufgrund der EU-Finanzsanktionen gegen Russland und Belarus können bei Carnet-Ausfällen keine Bürgschaftszahlungen in diese Länder mehr erfolgen. Darüber informiert der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Daher sind bis auf Weiteres keine durch den DIHK abgesicherten Carnets für Russland und Belarus mehr möglich. Für die Ukraine sind Carnets weiter möglich, allerdings mit zusätzlichen schriftlichen Risikoübernahmeerklärungen von den Carnet-Antragstellern.

 

Weitere russische Gegenmaßnahmen

  • Russland bringt seinerseits weitere Gegenmaßnahmen auf den Weg (siehe hierzu bereits unsere Newsletter vom 7. März 2022 und 18. März 2022). Nach einem aktuellen Gesetzentwurf müssen Führungskräfte von Unternehmen, die Maßnahmen ergreifen, um ausländische Sanktionen umzusetzen, künftig mit strafrechtlichen Sanktionen rechnen. Beispiele für solche Umsetzungsmaßnahmen sollen die Weigerung, ausstehende Verpflichtungen zu erfüllen, oder die Aussetzung von Lieferungen aufgrund von Exportkontrollbeschränkungen sein (Link).
  • Die Einschränkungen des Schutzes der Immaterialgüterrechte von Rechtinhabern aus „unfreundlichen Staaten“ werden erneut verschärft und konkretisiert (siehe hierzu bereits unsere Newsletter vom 18. März 2022):
  • So ist die russische Regierung grundsätzlich berechtigt, im Falle einer „extremen Notwendigkeit“ (etwa im Zusammenhang mit der Gewährleistung der Verteidigung und Sicherheit des Staates oder zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bürger) anzuordnen, dass ein Patent, ein Gebrauchs- oder ein Geschmacksmuster ohne die Zustimmung des Rechteinhabers genutzt werden kann. Grundsätzlich ist für einen solchen Fall vorgesehen, dass der Rechteinhaber eine angemessene Entschädigung erhalten soll. Die Anordnung Nr. 299 der russischen Regierung vom 6. März 2022 regelt allerdings, dass an Rechteinhaber aus „unfreundlichen Staaten“ keine solche Vergütung zu zahlen sei. Eine solche Quasi-Zwangslizenz ohne angemessene Vergütung dürfte gegen die Regelungen des TRIPS-Abkommens (vgl. Art. 31 lit. h) verstoßen.
  • Zwar sind Marken- und Urheberrechte von Rechteinhabern aus „unfreundlichen Staaten“ von dieser Anordnung der Regierung bisher noch nicht erfasst. Jedoch rechnet die EU-Kommission damit, dass es auch hinsichtlich dieser Immaterialgüterrechte zu einer vergleichbaren Freigabe der Nutzung kommen könnte (https://intellectual-property-helpdesk.ec.europa.eu/news-events/news/russia-suspending-some-ip-rights-and-peppa-pig-trade-mark-infringement-2022-03-17_en). So hat unlängst ein russisches Gericht in einem Markenverletzungsverfahren, das die bekannte britische Komik-Figur Peppa Pig betraf, die Schadensersatzklage der britischen Rechteinhaberin vor dem Hintergrund der westlichen Sanktionen als rechtsmissbräuchlich angesehen und abgewiesen. Wahrscheinlich werden sich auch andere russische Gerichte an dieser Entscheidung orientieren.
  • Weiterhin sieht nun Art. 18 Abs. 13 des Föderalen Gesetzes vom 8. März.2022 N 46-FZ (in der Fassung vom 26. März 2022) vor, dass die russische Regierung eine Liste von Waren aufstellen kann, auf die bestimmte gesetzliche Bestimmungen zum Schutz ausschließlicher Immaterialgüterrechte vorübergehend nicht anzuwenden sind. Nach dem Beschluss Nr. 506 der russischen Regierung vom 29. März 2022 kann das Ministerium für Industrie und Handel eine Liste derjenigen Waren aufstellen, die auch ohne Zustimmung des Inhabers der in Russland bestehenden Patentrechte, Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster oder Markenrechte nach Russland eingeführt werden können; sie gelten damit als mit Zustimmung des Rechteinhabers in Russland in den Verkehr gebracht (Parallelimporte). Konkret könnten damit Originalwaren oder Fälschungen aus Drittstaaten nach Russland eingeführt werden, ohne dass der Rechteinhaber dies verbieten kann. Die entsprechende Liste soll demnächst veröffentlicht werden.
  • Das russischen Patent-und Markenamt (Rospatent) verzeichnet zudem eine Vielzahl von Markenanmeldungen von Zeichen, die einigen in Russland geschützten Marken westlicher Unternehmen verwechselbar ähnlich sind (z.B. McDonald’s, IKEA). Nach einer Stellungnahme von Rospatent handele es sich hierbei jedoch lediglich um veröffentlichte Markenanmeldungen. Ein Markenrecht entstehe an diesen Markenanmeldungen erst nach einer materiellen Prüfung durch das Amt, in der auch eine etwaige Verwechslungsgefahr zu bestehenden älteren Marken geprüft werde. Angesichts der aktuellen Entwicklungen der russischen Politik gegenüber „unfreundlichen Staaten“ erscheint es jedoch eher wahrscheinlich, dass Rospatent eine entsprechende Verwechslungsgefahr mit den bereits bestehenden Markenrechten westlicher Rechteinhaber tendenziell eher ablehnen wird.
  • Ein weiteres Risiko für den Bestand aktuell in Russland registrierter Marken westlicher Unternehmen besteht für den Fall der Einstellung des Vertriebs der Waren und Dienstleistungen in Russland. Wird eine eingetragene Marke für einen Zeitraum von drei Jahren nicht auf dem russischen Markt benutzt, kann ihr Markenschutz vorzeitig erlöschen.

 

Fazit und Ausblick: Umsetzungsmaßmaßnahmen und finanzielle Unterstützung betroffener Unternehmen

  • Die Erweiterung der EU- und US-Sanktionen sowie die Ankündigung, erforderlichenfalls weitere Maßnahmen zu erlassen, verdeutlichen abermals die Notwendigkeit, interne Compliance-Strukturen zu überprüfen und jegliches Geschäft mit Russland einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen.
  • Die deutschen und EU-Behörden haben inzwischen nicht nur die Notwendigkeit erkannt, die verabschiedeten Maßnahmen wirksam umzusetzen. Sie haben vielmehr auch erste Voraussetzungen geschaffen, um von den Auswirkungen der Sanktionen betroffene EU-Unternehmen finanziell zu unterstützen:
    • Die Bundesregierung hat eine „Task Force Sanktionen“ eingesetzt, um unter Einbindung der Bundesländer eine wirksame und konsequente Durchsetzung der beschlossenen Sanktionsmaßnahmen zu gewährleisten und Umgehungen zu verhindern.
    • Am 1. April 2022 hat die EU-Kommission (Generaldirektion Steuern und Zollunion) im EU-Amtsblatt (CI 145/1) eine „Mitteilung an die Wirtschaftsakteure, Einführer und Ausführer“ veröffentlicht. Darin betont die Kommission, dass die Sanktionen auch die wissentliche und absichtliche Beteiligung an der Umgehung verhängter Ein- und Ausfuhrverbote erfassen. Umgehungsrisiken resultieren dabei nach Einschätzung der Kommission insbesondere aus der Ausfuhr in Drittländer, aus denen Waren leicht nach Russland oder Belarus umgeleitet werden können. Risikobehaftet sei ebenfalls Einfuhr aus Drittländern, aus denen die betreffenden Waren leicht in die EU umgeleitet werden können. Zur Minimierung dieser Umgehungsrisiken empfiehlt die Kommission den Wirtschaftsteilnehmern, angemessene Schritte zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten zu ergreifen. Insbesondere sollten sie Bestimmungen in die Einfuhr- und Ausfuhrverträge aufnehmen, um sicherzustellen, dass ein- oder ausgeführte Waren nicht unter die Beschränkungen fallen (siehe ausführlich zu ratsamen Compliance-Maßnahmen unseren Newsletter vom 28. Februar 2022).  
    • Nachdem die EU-Kommission am 23. Februar 2022 den sog „Befristeten Krisenrahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine“ verabschiedet und damit den rechtlichen Rahmen für mitgliedstaatliche Subventionen gesteckt hat (siehe unseren Newsletter vom 25. März 2022), kündigte die Bundesregierung an, betroffenen deutschen Unternehmen zinsgünstige KfW-Kredite bereitzustellen. Über weitere Hilfen werden Bund und Länder beraten.
  • Hinsichtlich der russischen Gegenmaßnahmen sollten Inhaber gewerblicher Schutzrechte angesichts der Dynamik der vorgesehenen Beschränkungen ihre Schutzrechtstrategie für Russland kontinuierlich anpassen. So sollte man im Einzelfall die noch bestehenden Möglichkeiten prüfen, gegen Schutzrechtsverletzungen in Russland vorzugehen und den Fortbestand der Schutzrechte in Russland zu sichern. Im Hinblick auf die sich abzeichnende Ausweitung schutzrechtsrelevanter Parallelimporte von Waren aus Drittstaaten (z.B. China, Indien) nach Russland sollten betroffene Unternehmen alle Möglichkeiten ausschöpfen, um bereits im Ursprungsland den Export der (gefälschten) Waren nach Russland zu unterbinden. 
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