Nationale arbeitsgerichtliche Entscheidungen
Neue Vorlage an den EuGH zu den Folgen fehlerhafter Massenentlassungsanzeigen
BAG, Beschluss vom 23. Mai 2024 – 6 AZR 152/22 (A)
Der Sechste Senat des BAG legt dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob der Zweck der Massenentlassungsanzeige erfüllt und eine Sanktion entbehrlich ist, wenn die Arbeitsagentur eine objektive fehlerhafte Massenentlassungsanzeige nicht beanstandet und sich somit als ausreichend informiert ansieht.
Böswillig unterlassener anderweitiger Verdienst
BAG, Urteil vom 7. Februar 2024 – 5 AZR 177/23
Das BAG stellt zum böswilligen Unterlassen eines anderweitigen Verdienstes gem. § 11 Nr. 2 KSchG klar, dass es zu Lasten des Arbeitnehmers zu werten ist, wenn er durch sein Verhalten die Übermittlung von Vermittlungsangeboten durch die Agentur für Arbeit verhindert.
Zugang einer Kündigung bei Einwurf in den Hausbriefkasten
BAG, Urteil vom 20. Juni 2024 – 2 AZR 213/23
Wird ein Kündigungsschreiben durch einen Mitarbeiter der Deutschen Post AG in einen Hausbriefkasten eingeworfen, so besteht nach dem Urteil des BAG ein Anscheinsbeweis dafür, dass das Kündigungsschreiben zu den üblichen Postzustellzeiten in den Briefkasten gelegt wurde.
Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen und Rückzahlung eines Arbeitgeberdarlehens
BAG, Urteil vom 16. April 2024 – 9 AZR 181/23
Das BAG hat entschieden, dass eine in AGB enthaltene Ausschlussfristenregelung, nach der "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis” binnen bestimmter Fristen geltend zu machen sind, auch den Anspruch auf Rückzahlung eines Arbeitgeberdarlehens erfassen kann.
Rückwirkender Verfall der Karenzentschädigung bei nachvertraglichem Wettbewerbsverbot mit einem Geschäftsführer
BGH, Urteil vom 23. April 2024 – II ZR 99/22
Der BGH hat mit seinem Urteil entschieden, dass bei einem Verstoß eines GmbH-Geschäftsführers gegen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot die Karenzentschädigung rückwirkend verfallen kann.
Blick nach Europa
Zwei-Wochen-Frist für die nachträgliche Klagezulassung bei Schwangerschaft ist zu kurz
EuGH, Urteil vom 27. Juni 2024 – C-284/23
Schwangeren Arbeitnehmerinnen muss eine angemessene Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage eingeräumt werden. Die Zwei-Wochen-Frist für die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage (§ 5 Abs. 3 KSchG) erscheint dem EuGH dafür zu kurz.
Digital Future
Reform der Videoverhandlung im Arbeitsgerichtsprozess
Am 19. Juli 2024 trat das „Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten“ in Kraft. Neben der Reform der zivilprozessualen Vorschriften wurde für die Arbeitsgerichtsbarkeit mit § 50a ArbGG eine eigenständige Regelung für Videoverhandlungen geschaffen.
Aktuelle Gesetzgebungsinitiativen
Neues zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern
Das Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) ist am 25. Juli 2024 in Kraft getreten. Es schafft neue Spielregeln zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern. Für die Praxis liegt ein Augenmerk nun auf der rechtmäßigen Ausgestaltung von Betriebsvereinbarungen, die ein Verfahren zur Festlegung der mit den Betriebsmitgliedern vergleichbaren Arbeitnehmer regeln.
Update: Bundestag beschließt Viertes Bürokratieentlastungsgesetz
Der Bundestag hat am 26. September 2024 den „Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie (Viertes Bürokratieentlastungsgesetz)“ angenommen. Zuvor hatte der Rechtsausschuss die Gesetzesvorlage auf einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen hin erheblich ergänzt. Zentraler Aspekt des nun angenommenen Bürokratieentlastungsgesetzes aus arbeitsrechtlicher Sicht ist, dass die Schriftform in einigen arbeitsrechtlichen Gesetzen durch die Textform ersetzt werden soll. So soll der nach dem Nachweisgesetz erforderliche Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen zukünftig in Textform möglich sein, „sofern das Dokument für den Arbeitnehmer zugänglich ist, gespeichert und ausgedruckt werden kann und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit der Übermittlung auffordert, einen Empfangsnachweis zu erteilen“. Dies gilt allerdings nicht für Arbeitnehmer, die in einem Wirtschaftsbereich nach § 2a Absatz 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes tätig sind, wie bspw. im Bau-, Speditions-, Gebäudereinigungs-, Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe sowie der Fleischwirtschaft. Außerdem soll die Textform zukünftig u.a. auch für Arbeitszeugnisse, Arbeitnehmerüberlassungsverträge zwischen Verleiher und Entleiher und das Elternzeitverlangen eines Arbeitnehmers ausreichend sein. Das Gesetzesvorhaben bedarf jedoch noch der Zustimmung des Bundesrats. Wir halten Sie hierzu auf dem Laufenden.