Nationale arbeitsgerichtliche Entscheidungen
Ein kleiner Betriebsrat ist besser als keiner
BAG, Beschluss vom 24. April – 7 ABR 26/23
Kandidieren weniger Arbeitnehmer für ein Betriebsratsamt als für die jeweilige Betriebsgröße in § 9 BetrVG vorgesehen, steht dies einer wirksamen Betriebsratswahl nach dem Beschluss des BAG nicht entgegen. Die Größe des Betriebsrats ist in diesem Fall so lange auf die nächstniedrigere Stufe des § 9 BetrVG herabzusetzen, bis die Zahl von Bewerbern für die Errichtung eines Gremiums mit einer ungeraden Anzahl an Mitgliedern ausreicht.
Urlaubsanspruch während Mutterschutz und Elternzeit
BAG, Urteil vom 16. April 2024 – 9 AZR 165/23
Das BAG hat entschieden, dass sich das Recht des Arbeitgebers aus § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG, den Jahresurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 zu kürzen, allein auf den bezahlten Erholungsurlaub bezieht, nicht dagegen auf die Urlaubsabgeltung. Die zur Ausübung des Kürzungsrechts erforderliche rechtsgeschäftliche Erklärung muss dem Arbeitnehmer deshalb noch im bestehenden Arbeitsverhältnis zugehen. Geschieht dies nicht, steht Arbeitnehmern die volle Urlaubsabgeltung zu, was im Einzelfall zu erheblichen finanziellen Konsequenzen für Arbeitgeber führen kann.
Kein Auskunftsanspruch des Betriebsrats über gewerkschaftliche Mehrheitsverhältnisse im Betrieb
BAG, Urteil vom 30. April 2024 – 1 ABR 10/23
Der Erste Senat des BAG hat mit seinem Beschluss entschieden, dass es für gewerkschaftliche Mehrheitsverhältnisse in einem Betrieb im Fall einer aufzulösenden Tarifkollision nach § 4a Abs. 2 Satz 2 TVG auf den Zeitpunkt des Abschlusses des letzten kollidierenden Tarifvertrags ankommt. Nicht relevant ist das Datum eines etwaigen rückwirkenden Inkrafttretens eines Tarifvertrags.
Blick nach Europa
„Entlassung“ ist jede vom Arbeitnehmer „nicht gewollte“ Beendigung
EuGH, Urteil vom 11. Juli 2024 – C-196/23
Nach seinem Urteil ist unter „Entlassung“ i.S.d. Richtlinie über Massenentlassungen (RL 98/59/EG) jede ohne Zustimmung des Arbeitnehmers vollzogene Beendigung des Arbeitsvertrags zu verstehen. Dementsprechend bestehen die entsprechenden Informations- und Konsultationspflichten gegenüber den Arbeitnehmervertretern auch dann, wenn Arbeitsverhältnisse aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung (hier gemäß dem spanischen Recht: Eintritt des Arbeitgebers in den Ruhestand) enden und dabei der gesetzliche Schwellenwert für Massenentlassungen überschritten wird.
Aktuelle Gesetzgebungsinitiativen
Bundesrat beschließt Bürokratieentlastungsgesetz – Textform ersetzt künftig vielfach Schriftform
Das viel kritisierte und viel diskutierte Schriftformerfordernis wird künftig in wichtigen Bereichen des Arbeitsrechts durch die Textform ersetzt. Der Bundesrat hat am 18. Oktober 2024 dem Vierten Bürokratieentlastungsgesetz („BEG IV“) zugestimmt. Dieses sieht insbesondere vor, dass der Nachweis über die wesentlichen Arbeitsbedingungen nach dem Nachweisgesetz künftig grundsätzlich auch in Textform möglich ist.
Künftig keine Anwendung der Fünftelregelung durch Arbeitgeber
Mit dem Wachstumschancengesetz wird die sog. Fünftelregelung nicht abgeschafft, ihre Handhabung jedoch modifiziert: Seit dem 1. Januar 2025 ist die Fünftelregelung nicht mehr durch die Arbeitgeber im Lohnsteuerabzugsverfahren zu berücksichtigen. Stattdessen findet die Fünftelregelung erst bei der Veranlagung zur Einkommensteuer, d.h. nachdem der jeweilige Arbeitnehmer eine Steuererklärung abgegeben hat, durch das zuständige Finanzamt Anwendung.
EU-Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit in Kraft getreten
Am 1. Dezember 2024 trat die neue EU-Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit in Kraft. Diese soll die Rechte der nach Schätzungen der Europäischen Kommission rund 28 Millionen Personen stärken, die in der EU Plattformarbeit leisten, und insbesondere den spezifischen Gefahren Rechnung tragen, die sich aus dem Einsatz automatisierter Beobachtungs- und Entscheidungssysteme ergeben.
Arbeitsrechtliche Gesetzesvorhaben: Auswirkungen der vorgezogenen Neuwahlen auf geplante Reformen
Der Bruch der Ampel-Koalition bringt viele Folgen mit sich. Mit der Auflösung des Bundestages gehen Unsicherheiten auch für verschiedene arbeitsrechtliche Gesetzesvorhaben einher. Einige der Vorhaben können voraussichtlich nicht mehr rechtzeitig umgesetzt werden. Ob eine neue Regierung diese Vorhaben überhaupt weiterverfolgen wird, bleibt ungewiss.
Verlängerung der Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld
Am 1. Januar 2025 ist die dritte Verordnung über die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld (Dritte Kurzarbeitergeldbezugsdauerverordnung – „3. KugBeV“) in Kraft getreten. Nach dieser Verordnung wird die maximale Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld auf bis zu 24 Monate, längstens bis zum 31. Dezember 2025, verlängert. Damit will die Bundesregierung den aktuell schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entgegenwirken und den Unternehmen sowie deren Beschäftigten Planungssicherheit und eine Alternative zu Entlassungen geben. Für die Verlängerung des Bezugszeitraums ist in Fällen, in denen bereits Kurzarbeitergeld gezahlt wird, eine Verlängerungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit einzureichen. Die Verordnung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2025 außer Kraft. Ab dem 1. Januar 2026 gilt wieder die maximale gesetzliche Bezugsdauer von zwölf Monaten.