Newsletter Arbeitsrecht

03 | 2024

Nationale arbeitsgerichtliche Entscheidungen

Digitales Einsichts- und Leserecht des Betriebsrats in Bewerbungsunterlagen
BAG, Beschluss vom 13. Dezember 2023 – 1 ABR 28/22

Arbeitgeber haben vor jeder Einstellung Betriebsräte durch Vorlage von Unterlagen zu beteiligen (§ 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG). In welcher Form die Beteiligung durchgeführt werden muss, ist zwischen den Betriebsparteien oft umstritten. In einer auf den ersten Blick unscheinbar anmutenden Entscheidung hat das BAG nun seine Rechtsprechung vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung präzisiert und klärt wichtige Fragen für Arbeitgeber, die in Bewerbungsprozessen auf Softwareprogramme setzen.

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Änderung von Gesamtzusage über Urlaubsgeld nur unter Beteiligung des Betriebsrats
BAG, Urteil vom 21. Februar 2024 – 10 AZR 345/22

Bei der Gewährung von Sonderzahlungen wie z.B. dem Urlaubsgeld haben Arbeitgeber eine Vielzahl an Fallstricken zu beachten. Das zeigt die Entscheidung des BAG. Sowohl die Einführung als auch die spätere Abänderung des Urlaubsgelds ist mit großer Sorgfalt vorzunehmen. Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalte müssen im Einklang mit geltendem Recht verwendet werden. Nicht tarifgebundene Arbeitgeber müssen bei Regelungen über das Urlaubsgeld bestehende Betriebsräte einbeziehen. Werden Mitbestimmungsrechte übersehen, können sich Arbeitnehmer auf unter Umständen viele Jahre zurückliegende (aus ihrer Sicht günstigere) Regelungen berufen.

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Zulässigkeit von Stichtagsregelungen in einem Sozialplan
BAG, Urteil vom 30. Januar 2024 – 1 AZR 62/23

Die Ausgestaltung des Geltungsbereichs von Sozialplänen wirft häufig Gleichbehandlungsfragen auf. Das BAG hat in einer Entscheidung bestätigt, dass die Herausnahme befristet Beschäftigter aus dem Geltungsbereich eines Sozialplans im Zusammenhang mit einer Stichtagsregelung rechtmäßig sein kann.

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Annahmeverzug und Anrechnung böswillig unterlassenen Verdiensts
BAG, Urteil vom 27. Januar 2024 – 5 AZR 331/22

Das Risiko, im Fall einer unwirksamen Kündigung rückständiges Gehalt zahlen zu müssen, kann jeden Arbeitgeber treffen. Die Rechtsprechung zum Annahmeverzug und zur Anrechnung anderweitigen oder böswillig unterlassenen Verdiensts auf das Gehalt hat in den vergangenen Jahren einen Wandel vollzogen. In seiner Entscheidung bestätigt das BAG diese Linie und unterstreicht die Bedeutung der Darlegungs- und Beweislast im Prozess.

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Mindestehedauer- und Späteheklausel bei Hinterbliebenenversorgung
BAG, Urteil vom 21. November 2023 – 3 AZR 44/23

Bieten Arbeitgeber Versorgungsleistungen für Hinterbliebene ihrer Mitarbeiter an, werden deren Voraussetzungen meist ausführlich geregelt. Ein Zweck ist häufig, sog. reine „Versorgungsehen“ nicht finanzieren zu müssen, in denen das bestimmende Motiv der Hochzeit weniger das (späte) Liebesglück zweier Menschen, als vielmehr die finanzielle Absicherung des Hinterbliebenen ist. Derartige Regelungen sind sorgsam und im Einklang mit der Rechtsprechung zu entwerfen.

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Blick nach Europa

Zeitpunkt der Entstehung der Konsultationspflicht bei Massenentlassungen   
EuGH, Urteil vom 22. Februar 2024 – C-589/22

In einer Entscheidung aus Februar 2024 hat der EuGH erneut zu der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. 1998, L 225, S. 16; nachfolgend: MERL) entschieden. Er beschäftigte sich mit dem Zeitpunkt, in dem die Verpflichtung für Arbeitgeber entsteht, die Massenentlassung bei der Arbeitnehmervertretung anzuzeigen und das Konsultationsverfahren einzuleiten. Die Entscheidung werden Arbeitgeber künftig zu berücksichtigen haben, wenn Restrukturierungsüberlegungen anstehen.

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Digital Future

Schadenersatz bei Datenschutzverstoß
EuGH, Urteil vom 11. April 2024 – C-741/21

Der EuGH entwickelt in seiner Entscheidung seine Rechtsprechung zu den Voraussetzungen des Schadenersatzanspruchs nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO weiter. Zudem nimmt er zu den Anforderungen an die Haftungsbefreiung nach Art. 82 Abs. 3 DSGVO Stellung: Der Verantwortliche könne sich nicht lediglich auf ein Fehlverhalten einer ihm unterstellten Person berufen; dies stehe der praktischen Wirksamkeit des Schadenersatzanspruchs entgegen. Die Entscheidung hat damit Bedeutung für Arbeitgeber, die wegen eines Fehlverhaltens ihrer Mitarbeiter in Anspruch genommen werden. 

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Aktuelle Gesetzgebungsinitiativen

Update zum Vierten Bürokratieentlastungsgesetz

Am 19. Juni 2024 hat das Bundeskabinett eine Formulierungshilfe zum Entwurf des Vierten Gesetzes zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie (Viertes Bürokratieentlastungsgesetz) beschlossen. Derzeit wird im Rechtsausschuss des Bundestags über eine Beschlussempfehlung beraten. Wie bereits bekannt, soll im Nachweisgesetz die Schriftform durch die Textform ersetzt werden. Arbeitnehmer sollen den Nachweis aber schriftlich anfordern dürfen (Beitrag vom 22. März 2024). Darüber hinaus sollen nach der Formulierungshilfe künftig Befristungen auf die Regelaltersgrenze und Arbeitnehmerüberlassungsverträge zwischen Verleiher und Entleiher wirksam in Textform abgeschlossen werden dürfen. Ob sich die Änderungen im Beschluss des Rechtsausschusses wiederfinden werden, bleibt abzuwarten. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

Podcast

Vergütungsberichtssaison 2024: Rechtlicher Rahmen und aktuelle Trends 

Unsere Experten für Arbeitsrecht erörtern in dieser Folge die rechtlichen Rahmenbedingungen, den typischen Inhalt von Vergütungssystemen und Vergütungsberichten sowie aktuelle Trends und Neuerungen in der diesjährigen Berichtssaison. Dabei stehen der Umgang mit dem Investorenfeedback, die Begründung von erheblichen Vergütungserhöhungen, die wachsende Bedeutung von ESG-Kriterien für die Vergütung sowie die vertragliche Umsetzung geänderter Vergütungssysteme und der ‚Gewährungsbegriff‘ im Fokus.

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