
Das BAG hat in seinem Urteil vom 25. Juli 2024 (8 AZR 225/2317) bestätigt, dass die vom Arbeitgeber veranlasste Beschattung durch einen Privatdetektiv Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers nach sich ziehen kann. Ob die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Überwachung vorliegen, kann für Arbeitgeber im Einzelfall schwer zu beurteilen sein. Insoweit hätte der Ende letzten Jahres veröffentlichte Entwurf für ein neues Beschäftigtendatengesetz (BeschDG) für mehr Klarheit sorgen können. Es bleibt abzuwarten, ob der Entwurf in der nächsten Legislaturperiode weiterverfolgt werden wird.
Sachverhalt
Gegenstand des Rechtsstreits war die Forderung des Klägers auf immateriellen Schadensersatz gemäß Art. 82 Abs. 1 DS-GVO wegen einer von seiner Arbeitgeberin veranlassten Überwachung durch Privatdetektive. Der Überwachung gingen mehrere Konflikte voraus. Zunächst war der privat krankenversicherte Kläger im Außendienst tätig und verbrachte seine Arbeitszeit abgesehen von Kundenterminen im Homeoffice. Im Jahr 2021 sprach die beklagte Arbeitgeberin eine Änderungskündigung aus und bot dem Kläger an, das Arbeitsverhältnis in einem anderen Betrieb fortzusetzen. Der neue Arbeitsort sollte jedoch 600 km von seinem bisherigen Wohnort entfernt liegen. Die gegen die Änderungskündigung gerichtete Klage blieb erfolglos, sodass der Kläger das Änderungsangebot annahm und im Januar 2022 seine Arbeit am neuen Einsatzort antrat. Bereits wenig später teilte er der Beklagten jedoch mit, dass er aufgrund einer Verletzung arbeitsunfähig sei. Er legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, später folgte eine Folgebescheinigung – insgesamt für einen Zeitraum von einem Monat.
Die Beklagte bezweifelte die Arbeitsunfähigkeit und beauftragte eine Privatdetektei mit einer stichprobenartigen Überwachung des Klägers. Laut dem Ermittlungsbericht der Detektei wurde der Kläger im öffentlichen Raum observiert und sein Verhalten dokumentiert. Dabei wurde festgehalten, dass er Treppen stieg, sperrige Gegenstände trug und Reparaturarbeiten vornahm. Zudem wurde sein Gangbild beschrieben („zieht linkes Bein nach“). Unter Vorlage der Ermittlungsberichte konfrontierte die Beklagte den Kläger mit dem Vorwurf, seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht zu haben. So erfuhr der Kläger erstmals von der Überwachung. Mit seiner Klage forderte er Schmerzensgeld in Höhe von mindestens EUR 25.000. Das ArbG wies die Klage ab. Im Berufungsverfahren verurteilte das LAG die Beklagte zur Zahlung von EUR 1.500. Mit seiner Revision forderte der Kläger weiterhin eine Zahlung von EUR 25.000.
Die Entscheidung
Dem Grunde nach sprach das BAG, wie zuvor schon das LAG, dem Kläger einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zu. Allerdings bestätigte es auch die vom LAG vorgenommene Bemessung der Höhe des Schmerzensgelds, sodass die Revision des Klägers im Ergebnis erfolglos blieb.
- Ein Verstoß gegen die DS-GVO lag nach Einschätzung des BAG vor, weil die Beklagte im Rahmen der Observation ohne Einwilligung des Klägers dessen Gesundheitsdaten verarbeitet hatte. Die Erfassung und Dokumentation des sichtbaren Gesundheitszustands – insbesondere des Gangs des Klägers – stelle eine Verarbeitung von Gesundheitsdaten nach Art. 9 Abs. 1 DS-GVO i.V.m. Art. 4 Nr. 15 DS-GVO dar. Diese Verarbeitung war jedoch aus Sicht des BAG nicht gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO erforderlich. Eine Erforderlichkeit hätte nur ausnahmsweise vorgelegen, wenn der Beweiswert der vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert und eine Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse nicht möglich gewesen wäre. Bereits Ersteres sei der Beklagten nach der widerspruchsfreien Feststellung der Tatsacheninstanz nicht gelungen. Um den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeit zu erschüttern, hätte sie tatsächliche Umstände darlegen und beweisen müssen, die Zweifel an der Erkrankung rechtfertigen.
- Nach Ansicht des BAG hat der Kläger einen immateriellen Schaden erlitten, der in dem durch die Überwachung entstandenen Kontroll- und Sicherheitsverlust vor Beobachtung im privaten Umfeld liege. Dies resultiere aus der mehrtägigen, heimlichen Beobachtung im Außenbereich des Wohnhauses des Klägers und der Erhebung sensibler Daten. Die vom Kläger geforderte Schadenshöhe sah das BAG gleichwohl nicht als angemessen an. Vielmehr sei der Schaden mit EUR 1.500 durch das LAG richtig bemessen worden. Insbesondere habe das LAG zutreffend gewürdigt, dass die Beklagte den Detektivbericht nicht an Dritte weitergegeben und der Kläger keine weiteren psychischen Belastungen dargelegt habe.
Gleiss Lutz kommentiert
Ob, wann und wie Arbeitgeber Privatdetektive zur Überwachung ihrer Arbeitnehmer einsetzen dürfen und sollten, wird in der Literatur und Praxis seit jeher kontrovers diskutiert. Die meisten Unternehmen greifen auf dieses Mittel nicht leichtfertig zurück. Zurecht, wie auch das vorliegende BAG-Urteil belegt. Insbesondere, wenn der Einsatz dazu dient, sensible Gesundheitsdaten zu verarbeiten, ist aus Sicht der Arbeitgeber große Vorsicht geboten. Der Detektiveinsatz ist in der Regel nur als letztes Mittel zur Aufklärung zulässig. Ob dies im Einzelfall gegeben ist, lässt sich für Arbeitgeber häufig nur schwer sicher beurteilen. Für etwas mehr Klarheit hätte der noch im Oktober 2024 vorgelegte Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Stärkung eines fairen Umgangs mit Beschäftigtendaten und zur Erhöhung der Rechtssicherheit für Arbeitgeber und Beschäftigte in der digitalen Arbeitswelt (BeschDG-E)“ sorgen können. Der Vorschlag widmete sich in den §§ 18 ff. BeschDG-E ausführlich den Voraussetzungen für die Überwachung von Arbeitnehmern. So regelt beispielsweise § 20 BeschDG-E die sog. verdeckten Überwachungsmaßnahmen. Ob die neue Regierung den Entwurf weiterverfolgen wird, bleibt abzuwarten.
