Bademode, Batterien, Bodenbeläge – neben ihrem Anfangsbuchstaben haben diese Artikel vor allem eines gemeinsam: Sie alle können besonders besorgniserregende Stoffe enthalten und damit der neuen Meldepflicht für Lieferanten ab Januar 2021 unterliegen. Und das gilt für noch sehr viele Produkte mehr.
Wer ist betroffen?
Bereits zu Beginn des neuen Jahres stehen produzierende Unternehmen vor neuen Compliance-Anforderungen. Die Europäische Chemikalienagentur („ECHA“) hat die „SCIP“-Datenbank und damit die Grundlage für eine neue Meldepflicht geschaffen.
Die neue Meldepflicht gilt für unzählige Produkte. Betroffen sind letztlich alle Unternehmen, die als Produzenten, Importeure, Händler oder als anderer Akteure („Lieferanten“ im Sinne des Art. 3 Nr. 33 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe [„REACH-Verordnung“]) Erzeugnisse mit mehr als 0,1 % Gewichtsprozent an besonders besorgniserregenden Stoffen innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in den Verkehr bringen. Die besonders besorgniserregenden Stoffe werden auch als „SVHC“-Stoffe bezeichnet, kurz für „Substances of Very High Concern“. Dies sind Stoffe, die u. a. krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend, persistent (schwer abbaubar), bioakkumulierbar (sich in lebenden Organismen anreichernd) oder „endokrine Disruptoren" (Stoffe mit schädlicher Wirkung auf das Hormonsystem) sind. Die einzelnen meldepflichtigen Stoffe können der Kandidatenliste entnommen werden, die auf der Internetseite der ECHA veröffentlicht ist. Oftmals handelt es sich um Weichmacher, Flammschutzmittel, Farben oder Ähnliches, die vor allem in Kunststoffanwendungen, Geweben oder Schäumen zum Einsatz kommen. Die Anwendungsbereiche sind denkbar weit.
Informationen über Erzeugnisse, die diesen Schwellenwert überschreiten, sollen von den Verantwortlichen der „SCIP“-Datenbank zur Verfügung gestellt werden. Dabei umfassen die Informationsanforderungen unter anderem Angaben zur Identifizierung des Erzeugnisses, zur Konzentration der enthaltenen „SVHC“-Stoffe und Angaben zu möglichen Sicherheitsrisiken bei Gebrauch des Erzeugnisses.
All about „SCIP“
Potentiell betroffene Unternehmen werden sich zu Recht erst einmal die Frage stellen, woher diese Pflicht überhaupt kommt, um sich daran anschließend die wirklich entscheidende Frage zu stellen: Was ist zu tun?
Doch zunächst ein Überblick über den Hintergrund der Meldepflicht:
Die neue Meldepflicht hat ihren Ursprung in der sogenannten „Abfallrahmenrichtlinie“ der Europäischen Union. Dabei mag es zunächst überraschen, dass eine Meldepflicht bezogen auf chemische Stoffe auf einem abfallrechtlichen Regelungswerk fußt. Ein Blick auf Sinn und Zweck der Meldepflicht verschafft diesbezüglich Klarheit:
Die neue Meldepflicht ist Teil des EU-Abfallpakets von 2018 und soll zu einem verbesserten Verwertungsablauf von Erzeugnissen beitragen, die gefährliche Stoffe enthalten. Die für den Verbraucher geschaffene Transparenz soll einen Anreiz dafür bieten, die meldepflichtigen Stoffe auf lange Sicht durch ungefährliche Stoffe zu ersetzen. Aus diesem Grund ist die öffentliche Zugänglichkeit der Datenbank vorgesehen, so dass sowohl Entsorgungsbetriebe als auch Verbraucher ungehinderten Zugang zu den von den Unternehmen einzustellenden Informationen erhalten.
Der deutsche Gesetzgeber hat die neue Meldepflicht durch einen neuen § 16f des Chemikaliengesetzes nun im Chemikalienrecht verankert, anstatt wie zunächst vorgesehen im Kreislaufwirtschaftsgesetz. Schließlich ist die neue Meldepflicht letztlich auch eine Verschärfung der bereits bestehenden Meldepflicht nach Art. 33 Abs. 1 der REACH-Verordnung, einer ebenfalls europäischen Regelung im Bereich des Chemikalienrechts. Für Verstöße gegen Art. 33 Abs. 1 der REACH-Verordnung drohen schon seit längerem empfindliche Bußgelder von bis zu 50.000 EUR.
Das neue Gesetz wurde Ende Oktober 2020 verabschiedet und damit fast zeitgleich mit dem Launch der „SCIP“- Datenbank am 28. Oktober 2020. Die Einrichtung der Datenbank durch die ECHA ist ebenfalls auf die Abfallrahmenrichtlinie zurückzuführen. „SCIP“ steht dabei für Substances of Concern In articles as such or in complex objects (Products).
Nachdem mit der Neuregelung des § 16f ChemG und der Einrichtung der Datenbank somit die Grundlagen für die neue Meldepflicht bereits geschaffen wurden, fehlt schließlich nur noch eins: Die Daten. Und diese sind von den betroffenen Unternehmen verpflichtend ab dem 5. Januar 2021 bereitzustellen. Dies führt zu der Frage: Was ist zu tun?
Was ist zu tun?
Unternehmen sollten zunächst klären, ob sie überhaupt in den Regelungsbereich der neuen Vorschrift fallen. Hierfür müssen sich die Unternehmen die Frage(n) stellen, ob sie Lieferanten im Sinne von Art. 3 Nr. 33 der REACH-Verordnung sind und ob ihre Erzeugnisse mehr als 0,1 % Gewichtsprozent an besonders besorgniserregenden Stoffen enthalten. Ist dies der Fall, sollten sie sich mit den in ihren Erzeugnissen enthaltenen Stoffen auseinandersetzen. Wurde ein als „SVHC“-Stoff gelisteter Stoff identifiziert und überschreitet dieser in seiner Konzentration den genannten Schwellenwert von 0,1 % Gewichtsprozent, ist die entsprechende Meldung an „SCIP“ vorzubereiten.
Besonders für Hersteller komplexer Produkte kann sich die Vorbereitung der geforderten Datensätze in Form eines „SCIP-Dossiers“ als sehr zeitaufwendig gestalten. Von einem geringen bürokratischen Mehraufwand ist an dieser Stelle nicht mehr zu sprechen, da komplexe Produkte sich ihrerseits aus vielen einzelnen meldepflichtigen Erzeugnissen zusammensetzen.
Erleichterung soll die Möglichkeit des sog. „Referencing“, also einer Verweisung, verschaffen. Danach kann ein Hersteller eines komplexen Produkts zumindest im Hinblick auf die einzelnen Erzeugnisse auf bereits eingestellte Daten Bezug nehmen, die beispielsweise durch seinen Vorlieferanten eingestellt wurden. Diese Verweisungsmöglichkeit befreit den Hersteller jedoch nicht von seiner eigenen Verantwortlichkeit hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Daten. Dies kann unter Umständen das Bedürfnis nach der Aufnahme einer zusätzlichen vertraglichen Haftungsvereinbarung zwischen Lieferanten und Hersteller hervorrufen.
Eine weitere Verfahrenserleichterung betrifft vor allem Händler. Auch diese müssen gegebenenfalls für ein Erzeugnis kein eigenständiges Dossier einreichen, sondern können sich auf das exakt dieses Erzeugnis betreffende Dossier ihres Lieferanten beziehen (sogenannte „Simplified SCIP Notification“). Die Meldung erfolgt sodann durch Mitteilung der spezifischen „SCIP“-Nummer, die der Lieferant nach der Meldung des Produkts erhält. Dies setzt natürlich voraus, dass der Lieferant die Identifikationsnummer entsprechend weitergibt. Auch hier kann sich eine vertragliche Vereinbarung als sinnvoll erweisen, um einen reibungslosen Meldeprozess und die Weitergabe der Identifikationsnummer zu gewährleisten und Haftungsrisiken zu vermeiden. Eine gesetzliche Pflicht zu Weitergabe der Identifikationsnummer existiert nicht.
Doch nicht nur die Informationsweitergabe, sondern bereits deren Beschaffung, kann Schwierigkeiten bereiten. Da Hersteller außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums selbst nicht zur Einstellung von Informationen verpflichtet (und auch nicht befugt) sind, sind die betroffenen Importeure gehalten, sich die entsprechenden Informationen eigenverantwortlich von den außereuropäischen Produzenten zu beschaffen. Auch an dieser Stelle ist abermals an die Möglichkeit bzw. an das Bedürfnis einer entsprechenden vertraglichen Regelung zu erinnern.
Anwendungsbereiche klären, Erzeugnisse analysieren, Dossiers erstellen, Verfahrenserleichterungen identifizieren, vertragliche Ergänzungen vereinbaren, Meldungen erstellen und einreichen. All diese Aufgaben sind vor dem Stichtag am 5. Januar 2021 zu bewältigen.
Mehr Transparenz
Mehr Transparenz soll all dies gewährleisten. Die von den Unternehmen eingegebenen Daten sollen ab Februar 2021 für Verbraucher und Abfallbetreiber öffentlich einsehbar sein. Diese dürften sich freuen – Wettbewerber wohl auch. Derzeit sieht die Datenbank eine Erfassung von Informationen über „SVHC“-haltige Einzelteile von einer solchen Deklarationstiefe vor, dass der Schutz eines der wichtigsten immateriellen Wirtschaftsgüter, des unternehmerischen Knowhows, nicht mehr uneingeschränkt gewährleistet scheint.
Dieser Problematik ist sich auch der Gesetzgeber bewusst. Abhilfe soll die auf Grundlage des § 16f Abs. 2 ChemG zu erlassende Rechtsverordnung schaffen. Diese soll konkretisieren, auf welche Art und Weise und mit welchen Maßgaben die Meldepflichten unter Berücksichtigung der auf Unionsebene entwickelten Vorgaben für die Datenbank zu erfüllen sind. Also eine weitere klärungsbedürftige Komponente, die die Frist bis zum Beginn der Meldepflicht gleichwohl nicht suspendiert. Betroffene Unternehmen sind damit gehalten, sich mit der Meldepflicht auseinanderzusetzen und dieser nachzukommen und dennoch den Schutz ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheinisse zu wahren.
Fazit
Grundsätzlich sind Melde- und Registrierungspflichten im europäischen Wirtschaftsraum verbreitet. So enthalten neben der bereits erwähnten REACH-Verordnung auch das Elektro- und Elektronikgerätegesetz und das Verpackungsgesetz Melde- bzw. Registrierungspflichten, die ihre Grundlagen im Unionsrecht haben.
Aktuell sind noch viele Fragen hinsichtlich der konkreten Umsetzung offen, zu deren Klärung nur wenig Zeit verbleibt.
Umso mehr überrascht es, wenn der Gesetzgeber unbeirrt an dem Stichtag der Meldepflicht festhält und die entsprechende nationale Regelung nur wenige Wochen vorher erlässt.
Hingegen weniger überraschend ist es, wenn die Rufe nach einer Verschiebung der geplanten Frist lauter werden. Nichtsdestotrotz wird die neue Meldepflicht Anfang nächsten Jahres kommen und betroffene Unternehmen sollten darauf vorbereitet sein.