Die neue EU Foreign Subsidies Regulation (FSR) findet seit letztem Oktober Anwendung. Eine erste Bilanz der Anwendungspraxis ist durchwachsen. Das Regelwerk hat jedenfalls Kosten und Aufwand für die Unternehmen erhöht.
Neue Instrumente für die Kommission
Im Transaktionsgeschäft ist die FSR ein sehr präsentes Thema. Die neue EU-Verordnung gibt der Europäischen Kommission weitreichende neue Befugnisse, um gegen Wettbewerbsverzerrungen vorzugehen, die durch Subventionen aus Nicht-EU-Staaten verursacht werden. Im Zentrum stehen neue Anmeldepflichten und Vollzugsverbote für M&A-Transaktionen, wenn diese durch Drittstaaten subventioniert werden. Die Vorschriften zielen zwar primär auf drittstaatliche Unternehmen, allerdings können auch EU-Unternehmen betroffen sein, wenn sie Zuwendungen aus Nicht-EU-Staaten bekommen.
Die FSR soll eine Regelungslücke schließen, die sich daraus ergibt, dass die EU-Mitgliedstaaten den strengen Grenzen des EU-Beihilferechts unterliegen, wenn sie in der EU tätige Unternehmen fördern, während für von Drittstaaten gewährte Subventionen keine vergleichbare Beihilfekontrolle besteht.
Die neuen Vorschriften geben der Kommission drei weitreichende Instrumente an die Hand, um gegen drittstaatliche Subventionen vorzugehen:
- Am Wichtigsten ist das sogenannte „M&A tool“, auch „Fusionskontrolle 2.0“ genannt. Hiernach unterliegen M&A-Transaktionen einer zusätzlichen FSR-Anmeldepflicht bei der Kommission. Bis zur Freigabe gilt ein Vollzugsverbot.
- Nach dem „Procurement tool“ müssen Bieter bei der Vergabe großvolumiger öffentlicher Aufträge eine Anmeldung zu drittstaatlichen Zuwendungen machen.
- Unabhängig von diesen Anmeldepflichten kann die Kommission im Rahmen des dritten Instruments („ex officio tool“) drittstaatliche Subventionen von Amts wegen untersuchen.
Formulare, Formulare, Formulare…
Dies alles wird von umfangreichen Meldepflichten flankiert. Die Durchführungsverordnung zur FSR gibt ausführliche Formblätter vor, die bei Anmeldungen unter dem M&A tool und dem Procurement tool auszufüllen sind. Im Übrigen bestehen die Anmeldepflichten unabhängig von anderen regulatorischen Verfahren, wie z. B. unter der EU-Fusionskontrollverordnung (FKVO) oder der Investitionskontrolle (FDI).
Unternehmen müssen also häufig parallele Anmeldungen vorbereiten und zeitgleich mehrere „regulatory tracks“ mit unterschiedlichen Fristen und Vollzugsverboten bewältigen. Das zeitintensive FSR-Verfahren kann dabei zu Verzögerungen im Zeitplan einer Transaktion führen. Es umfasst vor allem ein informelles, aber de facto obligatorisches Pränotifizierungsverfahren von oft mehreren Wochen vor Anmeldung. Hinzu tritt selbst in einfachen Fällen eine Mindestdauer von 25 Arbeitstagen für den offiziellen Teil, ohne Beschleunigungsmöglichkeit.
Licht und Schatten
Der ursprüngliche Entwurf der Durchführungsverordnung war von den Stakeholdern kritisiert worden. Dies betraf vor allem die realitätsfremden Vorgaben zur Offenlegung drittstaatlicher Zuwendungen. Die Kommission hat die massiven Bedenken ernst genommen und zumindest teilweise ausgeräumt. Es müssen nun also deutlich weniger Informationen offengelegt werden als zunächst geplant war.
Gleichzeitig hat aber die rechtliche und faktische Komplexität der Informationsbeschaffung zugenommen. Die zahlreichen Verweise auf komplexe Rechtsbegriffe und das vielschichtige System von Ausnahmen und Gegenausnahmen für „drittstaatliche finanzielle Zuwendungen“ (engl. „Foreign financial contributions – FFCs“) macht die Anwendung der FSR für Unternehmen in mancher Hinsicht noch anspruchsvoller. Vor allem umfasst der Begriff der meldepflichtigen FFCs auch eine Vielzahl von Maßnahmen, die – z.B. mangels einer selektiven Begünstigung – gar kein Subventionselement beinhalten.
Zu den FFCs gehören Zuschüsse, Darlehen, Garantien, Kapitalzuführungen, steuerliche Anreize, der Ausgleich von Betriebsverlusten, Schuldenerlasse, Umschuldungsmaßnahmen, Debt/equity swaps, Abgabenverzichte und auch die bloße Bereitstellung oder der Kauf von Waren oder Dienstleistungen, unabhängig davon, ob diese Transaktionen zu Marktbedingungen erfolgen oder nicht.
Hinsichtlich des Ursprungs umfassen die von der FSR erfassten „staatlichen“ Zuwendungen nicht nur solche von drittstaatlichen Behörden, sondern auch alle öffentlichen und sogar privaten Einrichtungen, deren Handlungen dem Drittstaat irgendwie zugerechnet werden können, z.B. Geschäfte beliehener Förderbanken oder bestimmte Maßnahmen öffentlicher Unternehmen.
Sämtliche „finanzielle Zuwendungen“ aus allen Drittstaaten, die in den letzten drei Jahren an die Unternehmensgruppe gewährt wurden, werden zusammengerechnet. Dies gilt unabhängig davon, ob sie direkt oder auch nur indirekt mit der betreffenden M&A-Transaktion bzw. dem Vergabeverfahren in Zusammenhang stehen.
Bisherige Praxis
Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Kommission in der Lage sein wird, diese enorme, zusätzliche Arbeitsbelastung zu stemmen. Bereits nach wenigen Monaten liegen die Fallzahlen über den ursprünglich aufgestellten Prognosen von 30 Fällen pro Jahr, obwohl die letzten Monate nicht von einer Fusionswelle geprägt waren.
Besonderes Interesse zeigte die Kommission bisher überraschenderweise z.B. an der Eigentums- bzw. Finanzierungsstruktur von Unternehmen. Vor allem bei Private-Equity-Fonds will sie genau wissen, welche Verbindungen es zu Drittstaaten gibt. Dies kann aufwändig werden, denn zu den zahlreichen Investoren gehören oft solche aus dem staatsnahen Bereich (Sovereign wealth funds, Pensionskassen, Universitäten und staatsnahe Stiftungen, etc.).
Umgekehrt hat sich noch nicht der Verdacht bestätigt, dass die Kommission bestimmte Länder, wie z.B. China und Russland, auf dem Radar hat. Diese werden dem Vernehmen nach nicht strenger angefasst. Ebenso werden auch solche Drittländer, die nicht im Verdacht einer besonders üppigen Subventionspraxis stehen, nicht weniger genau kontrolliert.
Besonders aufwändig wird es, wenn einer Transaktion eine Ausschreibung vorausgegangen ist. Hier will die Kommission Details zu den verschiedenen Geboten und dem Bieteruniversum haben, um herauszufinden, ob der erfolgreiche Erwerbsinteressent einen Vorteil durch Subventionen erlangt hat.
Ein besonderes Ärgernis für die unmittelbaren Nachbarländer: Die EWR-Staaten und die Schweiz gelten allesamt als Drittstaaten und unterfallen damit der FSR-Kontrolle. Dies gilt auch dann, wenn sie ein umfassendes Freihandelsabkommen mit der EU abgeschlossen haben, das Bestimmungen zur Beihilfekontrolle enthält. Damit unterliegen also gerade diejenigen Länder einer doppelten Subventionskontrolle, die besonders eng mit der EU verbunden sind.
Die eigentliche Bewährungsprobe steht noch aus. Die Kommission hat noch in keinem M&A-Fall eine vertiefte Prüfung eingeleitet, jedoch hat sie am 16.2.2024 ihre erste in-depth investigation nach dem „Procurement tool“ gegen den chinesischen Zughersteller CRRC eröffnet. Sie prüft, ob die Subventionen es dem Unternehmen ermöglicht haben, bei einer Ausschreibung ein unangemessen günstiges Angebot abzugeben.
Wenn es auch im Bereich des M&A zu Verfahren kommt, werden diese die Ressourcen der Kommission sowie der Unternehmen auf die Probe stellen. Und es wird sich zeigen, wie weit die Kommission sich in diesem hochsensiblen politischen Bereich vorwagen will.
Was tun die Unternehmen?
Der mit der Anmeldung verbundene Informationserfassungsprozesses ist zeitaufwändig und komplex. Es müssen umfassende Daten auf globaler und konzernweiter Basis für die letzten drei Jahre gesammelt werden. Da dies nicht kurzfristig möglich ist, haben sich zahlreiche größere Unternehmen entschieden, ein ständiges Monitoring-System einzurichten. Dieses muss regelmäßig aktualisiert werden, so dass diese Information im Falle einer meldepflichtigen Transaktion auf Knopfdruck erhältlich ist.
Für die Unternehmen ist dies eine Bürde. Die vielbeschworene „Deregulierung“ sieht jedenfalls anders aus.