Mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (E-EEG) möchte die Bundesregierung den Ausbau erneuerbarer Energien weiter beschleunigen und sieht dafür Duldungspflichten zulasten von Grundstückseigentümern und Nutzungsberechtigten eines Grundstücks vor. Diese sollen zukünftig die Verlegung und den Betrieb von Leitungs- und Netzanschlussinfrastruktur, die Anlagen zur Erzeugung erneuerbaren Stroms mit dem Stromnetz verbinden, auf dem Grundstück dulden müssen. Außerdem sollen Grundstückseigentümer und Nutzungsberechtigte eines Grundstücks künftig während der Errichtungs- und Rückbauphase von Onshore-Windenergieanlagen das Überschwenken, die Überfahrt sowie die Ertüchtigung von Wegen zum Transport der Anlagen zu dulden haben. In beiden Fällen ist eine flankierende Entschädigungsregel im Gesetzentwurf vorgesehen.
Hintergrund für Leitungs- und Überfahrrechte im EEG
Das Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2023) sieht eine Transformation zu einer treibhausgasneutralen Stromversorgung vor. Dazu soll der Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms am Bruttostromverbrauch bis zum Jahr 2030 auf mindestens 80 % steigen (§ 1 Abs. 2 EEG). Dies kann nur durch einen deutlich schnelleren – im überragenden öffentlichen Interesse liegenden (§ 2 EEG) – Ausbau der erneuerbaren Energien sowie durch einen beschleunigten Anschluss von Erneuerbare-Energien-Anlagen (EEG-Anlagen) gelingen.
Der Ausbau von EEG-Anlagen verzögerte und verteuerte sich zuletzt. Projektentwickler und EEG-Anlagenbetreiber haben unter anderem darauf hingewiesen, dass Vereinbarungen mit Grundstückseigentümern, deren Grundstücke für Leitungen oder Transportmaßnahmen in Anspruch genommen werden müssen, bisweilen schwer zu treffen sind. Hier möchte das Gesetz zugunsten der EEG-Anlagenbetreiber Abhilfe schaffen, indem es Duldungspflichten zulasten von Grundstückseigentümern vorsieht. Im Gegenzug sollen die Grundstückseigentümer von den Betreibern für die entgangene Nutzungsmöglichkeit eine jeweils festgelegte Entschädigung erhalten.
Den Grundstückseigentümern sollen dabei Nutzungsberechtigte gleichgestellt sein,
d. h. der Duldungsanspruch der EEG-Anlagenbetreiber richtet sich auch an Grundstückspächter, Inhaber beschränkt persönlicher Dienstbarkeiten und sonstige Nießbrauchberechtigte.
Duldungspflichten von Grundstückseigentümern bei Leitungs- und Netzanschlussinfrastruktur
Das „Recht zur Verlegung von Leitungen“, wie es nach § 11a E-EEG dem Betreiber von Leitungen zusteht, sieht eine Duldungspflicht zulasten von Grundstückseigentümern vor. Demnach ist der Betreiber der Leitung zum Anschluss einer EEG-Anlage mit mehr als 30 kW installierter Leistung berechtigt, ein Grundstück zum Zwecke der Verlegung, Errichtung, Instandhaltung, Instandsetzung und zum Schutz sowie dem Betrieb der Leitungen zu betreten und zu befahren. Als Leitungen zählen nach dem Gesetzentwurf neben elektrischen Leitungen auch Steuer- und Kommunikationsleitungen; zudem erstreckt sich die Duldungspflicht auch auf technische Einrichtungen zum Anschluss von EEG-Anlagen, d. h. insbesondere Transformatoren.
Inhaber des Duldungsrechts ist der Betreiber der Leitungen; dieser kann, muss aber nicht mit dem Betreiber der EEG-Anlage identisch sein. In der Praxis zeigt sich, dass die Anschlussleitungen entweder durch den Anschlussnetzbetreiber errichtet und betrieben werden und er damit sein eigentliches Netz erweitert oder durch den Betreiber der EEG-Anlage selbst. Beim Netzanschluss mehrerer EEG-Anlagen unterschiedlicher Betreiber wird zum Teil auch eine Infrastrukturgesellschaft gegründet, die den Anschluss der EEG-Anlagen übernimmt; in einem solchen Fall wäre diese Infrastrukturgesellschaft die Inhaberin des Duldungsrechts nach § 11a E-EEG.
Der Gesetzentwurf sieht zudem vor, dass die Leitungen nicht zu den wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks (im Sinne von § 94 Abs. 1 BGB) werden, sodass diese im Eigentum des Betreibers der Leitungen verbleiben (§ 11a Abs. 1 S. 5 E-EEG).
Den Grundstückseigentümer trifft die Verpflichtung, alle Maßnahmen zu unterlassen, die den Bestand oder den Betrieb der Leitungen gefährden oder beeinträchtigen (§ 11a Abs. 3 S. 1 E-EEG). Dazu gehört auch das Unterlassen von Bebauung und tiefwurzelnder Bepflanzung auf dem Schutzstreifen. Die Breite des Schutzstreifens variiert je nach Art der verlegten Leitungen. Eine Umlegung der Leitungen durch den Betreiber der Leitung kann der Grundstückseigentümer nach einer Errichtung nur verlangen, wenn die Lage der Leitung für den Grundstückseigentümer unzumutbar ist. Die Kosten einer solchen Umlegung muss der Betreiber der Leitung tragen (§ 11a Abs. 3 S. 2, 3 E-EEG).
Der Betreiber muss bei einer dauerhaften Betriebseinstellung der Leitung den Grundstückseigentümer unverzüglich benachrichtigen. Die Duldungspflicht des Grundstückseigentümers bezüglich der Leitung und sonstiger Einrichtungen besteht dabei für 48 Monate fort (§ 11a Abs. 4 E-EEG). Dies gilt nicht, wenn ihm dies nicht zuzumuten ist.
Weitergehende Duldungspflichten von Grundstückseigentümern bei Windenergieanlagen
Der Gesetzentwurf sieht eine weitere Duldungspflicht für Grundstückseigentümer und Nutzungsberechtigte vor: Im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Rückbau von Windenergieanlagen sollen Grundstückseigentümer ein Überschwenken sowie eine Überfahrt zum Transport von Anlagenteilen dulden müssen (§ 11b Abs. 1 S. 1 E-EEG). Die Duldungspflicht umfasst im Vorfeld der Überfahrt auch die Ertüchtigung des Grundstücks. Als Überfahrt sieht der Gesetzentwurf alle logistischen Abläufe während des Transports an, wie das Betreten, Umladen oder auch kurzfristige transportbedingte Zwischenlagerungen. Nach der letzten Überfahrt muss der Betreiber den ursprünglichen Zustand auf seine Kosten unverzüglich wiederherstellen (§ 11b Abs. 1 S. 4 E-EEG).
Besonderheiten, Ausnahmen & Entschädigungen
Beide hier aufgeführten Duldungspflichten treffen den Grundstückseigentümer nicht in jedem Fall (§§ 11a Abs. 1 S. 3, 11b Abs. 1 S. 3 E-EEG). Wenn die Duldung eine unzumutbare Beeinträchtigung der Nutzung des Grundstücks bedeutet, verneint die Gesetzesnovelle die Duldungspflicht. Ausnahmen sind zudem bei Grundstücken vorgesehen, die der Landes- und Bündnisverteidigung einschließlich der Erfüllung internationaler Verpflichtungen dienen. Die Unzumutbarkeit einer Beeinträchtigung wird in der Praxis zu Auslegungsschwierigkeiten und ggf. auch zu Auseinandersetzungen zwischen den Grundstückseigentümern und Betreibern der EEG-Anlagen bzw. Leitungsinfrastruktur führen.
Bei Streitigkeiten zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Betreiber dient die einstweilige Verfügung (im Sinne des § 83 Abs. 2 EEG) der Durchsetzung der Rechte des Betreibers. Diese ersetzt aber nicht die Pflicht, die nach anderen Rechtsvorschriften notwendigen Genehmigungen einzuholen (§§ 11a Abs. 5, 11b Abs. 3 E-EEG, bspw. Transportanträge bei der Autobahn GmbH).
Als Entschädigung für die Duldungspflicht zugunsten der Leitungsverlegung wird deren Betreiber verpflichtet, dem Grundstückseigentümer einmalig 5 % des Verkehrswerts der in Anspruch genommenen Schutzstreifenfläche längs der Leitungen zu zahlen (§ 11a Abs. 2 S. 1 E-EEG). Durch den Verkehrswert als Bemessungsgrundlage soll zugleich eine Lenkungswirkung eintreten, Grundstücke mit einem geringeren Wert anstatt Bauland für Leitungen zu nutzen. Eine Entschädigung ist auch für die Duldung der Überfahrt für den Transport von Windenergieanlagen vorgesehen (§ 11b Abs. 2 S. 1, 2 E-EEG); diese Zahlungspflicht besteht gegenüber demjenigen, der unmittelbar in der Nutzung des Grundstücks eingeschränkt war. Die Höhe beträgt hier EUR 28 pro Monat und in Anspruch genommenem Hektar. Ein Zahlungsanspruch des Grundstückseigentümers besteht jedoch nicht bei Überschwenkungen. In beiden Fällen der Duldung bleiben trotz Entschädigung gegebenenfalls entstehende Schadensersatzansprüche (z. B. bei Beschädigungen im Zuge der Verlegung oder der Überfahrt) des Grundstückseigentümers unberührt (§§ 11a Abs. 2 S. 2, 11b Abs. 2 S. 3 E-EEG).
Zusammenfassung und Ausblick
Die in der Novelle vorgesehenen Duldungspflichten zulasten von Grundstückseigentümern sind ein weiterer Baustein zum beschleunigten Ausbau von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien. Der derzeitige Regelungsentwurf ist allerdings komplex und wird im weiteren parlamentarischen Verlauf sicherlich zu Diskussionen führen, die Anpassungen nach sich ziehen. Sollte sich die Regelungsidee der Duldungspflicht, die dem deutschen Recht grundsätzlich nicht fremd ist und sich bspw. bereits im Stromleitungs- und Breitbandausbau wiederfindet (§ 12 NAV; § 134 TKG), durchsetzen, kann es insbesondere im Zusammenhang mit den Entschädigungsregelungen zu Änderungen kommen. Denn bereits jetzt ist in der Praxis zu konstatieren, dass die Nutzung von Grundstücken für Leitungen und Überfahrten häufig eine „Sache des Preises“ ist. Dessen Höhe wäre – nach dem derzeitigen Stand des Entwurfes – allerdings keine Verhandlungssache mehr, sondern würde unmittelbar aus dem Gesetz folgen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für das Überschwenken keine Entschädigung vorgesehen ist, die Nutzungsentschädigung zur Überfahrt voraussetzt, dass ein Nutzungsberechtigter unmittelbar in seiner Nutzung eingeschränkt ist und die einmalige Entschädigung von 5 % für die Errichtung und den Betrieb von Leitungen deutlich unter der bisherigen Marktpraxis liegt. Andererseits ist bei der Bewertung der Entschädigung zu berücksichtigen, dass das Grundstück aufgrund des gesetzlichen Duldungsrechts nicht mehr mit einer Dienstbarkeit belastet werden müsste.