Öffentliches Recht

Die größte BImSchG-Reform seit 30 Jahren

Planungsbeschleunigung und weiterer Rückenwind für Windenergieanlagen an Land

Mit der Zustimmung des Bundesrates am 14. Juni 2024 wurde durch das „Gesetz zur Verbesserung des Klimaschutzes beim Immissionsschutz“ endgültig die Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes („BImSchG“) beschlossen. Das Gesetz ist am 8. Juli 2024 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (BGBL. 2024 I Nr. 225) und tritt am 9. Juli 2024 in Kraft. Die Neuerungen sollen erhebliche Beschleunigung und Erleichterung in Genehmigungsverfahren von Windkraftanlagen an Land, Elektrolyseuren und Industrieanlagen bringen. Es ist seit 30 Jahren die größte Reform dieses Gesetzes. 

Trotz des etwas irreführenden Namens des Gesetzes handelt es sich bei der Novelle hauptsächlich um ein Beschleunigungsgesetz, das neben Windenergieanlagen an Land und Elektrolyseuren auch allen anderen Industrieanlagen zugutekommt. Die Beschleunigung von Genehmigungsvorhaben in sämtlichen Bereichen sowie die Entbürokratisierung derselben sind ein wiederkehrendes Motiv der Klima- und Umweltschutzpolitik der Ampelregierung. Sie nutzt dafür eine Mischung aus Digitalisierung und engeren Verfahrensfristen für Behörden. Seinen Namen verdankt das Gesetz unter anderem dem Umstand, dass „Klima“ ausdrücklich als Schutzgut in das BImSchG aufgenommen wurde. Es setzt Kernpunkte des im November von Bund und Ländern vereinbarten Pakts zur Planungsbeschleunigung um (Beitrag vom 20. Dezember 2023).

Beschleunigung beim Repowering

Der Anwendungsbereich für Genehmigungen nach § 16b BImSchG für Modernisierungen von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien („Repowering“) wird durch die Novelle erheblich ausgeweitet. 

Die Voraussetzungen, wann bei einem vollständigen Austausch der Anlage ein Repowering vorliegt, werden an § 45c Bundesnaturschutzgesetz („BNatSchG“) angepasst: Die Zeitspanne für die Errichtung der neuen Anlage nach dem Rückbau der Bestandsanlage wird auf 48 Monate verdoppelt. Auch bei der Positionierung der neuen Anlage besteht künftig mehr Flexibilität, da der Abstand zwischen der Bestandsanlage und der neuen Anlage künftig das Fünffache (zuvor: Das Zweifache) der Gesamthöhe der neuen Anlage betragen darf. Zu beachten bleibt jedoch, dass das Baugesetzbuch („BauGB“) (bislang) nicht an diese Ausweitung des Repowering-Begriffs angepasst wurde und daher für die Planungserleichterungen nach §§ 245e Abs. 3, 249 Abs. 3 BauGB weiterhin die engeren Repowering-Voraussetzungen gelten. 

Daneben muss der Betreiber der neuen Anlage nun nicht mehr zwangsläufig identisch mit dem Betreiber der alten, zurückgebauten Anlage (sog. Betreiberidentität) sein. Künftig genügt es bei fehlender Betreiberidentität, dass der Altbetreiber der Genehmigungsbehörde eine Erklärung zukommen lässt, dass er mit dem Repowering-Vorhaben einverstanden ist. Diese Neuregelung vereinfacht es neuen Anlagenbetreibern erheblich, Repowering-Vorhaben umzusetzen, da sie nicht mehr zwangsläufig Altanlagen kaufen müssen. 

Weitere Erleichterungen für Windenergieanlagen an Land

Die Änderung des Anlagentyps nach Genehmigung einer Windenergieanlage wird weiter erleichtert. Wird beim Wechsel des Anlagentyps der Standort der Anlage um nicht mehr als acht Meter verschoben, die Gesamthöhe um nicht mehr als 20 Meter erhöht und der Rotordurchlauf um nicht mehr als acht Meter verringert, müssen ausschließlich die Standsicherheit, die Geräuschimmissionen und die Auswirkungen von Turbulenzen erneut geprüft werden. Nach dem neu eingefügten § 16b Abs. 9 BImSchG verbleiben der Behörde für die Entscheidung über die Änderungsgenehmigung lediglich sechs Wochen, ansonsten greift eine Genehmigungsfiktion, sofern der Antragsteller keinen Antrag auf Durchführung eines Erörterungstermins stellt.

Auch durch die Stärkung des genehmigungsrechtlichen Vorverfahrens erlangen Vorhabenträger von Windenergieanlagen mehr Planungssicherheit. Für Vorbescheide über Windenergieanlagen wird es künftig nicht mehr erforderlich sein, dass auch die Zulässigkeit des Gesamtvorhabens vorläufig positiv festgestellt wird. Daneben ist die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich. Durch diese Erleichterungen dürfte die Durchführung von Vorverfahren für Vorhabenträger deutlich attraktiver werden.

Digitalisierung des Genehmigungsverfahrens 

Die Novelle sieht an mehreren Stellen die Digitalisierung des BImSchG-Genehmigungsverfahrens gem. § 10 BImSchG vor, durch das sowohl eine Beschleunigung als auch eine Entbürokratisierung des Verfahrens erreicht werden soll. Viele dieser Maßnahmen waren ursprünglich im Rahmen der COVID-19-Pandemie vorübergehend durch das Planungssicherstellungsgesetz eingeführt worden und haben sich in der Praxis bewährt:

  • Der Genehmigungsantrag soll künftig standardmäßig elektronisch gestellt werden. Sofern die Behörde einen Zugang für die elektronische Antragstellung eröffnet hat, sind Antragsteller verpflichtet, diesen zu nutzen.
  • Die Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgt nicht mehr durch Auslage der Unterlagen bei der Genehmigungsbehörde, sondern durch Veröffentlichung auf der Internetseite der Behörde. 
  • Ebenso erfolgt auch die öffentliche Bekanntmachung der Genehmigung künftig grundsätzlich durch Veröffentlichung auf der Internetseite. 
  • Der Erörterungstermin kann nun auch in Form einer Onlinekonsultation oder einer Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden. Das Format der Onlinekonsultation trage ausweislich der Gesetzesbegründung nicht nur zur Beschleunigung, sondern auch zur Versachlichung des Verfahrens bei.

Inwiefern durch diese Digitalisierungstendenzen tatsächlich eine Beschleunigungswirkung eintreten wird, wird maßgeblich auch davon abhängen, inwiefern die technischen Voraussetzungen auf Seiten der Behörden geschaffen werden.

Verfahrensfristen für Behörden 

Die bereits bestehenden Fristen für die Prüfung der Vollständigkeit der Antragsunterlagen, die Beteiligung der Fachbehörden und die Entscheidung über den Antrag werden nachgeschärft.

Über Änderungen der Verordnung über das Genehmigungsverfahren („9. BImSchV“) wird die Prüfung der Vollständigkeit der Antragsunterlagen beschleunigt. Die Vollständigkeitsprüfung muss nun innerhalb von einem Monat erfolgen, kann aber in begründeten Ausnahmefällen einmal um zwei Wochen verlängert werden. Zudem kann die Frist zur Genehmigungserteilung künftig nicht mehr dadurch verzögert werden, dass die Behörden mehrmals Unterlagen nachfordern: Im Falle der Nachforderung beginnt die Frist, sobald die erstmalig nachgeforderten Unterlagen bei der Behörde eingegangen sind.

Auch die Behördenbeteiligung nach § 10 Abs. 5 BImSchG wird reformiert. Eingegangene Stellungnahmen werden künftig direkt an den Vorhabenträger weitergeleitet, damit dieser alsbald auf mögliche Bedenken der Fachbehörden reagieren kann. Zudem wird eine neue Fristenregelung für die Beteiligung der Behörden eingeführt: Betroffene Behörden müssen bei allen BImSchG-Genehmigungsverfahren innerhalb von einem Monat ihre Stellungnahme abgeben. Die Möglichkeit zur einmaligen Verlängerung dieser Frist um einen Monat besteht nur bei Vorhaben, die nicht die Genehmigung einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energie oder einer Anlage zur Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien zum Gegenstand haben. Gibt die Fachbehörde keine Stellungnahme ab, kann die Genehmigungsbehörde entweder selbst Stellung nehmen oder ein Sachverständigengutachten einholen, um die fachliche Grundlage für eine Entscheidung zu legen.

Schließlich kann die Genehmigungsbehörde die Entscheidungsfrist von sieben Monaten bzw. drei Monaten im vereinfachten Verfahren künftig nur noch einmal um drei Monate verlängern. Weitere Verlängerungen sind nur auf Antrag des Antragstellers möglich oder wenn dieser der Fristverlängerung zustimmt.

Stärkung der Rolle des Projektmanagers

Die Behörden sollen aber auch entlastet werden: Die Rolle des Projektmanagers wird nach § 2b 9. BImSchV gestärkt. Auf Antrag von Vorhabenträgern „sollen“ diese künftig für Projekte eingesetzt werden – zuvor sah der Gesetzestext lediglich vor, dass sie eingesetzt werden „können“. Zudem erweitert sich der Zuständigkeitsbereich des Projektmanagers und hilft so nicht nur Vorhabenträgern bei individueller Planung, sondern auch den Behörden durch gezielte Berichterstattung und Abnahme von Beaufsichtigungsaufgaben. Zudem kann ihm auch die Prüfung der Vollständigkeit der Antragsunterlagen übertragen werden.

Baubeginn auch ohne „Prognoseentscheidung“

Die Möglichkeit zum vorzeitigen Baubeginn bereits vor Erhalt der Genehmigungsentscheidung wird ausgebaut. Bislang ist dies nur mit einer vorläufigen „Prognoseentscheidung“ der Genehmigungsbehörde möglich gewesen. Die Gesetzesnovelle lässt es nun zu, dass Unternehmen bei Antrag auf Änderungsgenehmigung oder dem Bau auf bereits bestehenden Standorten auch ohne Prognoseentscheidung der Behörde vorzeitig mit dem Bau beginnen dürfen. Diese Regelung gilt vorerst nicht für neue Planflächen, die sogenannten „grünen Wiesen“. Veranlasst der Antragsteller einen vorzeitigen Baubeginn, trägt dieser das Risiko der Gesetzeskonformität bis hin zum Rückbau bei Genehmigungsunfähigkeit der Anlage. 

Ausblick

Die Beschleunigungs- und Entbürokratisierungsmaßnahmen aus der Novelle des BImSchG kommen zumindest teilweise neben Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien auch allen anderen Industrieanlagen zugute, die nach dem BImSchG genehmigt werden. Dennoch liegt auch bei dieser Novelle der Schwerpunkt auf der Beschleunigung des Ausbaus von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien (insbesondere Windenergieanlagen). Auffällig ist, dass die Beschleunigungswirkung im Gegensatz zu vielen anderen Beschleunigungsvorhaben erzielt werden soll, ohne dass Abstriche beim Umfang der Umweltprüfungen oder beim Rechtsschutz gemacht wurden. Inwiefern am Ende tatsächlich die für den Klimaschutz und die Wirtschaftskraft benötigte Beschleunigung eintritt, ist am Ende wie immer auch von der personellen und technischen Ausstattung der Behörden abhängig.

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