Beim Bund-Länder-Treffen am 6. November 2023 ist ein umfassender Pakt zur Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung beschlossen worden. Mit dem Pakt sollen in Zukunft Vorhaben in den Infrastrukturbereichen Bau, Energie und Verkehr schneller umgesetzt werden, um das vom Bundeskanzler beschworene „Deutschlandtempo“ zu erreichen. Es wird angestrebt, dass bereits im ersten Quartal 2024 die ersten mit dem Pakt gesteckten Ziele umgesetzt werden.
Was sieht der Pakt zur Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung vor?
Der Pakt sieht bis zu 100 Einzelmaßnahmen zur Beschleunigung des Wohnungsbaus, des Mobilfunkausbaus und der Modernisierung von Straßen, Schienen, Brücken und Stromnetzen vor. Maßgebliche Stellschrauben für die Beschleunigung sind die Digitalisierung, der Bürokratieabbau und die Vereinfachung von Verfahrensregelungen.
Allgemeine Verfahrensregelungen
Vor diesem Hintergrund sollen digitale Planungs- und Genehmigungsverfahren der Regelfall werden. Das umfasst weitestgehend alle digitalisierbaren Verfahrensschritte, wie etwa die digitale Öffentlichkeitsbeteiligung, die digitale Auslegung von Planungsunterlagen und die digitale Durchführung von Erörterungsterminen
Mehrstufige Planungsverfahren, wie z.B. Raumverträglichkeitsprüfungen und Planfeststellungsverfahren für Verkehrsinfrastrukturprojekte, sollen durch die parallele Durchführung einzelner Verfahrensschritte und die Linienbestimmung effizienter ausgestaltet werden. Darüber hinaus soll das Instrument der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung stärker genutzt werden und die Ergebnisse aus einer frühen Öffentlichkeitsbeteiligung einheitlich, standardisiert und maschinenlesbar dokumentiert werden und damit als abschließend erhoben gelten.
Zentral für die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren ist weiterhin die Verkürzung von gesetzlich vorgesehenen Fristen, insbesondere bei der Genehmigung von Windenergieanlagen und im Verkehrsbereich. Um Verzögerungen durch verschleppte Behördenentscheidungen zu vermeiden, wird in Zukunft die Möglichkeit geschaffen, das Einvernehmen von Gemeinden oder die Zustimmung der Träger öffentlicher Belange in bestimmten Fällen zu fingieren bzw. zu ersetzen.
Es werden Stichtagsregelungen für die maßgebliche Sach- und Rechtslage in Planungs- und Genehmigungsverfahren eingeführt, um zu vermeiden, dass tatsächliche oder rechtliche Änderungen während des laufenden Verfahrens zu einer Verfahrensverzögerung führen. Im Rahmen von Verfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz ("BImSchG") wird bspw. die Vollständigkeitserklärung der Antragsunterlagen den maßgeblichen Zeitpunkt markieren. Dies war zuvor nur bei einzelnen Verfahren nach dem BImSchG der Fall.
Genehmigungsverfahren
Es wird angestrebt, in Zukunft verstärkt vereinfachte Genehmigungsverfahren einzusetzen. Dazu sollen Bund und Länder bei kleineren und im Wesentlichen gleichartigen Projekten, die erkennbar und typischerweise bauplanungs- und bauordnungsrechtlich ein nur unwesentliches Risiko darstellen, in den Anwendungsbereich des vereinfachten Genehmigungsverfahrens aufnehmen und Fälle von unwesentlicher Bedeutung gänzlich von der Genehmigungspflicht befreien. Insbesondere wenn Bestandsinfrastrukturen durch an aktuelle technische Standards angepasste Bauwerke ersetzt werden, sollen Genehmigungsverfahren vereinfacht oder entbehrlich werden. Bereits jetzt schon gilt für die Änderungsgenehmigung von Windenergieanlagen an Land, dass bei Wechsel des Anlagentyps grundsätzlich keine neue Genehmigung erforderlich wird.
Außerdem werden Bund und Länder den verstärkten Einsatz von Teilgenehmigungen voranbringen, damit einzelne Verfahrensabschnitte (z.B. vorbereitende Arbeiten) abgekoppelt und vorgezogen werden können. Anders als Vorbescheide erlauben Teilgenehmigung bereits die Aufnahme von Bautätigkeiten vor dem Erlass der vollständigen Genehmigung.
Umweltrecht und Umweltdaten
Um Rechtsklarheit und dadurch Verfahrenseffizienz zu fördern, werden – wie bereits bei Windenergieanlagen an Land – umfassende einheitliche gesetzliche Standards im Bereich Artenschutz geschaffen werden, vor allem für die Modernisierung des Schienennetzes, der Energieinfrastruktur sowie des Straßennetzes für Industrieanlagen. Das erleichtert die Genehmigungsverfahren (und ggf. anschließenden Gerichtsverfahren) erheblich, da der Beurteilungsmaßstab für die Bewertung von Umwelteingriffen nicht individuell durch einen Gutachter begründet werden muss, sondern die Begutachtung von den gesetzlich definierten Standards ausgehen kann.
Für die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen ("UVP") sollen die (insbesondere durch Europarecht begrenzten) Spielräume für Bagatellschwellen bezüglich Änderungs- und Modernisierungsvorhaben im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung gezielt genutzt werden, um derartige Vorhaben von der UVP-Pflicht auszunehmen. Zudem werden Ausnahmen von der Umweltverträglichkeitsprüfung angestrebt. Außerdem wird geprüft, inwieweit die Unerheblichkeitsschwelle bei Ersatzneubauten, insbesondere im Verkehrsbereich, bei der Energieinfrastruktur und hier insbesondere beim sog. Repowering, abgesenkt werden kann, um bestimmte Änderungen, die mit einer Modernisierung verbunden sind, genehmigungsfrei zu stellen.
Die bei Vorhaben erhobenen Daten zur Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Natur-, Wasser-, Arten- oder Vogelschutz sollen in Zukunft in einem bundesweiten Umweltdatenkataster und einer Gutachtendatenbank gesammelt werden, um die doppelte Erhebung von Daten zu vermeiden. Es wird geregelt, dass vorhabenbezogen erhobene Kartierungsdaten gesetzlich verpflichtend zu öffentlich zugänglichen Quellen erklärt werden können und dem digitalen Kataster zur Verfügung zu stellen sind. Unter anderem um Umwelt- und Artenschutzdaten zu aktualisieren und zu ergänzen, wird auch Künstliche Intelligenz ("KI") eingesetzt.
Baurecht
Soweit noch nicht geschehen, werden die Länder harmonisierte Typengenehmigungen in die jeweiligen Landesbauordnungen aufnehmen, um die Genehmigungsprozesse für Bauvorhaben zu vereinfachen und zu beschleunigen. Die Länder werden außerdem regeln, dass bereits einmal erteilte Typengenehmigungen für das serielle und modulare Bauen bundesweite Gültigkeit erhalten; unabhängig davon muss eine standortbezogene Prüfung in Hinblick auf die naturräumlichen Verhältnisse vor Ort (z.B. Wind-, Hochwasser-, Schnee-, oder Erdbebengefahren) durchgeführt werden.
Es wird ein neuer Gebäudetyp E – „E“ im Sinne von einfach – geschaffen, um einen beschleunigten, innovativen und ressourcenschonenden sozialen Wohnungsbau zu ermöglichen. Dafür wird eine Anpassung der Musterbauordnung sowie ggf. des Bauvertragsrechts angestrebt. Die Bundesregierung plant, für eine vereinfachte Umsetzung in der Praxis eine „Leitlinie und Prozessempfehlung Gebäudetyp E“ zu erstellen.
Um baurechtliche Hemmnisse beim Ausbau von Freiflächen-Photovoltaikanlagen abzubauen, plant der Bund im Rahmen der Novelle des Baugesetzbuches ("BauGB") hierfür ein eigenes, schnelles und schlankes Verfahren zur Bauleitplanung/Flächenausweisung zu schaffen. Derzeit müssen zu errichtende Anlagen nach der Flächenausweisung ein langwieriges baurechtliches Genehmigungsverfahren durchlaufen. Da Freiflächen-Photovoltaikanlagen baurechtlich wenig komplex sind, werden die Länder für die baurechtliche Zulassung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen Vereinfachungen vorsehen. Freiflächen-Photovoltaikanlagen werden als eigene Kategorie mit vereinfachtem Prüfungsaufwand bzw. Freistellungsmöglichkeiten in den Landesbauordnungen typisiert werden.
Auch für den Ausbau der Geothermie soll in Zukunft eine ausreichende Flächenverfügbarkeit gewährleistet werden, z.B. im Wege der Raumordnungsplanung. Für diese Bereiche gelten erleichterte Zulassungsanforderungen. Soweit erforderlich wird der Bund auf der Ebene der Bauleitplanung durch Änderung des § 35 Abs. 1 BauGB einen speziellen Privilegierungstatbestand für Geothermie (Tiefenbohrungen, Obertageanlagen und Netzanbindung) schaffen, um einen Gleichlauf mit anderen privilegierten erneuerbaren Energieträgern (u.a. Wind und Biomasse) zu erreichen und bestehende Rechtsunsicherheiten zu beseitigen.
Rechtsschutz
Es wird angestrebt, dass bei Streitigkeiten Mediationen zum verstärkten Einsatz kommen. Kommt es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen um den Bau wichtiger Bahnstrecken, soll übergangsweise direkt das Bundesverwaltungsgericht erstinstanzlich entscheiden.
Bei bestimmten Regelungsgegenständen, deren Umweltauswirkungen systematisch und berechenbar sind (z.B. Windkraftanlagen), wird geprüft, ob und inwieweit das Instrument der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegebenenfalls eingeschränkt werden sollte.
Zudem wird der Bund Regelungen treffen, wonach in bestimmten Bereichen die Aufhebung eines Bescheids ausscheidet, um einem bereits begonnenen Projekt nicht nachträglich den rechtlichen Boden zu entziehen. Betroffene können in diesen Fällen jedoch adäquate Kompensations- oder sonstige faktische Ersatzmaßnahmen verlangen, wenn das Projekt im öffentlichen Interesse liegt, der festgestellte Rechtsverstoß nicht schwerwiegend ist und dem berechtigten Interesse des Klägers auch auf diesem alternativen Weg begegnet werden kann.
Ausblick
Die Vielzahl von geplanten Maßnahmen, die sogar noch über die in diesem Beitrag erwähnten Punkte hinausgehen, bieten großes Potenzial für die Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Der Pakt von Bund und Ländern schafft grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Beschleunigung von Verfahren sowie eine spürbare Entlastung von Staat und Bürgern durch die Entbürokratisierung von Verfahren. Viele der verabredeten Maßnahmen sind sehr konkret und greifbar. Ob – und wann – diese Maßnahmen im Umfang des Bund-Länder-Paktes letztlich konkrete Gesetze mit Durchschlagskraft werden, hängt vom Willen der Bundes- und Landesgesetzgeber ab.