Energie & Infrastruktur

Bundesnetzagentur macht Vorschlag für einen neuen Regulierungsrahmen für Übertragungsnetzbetreiber

Ein Anfang März 2025 veröffentlichtes Eckpunktepapier der Bundesnetzagentur zur Festlegung eines Regulierungsrahmens für Übertragungsnetzbetreiber kündigt weitreichende Änderungen an. 

Herausgehobene Stellung der Übertragungsnetzbetreiber und Reformbedarf

Direkt zu Beginn hebt das Papier die besondere Rolle der Übertragungsnetzbetreiber („ÜNB“) für das deutsche und europäische Stromsystem hervor. Laut Bundesnetzagentur tragen die ÜNB die wesentliche Verantwortung für die Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit. Die Beschleunigung des Übertragungsnetzausbaus ist daher ein zentrales Anliegen der Regulierung und von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung. Im Zuge der Energiewende stehen die ÜNB nun großen Herausforderungen gegenüber. Bis zum Jahr 2045 müssen sie voraussichtlich rund EUR 320 Mrd. in ihre On- und Offshore-Netze investieren. Hierzu sind sie nach den öffentlich-rechtlichen Bedarfsfeststellungen des Bundesbedarfsplangesetzes („BBPlG“) und dem Energiewirtschaftsgesetz („EnWG“) verpflichtet. Vor diesem Hintergrund hält die Bundesnetzagentur eine Anpassung des geltenden Kostenregulierungssystems für erforderlich. Mit dem nun veröffentlichten Eckpunktepapier stellt sie ihr Konzept für eine Anpassung der Kosten- und Erlösbestimmungen für die ÜNB vor.

Effizienzsteigerung und Harmonisierung durch Abkehr vom Budgetmodell

Um die Effizienz zu steigern und Beschleunigungsanreize für den Netzausbau zu setzen, soll das bisher für Onshore-Übertragungsnetze angewandte Budgetprinzip aufgegeben werden und stattdessen durch einen Regulierungsrahmen ähnlich dem Modell, welches derzeit auf Offshore-Netze angewendet wird, ersetzt werden. Die Bundesnetzagentur verspricht sich hiervon eine Harmonisierung der Regulierungsansätze im Bereich der On- und Offshore-Netze, die zunehmend auch wirtschaftlich gleichwertiger werden.

  • Jährlichkeitsprinzip

Konkret bedeutet die angedachte Änderung des Regulierungsmodells, dass künftig auch im Bereich der Onshore-Übertragungsnetze das Prinzip einer jährlichen Betrachtung („Jährlichkeitsprinzip“) angewendet werden soll. Das Eckpunktepapier sieht eine jährliche plankostenbasierte Cost-Plus-Regulierung mit Effizienzanreizen und zeitlich nachlaufendem Ist-Kosten-Abgleich vor, um den finanziellen Anforderungen an die ÜNB gerecht zu werden. Die bislang notwendige Einteilung der Kosten in beeinflussbare und dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten würde dadurch wegfallen.

  • Plankostenprognose und Plan-/Ist-Abgleich

Zur Bestimmung der jeweiligen Plankosten werden die ÜNB angehalten, vor Beginn eines jeden Jahres die Netzkosten des kommenden Jahres sorgfältig zu prognostizieren. Die Prognose muss Faktoren wie die zu erwartende Veränderung der operativen Kosten, Kapitalkosten und die energiewirtschaftliche Situation bestmöglich berücksichtigen. Nach Abschluss des Jahres wird sodann ein Plan-/Ist-Abgleich durch die ÜNB durchgeführt und der Bundesnetzagentur vorgelegt. Jeder ÜNB wird zudem mindestens einmal alle vier Jahre einer umfassenden Betriebsprüfung unterzogen. Das neue System soll schnelle Mittelrückflüsse gewährleisten und so auf Ebene der ÜNB zu einer jährlichen Refinanzierung der erforderlichen Kosten führen. Plan-/Ist-Differenzen müssen in den nachfolgenden Jahren berücksichtigt werden. Die Bundesnetzagentur beabsichtigt außerdem, eine Verstetigung der Plan-/Ist-Differenzen aus der Onshore-Netzentgeltbildung vorzusehen, um extreme Schwankungen der Netzentgelte zu verhindern. 

Änderungen für die (Eigen-)Kapitalverzinsung 

Auch für die Kapitalverzinsung sollen sich Änderungen ergeben: Sie soll künftig mittels der sog. WACC-Rate (weighted average cost of capital) ermittelt werden. Diese Methode findet in der Mehrheit der europäischen Länder bereits heute Anwendung und wird von Investoren allgemein anerkannt; eine Angleichung an diese internationalen Standards soll die Transparenz für Investoren und Netznutzer stärken. Die Vereinheitlichung mit international übergreifenden Standards wird, so die Bundesnetzagentur, auch eine international vergleichbare Eigenkapitalverzinsung schaffen. Die Eigenkapitalverzinsung, deren Höhe für die Finanzierung des Netzausbaus besonders wichtig ist, soll weiterhin im Vorfeld für die Dauer der allgemeinen Regulierungsperiode festgelegt werden und so für eine bessere langfristige Planbarkeit sorgen. Die Neuregelungen sollen eine angemessene, wettbewerbsfähige und risikoangepasste Verzinsung des eingesetzten Kapitals gewährleisten und Anreize für eine effiziente Leistungserbringung setzen.

Fehlende Berücksichtigung der Verteilernetzbetreiber

Neben den ÜNB spielen auch die rund 900 Verteilernetzbetreiber („VNB“) eine wesentliche Rolle für die Netze der Zukunft. In ihrem Eckpunktepapier erkennt die Bundesnetzagentur an, dass auf die VNB – ebenso wie auf die ÜNB – im Rahmen der Energiewende erhebliche Investitionen zukommen werden. Gleichwohl werden die VNB im Zuge der geplanten einheitlichen Regulierung nicht adressiert. Die auf die VNB zukommenden Herausforderungen würden, so die Bundesnetzagentur, bereits mit dem parallel laufenden NEST-Prozess („Netze.Effizient.Sicher.Transformiert.“) berücksichtigt. Ob dies allerdings der Rolle der VNB in den Netzen der Zukunft gerecht wird, darf bezweifelt werden. Auch hier wäre eine Eigenkapitalverzinsung angezeigt, die sich stärker am internationalen Kapitalmarkt orientiert.

Ausblick

Die Veröffentlichung des Eckpunktepapiers ist Teil einer Reihe von angekündigten Festlegungsverfahren zur Bewältigung der Energiewende und stellt lediglich einen ersten Schritt zu möglichen Anpassungen der Regulierung dar. Interessierte Wirtschaftskreise haben nun bis Mitte April die Gelegenheit, Stellung zu dem Papier zu nehmen. Für den finalen Festlegungsentwurf wird zu einem späteren Zeitpunkt ein förmliches Konsultationsverfahren durchgeführt. 

Kommt es zur Umsetzung der geplanten Änderungen, werden diese bis mindestens Ende 2037 Geltung beanspruchen. Eine Evaluierung des neuen Regulierungsrahmens für ÜNB soll im Jahr 2034 erfolgen, um bei Bedarf ab 2038 den Regulierungsrahmen nachjustieren zu können.

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