Am 20. Januar 2023 hat das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie ("BSH") den Flächenentwicklungsplan ("FEP") 2023 bekanntgemacht. Durch den FEP werden die gesetzlichen Ausbauziele für Offshore-Windenergie fachplanerisch abgesichert. Diese Ausbauziele waren zuletzt durch die zum 1. Januar 2023 in Kraft getretene Änderung des Gesetzes zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See ("WindSeeG") auf 30 Gigawatt installierter Leistung bis zum Jahr 2030 erhöht worden. Das WindSeeG 2023 sieht zur Erreichung der Ausbauziele unter anderem eine Reihe von Regelungen zur Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren, eine deutlich vergrößerte Menge an auszuschreibenden Flächen und neue Ausschreibungsverfahren vor. Der nun veröffentlichte FEP 2023 bietet die Grundlage für die konkrete Umsetzung des Offshore-Windenergie-Ausbaus. Erste Ausschreibungen für Offshore-Windenergieanlagen auf nicht zentral voruntersuchten Flächen sind bereits angelaufen.
Regelungsinhalt des FEP 2023
Der FEP wird nach Maßgabe des WindSeeG durch das BSH aufgestellt, geändert und fortgeschrieben. Als Grundlage der Fachplanung für Offshore-Windenergie trifft der FEP verbindliche Festlegungen zu konkreten Gebieten und Flächen für die Windenergie in Nord- und Ostsee sowie zur Höhe und Verteilung des Ausschreibungsvolumens. Darüber hinaus regelt er den Netzanschluss und die Inbetriebnahme von Offshore-Windenergieanlagen; er bietet die Grundlage für ein europäisches Offshore-Stromnetz, in dem einzelne Windparks miteinander verbunden werden können. Außerdem wurde ein Testfeld zur Förderung der Forschung und Entwicklung im Küstenmeer festgelegt.
Um das Ausbauziel von 30 Gigawatt installierter Leistung im Bereich Offshore-Windenergie bis zum Jahr 2030 zu realisieren, muss die bestehende installierte Leistung von derzeit 8 Gigawatt mehr als vervierfacht werden. Zu diesem Zweck identifiziert der FEP 2023 weitere Potentialflächen, verdichtet die Leistung auf den vorhandenen Flächen und legt auch bereits fest, welche Flächen in welchen Ausschreibungsverfahren ausgeschrieben werden. In einem nächsten Schritt findet, soweit durch den FEP 2023 vorgesehen, eine Voruntersuchung durch das BSH statt; andere Flächen werden wiederum ohne Voruntersuchung ausgeschrieben.
Die Ausschreibungen und Versteigerungen der festgelegten Gebiete und Flächen erfolgen grundsätzlich (mit Ausnahme derjenigen für sonstige Energiegewinnungsbereiche, dazu sogleich) durch die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen ("BNetzA"). Falls eine Voruntersuchung der Flächen stattgefunden hat, werden die Untersuchungsergebnisse den Bietern zur Verfügung gestellt. Die Bieter, die einen Zuschlag erhalten, errichten (nach erfolgreichem Zulassungsverfahren) auf der jeweiligen Fläche Windenergieanlagen und haben Anspruch auf die Marktprämie (soweit über Null geboten) sowie auf Nutzung der Anbindungskapazitäten.
Die Kalenderjahre der Ausschreibungen sowie der Inbetriebnahme der Windenergieanlagen und der dazugehörigen Netzanbindung werden im FEP zeitlich festgelegt. Erste Ausschreibungen für Offshore-Windenergieanlagen auf zentral voruntersuchten Flächen in Nord- und Ostsee haben bereits 2021 und 2022 stattgefunden; weitere Ausschreibungen sind für die Jahre 2023 bis 2027 vorgesehen. Die nächste Ausschreibung für zentral voruntersuchte Flächen, namentlich die in der Nordsee gelegenen Flächen N-3.5, N-3.6, N-6.6 und N-6.7, sind für 2023 vorgesehen und werden auf der Website der Beschlusskammer 6 der BNetzA bekanntgegeben.
Start der Offshore-Ausschreibungen für nicht zentral voruntersuchte Flächen
Am 31. Januar 2023 wurden bereits die ersten Ausschreibungen für Offshore-Windenergieanlagen auf der Website der BNetzA bekanntgemacht. Ausgeschrieben werden die nicht zentral voruntersuchten Flächen N-11.1, N-12.1, N-12.2 in der Nordsee und O-2.2 in der Ostsee. Das Ausschreibungsvolumen beträgt insgesamt 7 Gigawatt. Gebotstermin ist der 1. Juni 2023. Der Höchstwert für Strom aus den Windenergieanlagen auf diesen Flächen beträgt gemäß der Ausschreibung 6,2 ct/KWh. Als Inbetriebnahmezeitpunkt für Windenergieanlagen und dazugehörigen Netzanbindungen dieser Flächen ist das dritte bzw., im Fall der Fläche N-11.2, vierte Quartal 2030 vorgesehen. Die übrigen beiden nicht zentral voruntersuchten Flächen, die im FEP 2023 festgelegt werden, namentlich N-11.2 und N-12.3, sollen 2024 ausgeschrieben und 2031 in Betrieb genommen werden.
Genauere Informationen zu den Anforderungen an Gebote und weitere Hinweise sind auf der Website der Beschlusskammer 6 der BNetzA einzusehen.
Neues Ausschreibungsverfahren für Projekte in „sonstigen Energiegewinnungsbereichen“
Neben Gebieten und Flächen für Windenergie können im FEP auch sog. sonstige Energiegewinnungsbereiche festgelegt werden. Auf sonstigen Energiegewinnungsbereichen können Offshore-Windenergieanlagen und sonstige Energiegewinnungsanlagen, die jeweils nicht ans Netz angeschlossen werden, errichtet werden, um neue innovative Energiegewinnungskonzepte zu testen. Mit den sonstigen Energiegewinnungsanlagen sind solche Anlagen gemeint, die Strom oder andere Energieträger aus anderen erneuerbaren Energien als Wind erzeugen. Im Gesetz wird hier z.B. die Nutzbarmachung von Wasserkraft explizit erwähnt. In sonstigen Energiegewinnungsbereichen, die definitionsgemäß nicht ans Netz angeschlossen werden, kommen vor allem solche Nutzungen in Betracht, die keinen Anschluss an das Netz benötigen, z.B., weil der dort erzeugte Strom unmittelbar auf See verbraucht wird, etwa zum Betrieb einer Elektrolyseanlage zur Wasserstofferzeugung.
Im FEP 2023 wird SEN-1 als nunmehr (nach Entfall des im FEP 2020 noch vorgesehenen SEO-1) einziger sonstiger Energiegewinnungsbereich festgelegt. Die Fläche des SEN-1 beträgt ca. 101,61 km2; er liegt in der ausschließlichen Wirtschaftszone ("AWZ") der Nordsee. Für den Fall, dass auf SEN-1 ein Projekt zur Gewinnung von Wasserstoff per Elektrolyse unter Verwendung von Strom aus Offshore-Windparks realisiert werden sollte, könnte der Bereich mit einer Wasserstoffpipeline angebunden werden.
Für sonstige Energiegewinnungsbereiche ist ein speziell durch die Verordnung zur Vergabe von sonstigen Energiegewinnungsbereichen in der AWZ („SoEnergieV“) neu eingeführtes Ausschreibungsverfahren vorgesehen. Im Rahmen dieses Ausschreibungsverfahrens, welches – abweichend von den übrigen Ausschreibungen nicht von der BNetzA, sondern dem BSH durchgeführt wird – werden sog. Antragsberechtigungen für die Beantragung von Planfeststellungsverfahren zur Errichtung und zum Betrieb von Energieerzeugungsanlagen vergeben. Ein solches Ausschreibungsverfahren wird innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntmachung des FEP 2023 auf der Website des BSH bekanntgemacht und frühestens sechs Monate nach dieser Bekanntmachung, d.h. für SEN-1 voraussichtlich zwischen August 2023 und Januar 2024, durchgeführt. Bei der jeweiligen Gebotsabgabe müssen verschiedene Angaben zu dem auf den (Teil-)Flächen des SEN-1 zu realisierenden Projekt gemacht werden, darunter Angaben zur vorgesehenen Energiewandlungskette und dem finalen Energieträger, zur voraussichtlich zu erzeugenden Energiemenge, zum Innovationsgehalt des Projekts und zum Konzept für den Transport des finalen Energieträgers, soweit kein Verbrauch auf See erfolgt. Insgesamt muss aus der Projektbeschreibung hervorgehen, dass es sich um ein in sonstigen Energiegewinnungsbereichen zulässiges Projekt handelt, wie z.B. ein Wasserstoff-Projekt.
Zusammenfassung und Ausblick
Der Ausbau der Offshore-Windenergie nimmt Fahrt auf. Der FEP 2023 schafft die Rahmenbedingungen für den schnellen Ausbau, damit die Ausbauziele erreicht werden. Das nächste Verfahren zur Fortschreibung des FEP zwecks Festlegung des Ausbaus nach 2030 soll bereits in diesem Frühjahr beginnen.
Erste Ausschreibungen für Offshore-Windenergieanlagen in Nord- und Ostsee sind bereits angelaufen; einige weitere sind für dieses Jahr vorgesehen.