
Der Nordrhein-Westfälische Landtag hat Ende Januar 2025 mit der Einführung von § 36a LPlG NRW ein sechsmonatiges Windenergie-Moratorium beschlossen. Die Vorschrift sieht vor, die Entscheidung über die Genehmigung von Windenergievorhaben außerhalb der in den Entwürfen der Regionalpläne vorgesehenen Windenergiegebiete für sechs Monate auszusetzen. Betroffen von der neuen Regelung sind zwischen 1.400 und 1.500 Genehmigungsanträge.
Hintergrund
Die schwarz-grüne Landesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag den Bau von mindestens eintausend neuen Windenergieanlagen bis zum Jahr 2027 zum Ziel gesetzt, möchte deren Standorte jedoch planerisch stärker steuern. Windenergieanlagen sollen nur noch in Windenergiegebieten errichtet werden, welche jedoch erst in den Regionalplänen ausgewiesen werden. Damit liegt die Landesregierung auf der Linie des Bundesgesetzgebers, der in § 249 Abs. 2 BauGB vorgesehen hat, dass Windenergieanlagen außerhalb von Windenergiegebieten planungsrechtlich grundsätzlich unzulässig sind. Allerdings müssen Windenergiegebiete in den Regionalplänen erst noch ausgewiesen werden; dies wird in Nordrhein-Westfalen voraussichtlich erst in der zweiten Jahreshälfte 2025 der Fall sein. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt die Regelung des § 249 Abs. 2 BauGB also nicht. Windenergievorhaben können in der Zwischenzeit weiterhin als privilegierte Vorhaben gem. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB im gesamten Außenbereich errichtet werden. Die Landesregierung befürchtet dadurch einen „Wildwuchs“ und sinkende Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger, weshalb sie schon mehrfach versucht hat, die Genehmigungsverfahren bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regionalpläne auszusetzen.
Anwendungsbereich
Zur Überbrückung der Zeit bis zum Inkrafttreten der Raumordnungspläne hat der Landesgesetzgeber nun § 36a LPlG NRW erlassen. Die Vorschrift verhindert die Genehmigungsentscheidung hinsichtlich Windenergievorhaben außerhalb der geplanten Windenergiegebiete, indem sie ein an die Genehmigungsbehörde gerichtetes sechsmonatiges Entscheidungsverbot über solche Vorhaben ab dem Tag des Inkrafttretens der Regelung vorsieht. Sie ähnelt damit der Veränderungssperre aus § 14 BauGB, die es den Gemeinden ermöglicht, Vorhaben zu verhindern, die einem von ihr für das Gebiet geplanten Bebauungsplan entgegenstehen.
Betroffen von § 36a LPLG NRW sind nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierte Vorhaben zur Windenergienutzung, die außerhalb der in dem jeweiligen Entwurf des entsprechenden Raumordnungsplans vorgesehenen Windenergiegebiete liegen. Das Moratorium gilt auch für Vorbescheide gem. § 9 Abs. 1 BImSchG. Ausgenommen sind nur Repowering-Vorhaben gem. § 16b Abs. 1 und 2 BImSchG und vollständige Genehmigungsanträge, die vor dem 15. April 2024 bei der Genehmigungsbehörde eingereicht wurden. Wenn der Vorhabenträger nachweist, dass eine Störung der Durchführung der Planung ausgeschlossen ist, kann sein Vorhaben außerdem auf Antrag durch die Bezirksregierung von dem Moratorium befreit werden.
Vorangegangene Versuche des Landesgesetzgebers
Die Verabschiedung von § 36a LPlG NRW ist bereits der dritte Versuch der „Steuerung“ der Standorte von Windenergieanlagen in NRW. Zunächst sollte diese mit dem Ziel 10.2-13 des Landesentwicklungsplans NRW erreicht werden, nach dem der Zubau von Windenergieanlagen nur in „Kernpotenzialflächen“ möglich sein sollte. Das OVG Münster hat mit Urteil vom 16. Februar 2024 (Az.: 22 D 150/22.AK) festgestellt, dass das Ziel die Anforderungen an ein Raumordnungsziel nicht erfüllt.
Daraufhin ermöglichte der Landesgesetzgeber den Bezirksregierungen mit dem Erlass von § 36 Abs. 1 LPlG NRW, die Genehmigungsbehörde anzuweisen, eine Genehmigungsentscheidung auszusetzen, wenn durch sie die Durchführung der Regionalplanung unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. Das OVG Münster – mit der Vorschrift im Rahmen von zwei Eilverfahren gegen Aussetzungsbescheide konfrontiert (Az.: 22 B 727/24.AK und 8 B 906/24.AK) – schätzte die Bescheide als aller Voraussicht nach rechtswidrig ein, weil nicht erkennbar sei, wie Vorhaben außerhalb künftiger Windenergiegebiete die Durchführung der Planung unmöglich machen oder wesentlich erschweren könnten. Der 22. Senat des OVG Münster erklärte mit Beschluss vom 26. September 2024 außerdem, es spräche Überwiegendes dafür, dass § 36 Abs. 3 LPlG NRW gegen § 73 i.V.m. § 10 Abs. 6a BImSchG verstoße und daher aller Wahrscheinlichkeit nach wegen Art. 31 GG, nach dem das Bundesrecht das Landesrecht bricht, nichtig sei. Die angestrebte Steuerungswirkung von § 36 Abs. 3 LPlG NRW und das Steuerungsziel der Landesregierung wurden demnach verfehlt.
Auswirkungen
Von der neuen Regelung des § 36a LPlG NRW sollen bis zu 1.500 Genehmigungsanträge für Windenergievorhaben betroffen sein. Im Gegensatz zu den vorherigen Regelungen sieht § 36a Abs. 1 LPlG NRW kein Ermessen der Genehmigungsbehörde vor, sodass den meisten von ihnen aufgrund des Zusammenspiels des sechsmonatigen Moratoriums in § 36a LPlG NRW und den aktuellen Regionalplanentwürfen die Verzögerung droht. Sie können in der Übergangsphase allein auf eine Befreiung über § 36a Abs. 4 LPlG NRW hoffen.
Gleichzeitig gibt es erneut Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift. Die Landesregierung knüpft mit der Vorschrift an die beiden vorherigen Versuche an, die jeweils vor Gericht gescheitert sind. § 36 Abs. 3 LPlG NRW wurde deshalb für nichtig angesehen, weil es sich bei der Vorschrift um eine Verfahrensaussetzung handele, die damit in die durch § 10 Abs. 6a BImSchG vorgesehen Entscheidungsfristen eingreife. Selbiges könnte nun auch für § 36a LPlG NRW gelten. Solange aber das Bundesverfassungsgericht keinen Verfassungsverstoß feststellt, bleiben die Behörden zur Anwendung der Vorschrift verpflichtet.
