Ob und unter welchen Voraussetzungen bei Kraftwerkspachten EEG-Umlage anfiel, war und ist rechtlich umstritten und derzeit Gegenstand einer Vielzahl von gerichtlichen Verfahren. Im Kern geht es dabei regelmäßig um die Frage, ob ein Kraftwerkspächter wirksam zum Anlagenbetreiber geworden ist. Das hängt insbesondere von der Verteilung der wirtschaftlichen Risiken in den Verträgen zwischen Kraftwerkseigentümer und -pächter ab.
Das LG München hat in einer bislang unveröffentlichten Entscheidung vom 15. Juni 2022 (Az. 15 O 1271/20) die Kriterien des Anlagenbetreiberbegriffes neu justiert. Ein wesentlicher Streitpunkt in diesem und anderen Verfahren ist die Frage, ob eine kurze Kündigungsfrist des Pachtverhältnisses der Anlagenbetreibereigenschaft des Pächters entgegensteht. Anders als andere Gerichte geht das LG München davon aus, dass die Kündigungsfrist in Pachtverträgen für die Einstufung als Anlagenbetreiber keine Relevanz hat.
Die gute Nachricht zuerst: Die Entscheidung des LG München und die in deutlichen Worten abgefasste Begründung stützen die eingerichteten Anlagenpachtmodelle. Die Kündigungsfristen des Pachtverhältnisses spielen bei der Verteilung der wirtschaftlichen Risiken des Anlagenbetriebes grundsätzlich keine Rolle – es kommt vielmehr darauf an, dass während der Pachtzeit die wirtschaftlichen Risiken des Anlagenbetriebs beim Pächter liegen. Die schlechte Nachricht ist: Die Entscheidung des LG München zeigt einmal mehr, dass trotz des Wegfalls der EEG-Umlage die Übertragungsnetzbetreiber aktiv Kraftwerkspachten auf den gerichtlichen Prüfstand stellen und Unternehmen so mit hohen EEG-Nachforderungen konfrontieren. Da die Entscheidung des LG München ggf. den Instanzenzug über das OLG München zum BGH nehmen wird, bleiben die mit Anlagenpachten verbundenen Risiken weiterhin bestehen.
Hintergrund
In den letzten Jahren haben sich in ganz Deutschland Kraftwerkspachten etabliert. Dahinter stecken oftmals zwei Grundgedanken: Einerseits sieht das Gesetz ausdrücklich vor, dass der Anlagenbetreiber nicht der Eigentümer der Anlage sein muss; es steht daher außer Frage, dass eine Verpachtung von Kraftwerken möglich ist und die Anlage von einem Pächter betrieben werden kann. Andererseits fiel die (mittlerweile abgeschaffte) EEG-Umlage nicht an, wenn man sich als Anlagenbetreiber mit Strom selbst versorgte. Energieintensive Unternehmen gingen in der Vergangenheit vermehrt dazu über, größere und kleinere Kraftwerke zu pachten, um den dabei erzeugten Strom selbst zu nutzen.
Übertragungsnetzbetreiber, die zur Vereinnahmung der EEG-Umlage berechtigt und verpflichtet sind, lassen bei Kraftwerkspachten nun vermehrt die Rechtsfrage klären, ob der Anlagenpächter und Stromverbraucher tatsächlich auch zum Anlagenbetreiber geworden ist. Die Klagen der Übertragungsnetzbetreiber betreffen dabei nicht nur sog. Scheibenpachtkonstellationen, die einen Sonderfall der Anlagenpacht darstellen, sondern auch Pachtverhältnisse, in denen das gesamte Kraftwerk von einem Pächter betrieben werden soll. Die Übertragungsnetzbetreiber verklagen dabei regelmäßig den Anlageneigentümer auf Zahlung der EEG-Umlage für (vermeintlich) an den Anlagenpächter „gelieferte“ Strommengen. Der Anlageneigentümer verteidigt sich dann u.a. damit, dass das Kraftwerk verpachtet wurde und der Pächter als Anlagenbetreiber agiert hat; die Eigenschaft als Anlagenbetreiber führt dazu, dass der Pächter seinen Strom selbst erzeugt und selbst verbraucht.
Anlagenbetreiber muss wirtschaftliches Risiko des Anlagenbetriebs tragen
In einer Pachtkonstellation nimmt die Rechtsprechung zur Ermittlung der Betreibereigenschaft eine Gesamtbewertung unter Einbeziehung mehrerer Kriterien vor. Dabei verlangt die gefestigte Rechtsprechung, dass der Anlagenbetreiber das wirtschaftliche Risiko des Anlagenbetriebs trägt und das Recht hat, die Anlage auf eigene Rechnung und mit eigenen wirtschaftlichen Chancen zu nutzen (erstes Kriterium). Weitere Kriterien zur Beurteilung der Anlagenbetreibereigenschaft sind die Möglichkeit der Einflussnahme auf den Betriebsablauf der Anlage (zweites Kriterium) und die tatsächliche Sachherrschaft über die Anlage (drittes Kriterium).
Insbesondere bei dem ersten Kriterium, d.h. der Zuordnung des wirtschaftlichen Risikos des Anlagenbetriebs, muss die Rechtsprechung die Details der Vertragsbeziehungen zwischen Verpächter und Pächter bewerten. Das ist im Einzelfall komplex, weil es sich regelmäßig nicht nur um einen einzelnen Vertrag, sondern um ein ganzes Vertragswerk (bspw. Pachtvertrag nebst Brennstoffbeschaffungs-, Betriebsführungs- und Leistungsaustauschvertrag) handelt. Erhebliche Verunsicherung entstand in den letzten Monaten dadurch, dass das LG Duisburg das (ordentliche) Kündigungsrecht eines Pachtvertrages aufgriff und daran die Übernahme wirtschaftlicher Risiken scheitern ließ; in einem anderen Fall wies das OLG Düsseldorf (Az. I-27 U 12/20, 27 U 12/20) darauf hin, dass selbst die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung bei Anlagenausfall das wirtschaftliche Risiko des Anlagenpächters minimieren und damit seiner Betreibereigenschaft entgegenstehen kann. Das überrascht insofern, als Kündigungsrechte in Pachtverhältnissen nicht nur marktüblich sind, sondern sogar gesetzlich vorgesehen sind; daher können sie schwerlich gegen die Betreibereigenschaft sprechen. Die immer strenger werdende (untergerichtliche) Rechtsprechung zur Übertragung der Anlagenbetreibereigenschaft führte dazu, dass bei Kraftwerkspachten erhebliche Rechtsunsicherheiten entstanden sind.
Dem tritt nun, in aller Deutlichkeit, das LG München entgegen. Der Entscheidung des LG München lag ein Pachtverhältnis zugrunde, dass mit einer Frist von einem bzw. vier Monaten gekündigt werden konnte. Das Gericht machte in seinen – bislang unveröffentlichten Entscheidungsgründen – deutlich, dass die Möglichkeit einer Kündigung keinen Einfluss auf die Bestimmung des Anlagenbetreibers hat. Die Beendigung eines Vertrages habe gerade keine Auswirkung auf die Tragung des wirtschaftlichen Risikos während der Laufzeit der Vereinbarung.
Gleiss Lutz-Kommentar
Die Bestimmung des Anlagenbetreibers in Mehrpersonenverhältnissen wird die Gerichte weiterhin beschäftigen. Das liegt bereits daran, dass die Entscheidung des LG München vermutlich durch den Instanzenzug (zum OLG München und ggf. zum BGH) gehen wird. Die Übertragungsnetzbetreiber prüfen zudem weitere Konstellationen und fordern, trotz ihrer Abschaffung, weiterhin die EEG-Umlage ein, die ihrer Ansicht nach in der Vergangenheit zu zahlen gewesen wäre.
Das Urteil des LG München kann als positives Signal für betroffene Unternehmen gewertet werden, die auf die Zulässigkeit einer Anlagenpacht vertraut haben; denn in den letzten Monaten war zu konstatieren, dass die Voraussetzungen für die wirksame Übertragung der Betreibereigenschaft erheblich gestiegen sind. Faktisch forderten die Übertragungsnetzbetreiber – und ihnen folgend: erste Gerichte –, dass der Pächter auch Fundamentalrisiken der Anlage übernehmen muss und damit zum „wirtschaftlichen Eigentümer“ der Anlage wird. Angesichts des klaren gesetzlichen Wortlauts in § 3 Nr. 2 EEG, der auch auf mit fossilen Energieträgern betriebene Kraftwerke übertragen werden kann, kommt es aber nur darauf an, wer die Anlage „nutzt“; eine Übernahme von Fundamentalrisiken ist für den Anlagenbetrieb in diesem Sinne gerade nicht notwendig. Das Urteil des LG München ist insoweit zu begrüßen, da es für die Betreibereigenschaft deutlich macht, dass es vor allem auf die Risikotragung während des Anlagenbetriebs ankommt.