Der Digital Markets Act („DMA“) wurde heute, am 12. Oktober 2022, im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (siehe hier). Dieser wegweisende Rechtsakt ist eine der ersten Initiativen weltweit zur umfassenden Regulierung von „Gatekeepern“. Die neue Verordnung ermöglicht es der Kommission, Anbieter bestimmter digitaler Dienste (sog. „zentraler Plattformdienste“/“core platform services“) auf Grundlage von Umsatz-, Marktwert- und Nutzerschwellen als sog. Gatekeeper zu benennen (für weitere Einzelheiten siehe hier unsere Erläuterungen zu einer früheren Entwurfsfassung des DMA). In dem Benennungsbeschluss stellt die Kommission die zentralen Plattformdienste des jeweiligen Gatekeepers fest, für die dann künftig automatisch eine breite Palette an Pflichten (u. a. in Bezug auf den Datenzugang und die Interoperabilität) sowie an Verboten und Beschränkungen (z. B. betreffend Selbstbevorzugung und der Verwendung personenbezogener Daten für das Schalten gezielter Werbung) gilt.
Der DMA tritt am zwanzigsten Tag nach seiner Veröffentlichung, d. h. am 1. November 2022, in Kraft. Er gilt dann ab dem 2. Mai 2023. Das letztgenannte Datum ist besonders wichtig: Ab diesem Zeitpunkt müssen alle Unternehmen, die zentrale Plattformdienste anbieten und die quantitativen Kriterien für die Einstufung als Gatekeeper erfüllen (Art. 3 Abs. 2), der Kommission ihren potenziellen Gatekeeper-Status und die entsprechenden zentralen Plattformdienste unverzüglich, jedenfalls aber innerhalb von zwei Monaten, d. h. spätestens bis zum 3. Juli 2023, mitteilen. Bei Versäumnis der entsprechenden Mitteilung kann gegen das anmeldepflichtige Unternehmen eine Geldbuße in Höhe von bis zu 1 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr weltweit erzielten Gesamtumsatzes verhängt werden.
Auch die weiteren Schritte folgen sodann vergleichsweise zügig: 45 Arbeitstage nach Erhalt der vollständigen Anmeldung durch den Gatekeeper-Kandidaten muss die Kommission den Beschluss über die Benennung als Gatekeeper treffen (Art. 3 Abs. 4). Mit den ersten Beschlüssen zur Benennung von Gatekeepern ist daher ab August 2023 zu rechnen. Die umfangreichen Verbote und Pflichten der Art. 5-7 müssen die benannten Gatekeeper dann in Bezug auf die zentralen Plattformdienste, die im Benennungsbeschluss als solche qualifiziert werden, innerhalb einer nicht verlängerbaren Frist von sechs Monaten ab Benennung (Art. 3 Abs. 10) vollständig einhalten. Sie kommen also für die ersten benannten Gatekeeper voraussichtlich ab der ersten Hälfte des Jahres 2024 zur Anwendung.
Dieser Zeitrahmen birgt nicht nur für die potenziellen Gatekeeper eine große Herausforderung, sondern vor allem für die mit der Anwendung und Durchsetzung des DMA betrauten Generaldirektionen der Kommission (DG COMP und DG CNECT). Da Verstöße gegen die Gatekeeper-Pflichten zu sehr hohen Geldbußen von bis zu 10 % des weltweiten Gesamtumsatzes (und bei wiederholten Verstößen sogar bis zu 20 % des weltweiten Gesamtumsatzes) führen können, sind die potenziellen Gatekeeper gut beraten, sich zur Vermeidung von Verstößen bereits jetzt mit der Kommission in Verbindung zu setzen.
Der DMA bietet auch neue Chancen für Unternehmen, die Plattformdienste potenzieller Gatekeeper nutzen. Gewerbliche Plattformnutzer können sich bei Verstößen der Gatekeeper gegen die neuen Pflichten und Verbote nicht nur bei der Kommission beschweren. Sie haben darüber hinaus die Möglichkeit, die Einhaltung dieser Pflichten und Verbote durch Klagen vor den nationalen Gerichten durchzusetzen. Sollte die 11. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) wie beabsichtigt zügig in Kraft treten (siehe hier), könnten deutsche Gerichte zu einem attraktiven Forum für solche Streitigkeiten zur privaten Durchsetzung des DMA werden.