Am 6. August 2018 ist der erste Teil der reaktivierten US-Sanktionen gegenüber Iran wirksam geworden. Als Reaktion auf diese einseitige Wiedereinführung von Sanktionen gegenüber Iran durch die USA hat die EU bereits im Juni 2018 ein „Abwehrgesetz“ auf den Weg gebracht. Die aktualisierte Blocking-Verordnung ist am 7. August 2018 in Kraft getreten. Sie soll die Auswirkungen der extraterritorialen US-Sanktionen auf die Interessen der EU-Unternehmen, die rechtmäßig Geschäfte mit Iran betreiben, abmildern. Dabei wirft sie für Unternehmen, die Iran-Geschäft betreiben, eine Reihe von Problemen auf.
Hintergrund
Bereits im Mai 2018 gab US-Präsident Trump bekannt, dass sich die USA aus dem Atomabkommen mit Iran (Joint Comprehensive Plan of Action – „JCPOA“) zurückziehen und sämtliche auf Grundlage des JCPOA aufgehobenen Sanktionen gegenüber Iran nach Ablauf einer „Abwicklungsfrist“ von 90 Tagen (also bis 6. August 2018) bzw. 180 Tagen (also bis 4. November 2018) wieder in Kraft setzen würden. Alle übrigen Parteien des Abkommens (EU, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland, China und Iran) bekräftigten daraufhin ihre Entschlossenheit zu einer weiteren vollständigen Umsetzung des JCPOA. Um dies zu demonstrieren und die Interessen europäischer Unternehmen zu schützen, die Iran-Geschäft betreiben, leitete die Europäische Kommission am 6. Juni 2018 die Aktualisierung der EU-Blocking-Verordnung aus dem Jahr 1996 ein, indem sie die Liste der reaktivierten US-Iran-Sanktionen in den Geltungsbereich der EU-Blocking-Verordnung aufnahm. Die wieder in den Geltungsbereich aufgenommenen US-Iran-Sanktionen betreffen die sog. Secondary Sanctions, d.h. Sanktionen der USA, die sich gegen Unternehmen mit Sitz außerhalb der USA richten. Verstoßen Unternehmen gegen Secondary Sanctions, drohen ihnen in den USA erhebliche Schäden, die von Strafzahlungen bis zum faktischen Ausschluss vom US-Markt führen können. Hierdurch soll auf Unternehmen außerhalb der USA Druck ausgeübt werden, das US-Recht einzuhalten und sich aus dem Iran-Geschäft zurückzuziehen.
Ziel der EU-Blocking-Verordnung ist es, den Auswirkungen von US-Sanktionen auf EU-Wirtschaftsteilnehmer entgegenzuwirken, die im Einklang mit dem EU-Recht rechtmäßig am internationalen Handels- und/oder Kapitalverkehr und an damit verbundenen Geschäftstätigkeiten mit Drittländern teilnehmen. Nachdem weder das Europäische Parlament noch der Rat Einwände gegen die Aktualisierung der EU-Blocking-Verordnung erhoben hatten, wurde diese (ebenso wie die dazugehörige Durchführungsverordnung (EU) 2018/1101) am 7. August 2018 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und damit in Kraft gesetzt.
Geltungsbereich der Blocking-Verordnung
Die EU-Blocking-Verordnung ist von allen natürlichen Personen zu beachten, die in der Union ansässig und Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind, sowie von allen juristischen Personen, die in der Union eingetragen sind. Dies gilt insbesondere auch für EU-Tochtergesellschaften von US-Unternehmen, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet wurden und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der EU haben. Hingegen unterliegen rechtlich unselbstständige Zweigniederlassungen von US-Unternehmen in der Union nicht der EU-Blocking-Verordnung. Auch US-Tochtergesellschaften von EU-Unternehmen unterliegen nicht der EU-Blocking-Verordnung.
Inhalt der Blocking-Verordnung
Die EU-Blocking-Verordnung verbietet den o.g. Personen und Unternehmen, die im Anhang der Verordnung aufgeführten US-Rechtsakte zu befolgen, es sei denn, dies wird ihnen von der Kommission ausnahmsweise gestattet. Weiterhin räumt die EU-Blocking-Verordnung diesen Personen für den Fall, dass sie durch die genannten US-Rechtsakte Schaden erleiden, die Möglichkeit ein, von den verursachenden Personen oder Unternehmen eine Entschädigung zu verlangen. Außerdem werden Urteile ausländischer Gerichte (also insbesondere die der USA), die zur Durchsetzung der Sanktionen verhängt werden, in der EU nicht anerkannt:
Inhaltlich gilt die EU-Blocking-Verordnung für alle im Anhang der Verordnung aufgeführten Rechtsakte, die derzeit Maßnahmen der USA gegen Kuba und Iran umfassen. Im Zuge der Aktualisierung neu in den Anhang aufgenommen wurden die folgenden Rechtsakte: „Iran Sanctions Act of 1996“, „Iran Freedom and Counter-Proliferation Act von 2012“, „National Defense Authorization Act for Fiscal Year 2012“, „Iran Threat Reduction and Syria Human Rights Act of 2012“ sowie „Iran Transactions and Sanctions Regulations“. Der Übersichtlichkeit halber sind dabei jeweils die Bestimmungen der vorgenannten Rechtsakte im Anhang der EU-Blocking-Verordnung zumindest in zusammengefasster Form aufgeführt.
Grundprinzip der EU-Blocking-Verordnung ist, dass EU-Wirtschaftsteilnehmern verboten wird, die gelisteten US-Rechtsakte einzuhalten, einschließlich darauf beruhender Entscheidungen, Urteile oder Schiedssprüche.
Die EU-Blocking-Verordnung sieht außerdem vor, dass EU-Wirtschaftsteilnehmer die Europäische Kommission innerhalb von 30 Tagen über jede mittelbare oder unmittelbare Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen oder finanziellen Interessen durch die gelisteten US-Rechtsakte oder durch die darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen unterrichten müssen.
Die aktualisierte EU-Blocking-Verordnung gilt für alle EU-Wirtschaftsteilnehmer ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens, d. h. ab dem 7. August 2018. Sie ist insbesondere auch auf solche vertraglichen Verpflichtungen anzuwenden, die bereits vor dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens eingegangen wurden.
Nach der EU-Blocking-Verordnung haben EU-Wirtschaftsteilnehmer Anspruch auf Ersatz aller Schäden, die ihnen aufgrund der Anwendung der gelisteten US-Rechtsakte oder der darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen entstanden sind. Gegner dieses Schadensersatzanspruchs ist die Behörde, das Gericht, das Unternehmen oder jede sonstige Stelle, die den Schaden verursacht hat, oder die Person, die in deren Auftrag handelt oder als Vermittler auftritt. Die EU-Blocking-Verordnung schafft hingegen keinen eigenen unionsrechtlichen Schadensersatzanspruch, etwa eines iranischen Geschäftspartners gegen ein EU-Unternehmen, welches gegen die EU-Blocking-Verordnung verstößt. Insoweit kommen allenfalls vertragliche Schadensersatzansprüche in Betracht.
Auswirkungen der Blocking-Verordnung auf betroffene Unternehmen
Unternehmen bzw. deren Organe sind aufgrund des Legalitätsprinzips verpflichtet, sich an die EU-Blocking-Verordnung zu halten und demgemäß ein funktionierendes Compliance-System einzurichten. Dazu gehört insbesondere die Erfüllung von Mitteilungspflichten gegenüber der Europäischen Kommission sowie die Einhaltung des Verbots den dort gelisteten US-Rechtsakten nachzukommen. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Legalitätspflicht dabei zumindest in Ausnahmefällen eine Begrenzung erfährt, wird in der Praxis noch zu diskutieren sein: So wäre insbesondere zu überlegen, inwieweit in Ausnahmesituationen eine Berufung auf den Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision in Betracht kommen könnte, weil sich die Unternehmensleitung konfligierenden Pflichten gegenüber sieht, etwa weil bei strenger Einhaltung der Legalitätspflicht ein schwerer, unmittelbarer Schaden für die Gesellschaft droht.
Die EU-Blocking-Verordnung verpflichtet Unternehmen hingegen nicht, Geschäfte mit Iran zu tätigen oder fortzusetzen. Vielmehr können die Unternehmen auch weiterhin auf Grundlage ihrer eigenen Bewertung frei entscheiden, in einem Wirtschaftszweig tätig zu werden oder nicht. Demgemäß verstößt die Einstellung von (bestehendem) Iran-Geschäft nicht notwendigerweise gegen die EU-Blocking-Verordnung, soweit diesem Verhalten allgemeine, d.h. sanktionsunabhängige, wirtschaftliche oder zivilrechtliche Erwägungen zugrunde liegen.
Verstöße gegen die EU-Blocking-Verordnung können als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu EUR 500.000 (je Verstoß) geahndet werden. Weiterhin besteht das Risiko, dass Rechtsgeschäfte unter Verstoß gegen die EU-Blocking Verordnung im Einzelfall nichtig sein können oder Verstöße gegen die EU-Blocking-Verordnung vertragliche Schadensersatzansprüche des (iranischen) Geschäftspartners auslösen.
Bislang kam die EU-Blocking-Statute in der Praxis nicht zur Anwendung. So ist kein Fall bekannt, in dem ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verstoßes hiergegen eingeleitet wurde (ähnlich wie beim bestehenden Boykottverbot nach § 7 Außenwirtschaftsverordnung). Für die Zukunft bleibt abzuwarten, wie die zuständigen Behörden den Vollzug dieser Verordnung handhaben werden.
Handlungsempfehlungen
- Zunächst ist betroffenen Unternehmen zu raten, ihr Compliance-System den neuen Anforderungen durch die EU-Blocking-Verordnung anzupassen. Insbesondere ist jede mittelbare oder unmittelbare Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen oder finanziellen Interessen durch die gelisteten US-Rechtsakte oder durch die darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen innerhalb der 30-Tages-Frist bei der Europäischen Kommission zu melden. Die Meldung ist auch per E-Mail (an relex-sanctions@ec.europa.eu) möglich.
- Betroffene Unternehmen sollten prüfen, ob überhaupt ein Konflikt zwischen der Einhaltung der EU-Blocking-Statute einerseits und Secondary Sanctions andererseits besteht: Nicht jedwedes Iran-Geschäft wird durch die USA sanktioniert. Verstößt das eigene Iran-Geschäft nicht gegen Secondary Sanctions, besteht kein Konflikt zur EU-Blocking-Verordnung und damit auch kein Risiko, hiergegen zu verstoßen.
- Unabhängig davon sollte im Konfliktfall der Versuch unternommen werden, mit dem iranischen Vertragspartner eine einvernehmliche Regelung zu finden.
- Zwar sieht die EU-Blocking-Verordnung die Möglichkeit einer ausnahmsweisen Genehmigung zur Einhaltung gelisteter US-Rechtsakte für Unternehmen durch die Europäische Kommission vor; doch handelt es sich hierbei kurzfristig um keine effektive Gestaltungsvariante. Zum einen sind die Anforderung an ihre Erteilung bereits formal sehr hoch: Das Unternehmen muss nachweisen, dass es aufgrund eines konkreten Verhaltens der Gefahr von Secondary Sanctions ausgesetzt wird und es hierdurch schwer geschädigt oder beeinträchtigt wird. Zum anderen muss sich eine Spruchpraxis der Europäischen Kommission erst noch entwickeln. Dazu sind die Bewertungskriterien, die den Eintritt eines schweren Schadens begründen können, teilweise äußerst unscharf formuliert (z.B. „eine wahrscheinliche spezifische Gefährdung des geschützten Interesses“, „nachteilige Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit“).