ENERGY NEWS #01/2017
Auch beinahe fünf Jahre nach Erlass der Festlegung „Konni Gas“ durch die Bundesnetzagentur funktioniert der qualitätsübergreifende Gashandel in Deutschland noch nicht reibungslos. Ob die jüngst von der Bundesnetzagentur beschlossene Änderung der Festlegung die erstrebten Verbesserungen bringen wird, ist ebenso offen wie die Frage, ob sie gerichtlicher Kontrolle standhält.
Zusammenfassung
- Die von der Bundesnetzagentur zur Erleichterung des qualitätsübergreifenden Gashandels in Deutschland erlassene Festlegung „Konni Gas“ leidet an praktischen Problemen. Die Bundesnetzagentur will diese Schwierigkeiten durch die Weiterführung des Konvertierungsentgelts über den 31. März 2017 hinaus beseitigen. Sie hat deshalb am 21. Dezember 2016 beschlossen, die Festlegung „Konni Gas“ entsprechend anzupassen.
- Bei ihrer Entscheidung hatte sie die Interessen der unterschiedlichen Marktbeteiligten, insbesondere die der Bilanzkreisverantwortlichen, angemessen zu berücksichtigen. Ob ihr dies mit der Änderungsfestlegung gelungen ist, müssen am Ende möglicherweise die Gerichte klären.
Konvertierungssystem nach der ursprünglichen Festlegung „Konni Gas“
Gas wird in Deutschland ungeachtet seines Energiegehalts qualitätsübergreifend bilanziert. Das bedeutet, dass ein Lieferant, der L-Gas oder H-Gas liefern soll, diese Verpflichtung auch erfüllen kann, indem er Gas in der jeweils anderen Qualität ins Netz einspeist. Die deshalb gegebenenfalls notwendige Konvertierung hat die Bundesnetzagentur („BNetzA“) in ihrer Festlegung „Konni Gas“ vom 27. März 2012 (BK7-11-002) geregelt. Kernelemente des geltenden Konvertierungssystems sind ein Konvertierungsentgelt und eine Konvertierungsumlage.
Das Konvertierungsentgelt wird durch die Marktgebietsverantwortlichen („MGV“) von den Bilanzkreisverantwortlichen („BKV“) erhoben. Letztere sind als natürliche oder juristische Person gegenüber dem MGV für die Abwicklung der Bilanzkreise verantwortlich und können durch verschiedene Marktbeteiligte gestellt werden. Zahlungspflichtige des Konvertierungsentgelts sind jedoch nur die BKV, die qualitätsübergreifend bilanzieren, also in einer Gasqualität ein- und in der anderen ausspeisen. Derzeit wird das Konvertierungsentgelt vom MGV aufgrund einer Prognose ex ante festsetzt; es darf die von der BNetzA festgesetzte Obergrenze nicht überschreiten. In der Praxis wird das Konvertierungsentgelt regelmäßig an die Endkunden weitergegeben. Das Konvertierungsentgelt sollte nach der ursprünglichen Festlegung „Konni Gas“ schrittweise reduziert werden und zum 1. Oktober 2016 vollständig entfallen, um so einen ungehinderten qualitätsübergreifenden Gashandel zu ermöglichen.
Die MGV können darüber hinaus eine Konvertierungsumlage erheben, wenn sie erwarten, dass das Konvertierungsentgelt allein die Kosten der Konvertierung nicht decken wird. Die Konvertierungsumlage wird von allen BKV erhoben, auch wenn sie nicht qualitätsübergreifend bilanzieren.
Probleme der ursprünglichen Festlegung „Konni Gas“
In der Praxis hat die Festlegung „Konni Gas“ den qualitätsübergreifenden Gashandel nicht in dem erhofften Maße gefördert.
Ein Grund hierfür liegt darin, dass die Produktion von L-Gas in den Niederlanden und Deutschland stark zurückgeht, während die Nachfrage wegen der aufwändigen Umstellung der Verbrauchsgeräte auf H-Gas nur sehr langsam sinkt. Lieferanten, die L-Gas schulden, liefern deshalb vermehrt H-Gas und verursachen dadurch einen hohen Konvertierungsaufwand. Zugleich setzt das abgesenkte Konvertierungsentgelt offenbar kaum noch wirksame Anreize für eine qualitätsspezifische Belieferung mit L-Gas. NetConnect Germany („NCG“) war als MGV beispielsweise ab dem Frühjahr 2016 gezwungen, in erheblichem Umfang teure Regelenergie zuzukaufen, um fehlendes L-Gas auszugleichen. Schon bald sah sich NCG zur Deckung der dadurch entstehenden Kosten nicht mehr in der Lage.
Entsprechend zeigten die MGV der beiden deutschen Marktgebiete der BNetzA im Januar 2016 an, dass sie das Konvertierungsentgelt für die Konvertierung von H-Gas nach L-Gas auch über den 1. Oktober 2016 bis zum 31. März 2017 hinaus erheben würden, wogegen die BNetzA keinen Widerspruch erhob. Vielmehr gestattete sie NGC im Wege der vorläufigen Anordnung auch, die festgesetzte Obergrenze für das Konvertierungsentgelt zu überschreiten. Diese Anordnung hob die BNetzA allerdings später wieder auf.
Verfahren zur Änderung der Festlegung „Konni Gas“
Auf Antrag der beiden MGV leitete die BNetzA aber am 19. Februar 2016 ein Verfahren zur Änderung der Festlegung „Konni Gas“ ein (Az.: BK7-16-050). Beteiligte dieses Verfahrens waren die beiden Antragsteller, die BNetzA hatte aber auch Dritte auf deren Antrag zu dem Verfahren beigeladen. Sie hat im Rahmen dieses Verfahrens im Juli und im August 2016 zwei Konsultationen mit den Marktbeteiligten durchgeführt.
Gegenstand der jüngsten Konsultation der BNetzA war ein Festlegungsentwurf der BNetzA, der zwei Varianten zur Änderung der Festlegung „Konni Gas“ vorstellte. Beide gingen vom Fortbestand des Konvertierungsentgelts aus, das aber nur noch für die Konvertierungsrichtung von H-Gas nach L-Gas erhoben werden sollte. Eine schrittweise Absenkung des Konvertierungsentgelts war – anders als im gegenwärtigen Regelungsregime – nicht mehr vorgegeben. Die Konvertierungsumlage sollte, wie auch schon ursprünglich in der Festlegung „Konni Gas“ vorgesehen, bestehen bleiben.
Die erste Alternative sah vor, dass die MGV das Konvertierungsentgelt wie bisher ex ante durch Prognose ermitteln. Das festgesetzte Konvertierungsentgelt sollte (von der ersten Geltungsperiode abgesehen) jeweils für einen Zeitraum von 12 Monaten gelten und durfte die Obergrenze von 0,045 ct/kWh nicht überschreiten.
Nach der zweiten Alternative war das Konvertierungsentgelt ex post zu berechnen. Die MGV sollten ein individuelles Konvertierungsentgelt für jeden Tag ermitteln, an dem sie im Marktgebiet kostenverursachend Regelenergie einsetzen mussten, um Ungleichgewichte aus der qualitätsübergreifenden Bilanzierung auszugleichen. Dazu sollten sie die Kosten der Konvertierung auf die Konvertierungsmenge der einzelnen Bilanzkreise aufteilen. Für diese Variante hatte die BNetzA keine Entgeltobergrenze vorgesehen.
Anders als bisher sollten die aus dem Konvertierungssystem erzielten Erlöse in beiden Varianten an die BKV ausgeschüttet werden können, wenn ein nicht benötigter Überschuss erwirtschaftet wird.
Am 21. Dezember 2016 hat die BNetzA nunmehr beschlossen, der ersten von ihr vorgeschlagenen Alternative zu folgen und das Konvertierungsentgelt in seiner bisherigen ex ante-Form zeitlich unbegrenzt beizubehalten. Bislang hat die BNetzA den (vollständigen) Beschluss noch nicht veröffentlicht, sondern lediglich den Tenor und die notwendigen Änderungen des Standardvertrags zur Konvertierung in qualitätsübergreifenden Marktgebieten auf ihrer Homepage zur Verfügung gestellt. Danach wird das Konvertierungsentgelt in Zukunft nur noch für die Konvertierung von H-Gas nach L-Gas erhoben und durch Prognose ex ante ermittelt. Das Konvertierungsentgelt soll (von der ersten Geltungsperiode abgesehen) ab dem 1. Oktober 2017 jeweils für die Dauer eines Geltungszeitraums von 12 Monaten festgesetzt werden. Es darf die Obergrenze von 0,045 ct/kWh nur im Ausnahmefall überschreiten.
Interessen der Beteiligten und ihre Durchsetzung
Die Beteiligten auf dem deutschen Gasmarkt haben diese Änderung naturgemäß unterschiedlich aufgenommen.
Die MGV stehen der Beibehaltung des Konvertierungsentgelts positiv gegenüber. Das Konvertierungsentgelt setzt nach ihrer Auffassung Anreize für eine qualitätsspezifische Bilanzkreisbewirtschaftung. Nur so sei trotz der rückläufigen L-Gas-Mengen die Versorgungssicherheit gewährleistet.
Die Mehrheit der BKV und Transportkunden lehnt eine Weiterführung des Konvertierungsentgelts dagegen ab. Sie sind der Auffassung, dass dadurch Anbieter mit L-Gas-Bezugsverträgen begünstigt würden. Dies beeinträchtige den qualitätsübergreifenden Handel und damit auch den Wettbewerb. Die Mehrzahl der BKV und Transportkunden zieht ein ex post festgelegtes Konvertierungsentgelt vor, weil dieses vollumfänglich kostendeckend und damit verursachungsgerecht sei. Nur eine Minderheit hebt den Gesichtspunkt der Planbarkeit hervor und bevorzugt ein ex ante festgesetztes Konvertierungsentgelt.
Marktbeteiligte, die sich gegen den Fortbestand des Konvertierungsentgelts zur Wehr setzen wollen, können die Änderungsfestlegung der BNetzA innerhalb eines Monats ab Zustellung der vollständigen Entscheidung gerichtlich angreifen – die Veröffentlichung des Tenors hat die Frist noch nicht in Lauf gesetzt. Dafür sollten sie nach Möglichkeit bereits am Festlegungsverfahren beteiligt gewesen sein. Dass es zu gerichtlichen Beschwerden gegen die Änderungsfestlegung der BNetzA kommen wird, ist sehr wahrscheinlich.
Inhaltlich erscheint denkbar, dass die Änderungsfestlegung den Vertrauensschutz solcher BKV beeinträchtigt, die sich auf den vorgesehenen Wegfall des Konvertierungsentgelts verlassen und es deshalb vertraglich nicht an ihre Kunden weitergereicht haben. Daneben ist zu berücksichtigen, dass das Konvertierungsentgelt für Händler und Lieferanten, die nicht bereits über L-Gas-Bezugsverträge verfügen, wie eine Markteintrittsgebühr wirkt und damit den von der BNetzA angestrebten, qualitätsübergreifenden Wettbewerb im Gasmarkt nicht fördert, sondern hemmt.
Auch über diese spezifischen Gesichtspunkte hinaus hatte die BNetzA in ihrer Entscheidung die Interessen der Marktbeteiligten, insbesondere der BKV, angemessen zu berücksichtigen. Ob sie dieser Verpflichtung angemessen nachgekommen ist, lässt sich aus den bislang veröffentlichten Teilen des Beschlusses zur Änderung der Festlegung „Konni Gas“ freilich noch nicht erkennen. Nach Veröffentlichung des vollständigen Beschlusses dürfte diese Frage allerdings die Gerichte beschäftigen.