Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) ist am 2. Juli 2023 in Kraft getreten. Seitdem sind Unternehmen mit mehr als 249 Beschäftigten verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten. Seit gestern, 17. Dezember 2023, sind nunmehr auch Unternehmen mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten (KMU) verpflichtet, eine interne Meldestelle vorzuhalten und zu betreiben.
I. Welche Pflichten haben Unternehmen nach dem HinSchG?
Das HinSchG verpflichtet Unternehmen, einen institutionalisierten Meldekanal samt Meldestelle einzurichten und schafft einen einheitlichen Schutzstandard für Hinweisgeber in Deutschland.
Zusammenfassend zu den wesentlichen Regelungen:
1. Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich
Der persönliche Anwendungsbereich des HinSchG setzt einen Konnex zu der beruflichen Tätigkeit des Hinweisgebers voraus. Der Begriff der beruflichen Tätigkeit ist grundsätzlich weit zu verstehen, sodass der gesamte Zyklus eines Beschäftigungsverhältnisses – von Bewerbung über das Ende der Beschäftigung hinaus – umfasst ist. Der sachliche Anwendungsbereich des HinSchG setzt die Vorgaben der WBRL überschießend um, indem neben Meldungen zu Verstößen gegen Unionsrecht insbesondere Meldungen über straf- oder bußgeldbewehrte Verstöße geschützt sind.
2. Meldekanal und Meldestelle
Im Gegensatz zur Europäische Whistleblowing Richtlinie differenziert das HinSchG zwischen der Einrichtung eines Meldekanals und einer Meldestelle: Der Meldekanal dient ausschließlich dem Eingang der Meldung und der Kommunikation mit der hinweisgebenden Person, während die Meldestelle eingegangene Meldungen bearbeitet und letztlich die Folgemaßnahmen einleitet.
3. Folgemaßnahmen
In § 18 HinSchG sind mögliche Folgemaßnahmen aufgezählt. Der gesetzliche Maßnahmenkatalog ist nicht abschließend, sodass interne Meldestellen mit einem gewissen Ermessenspielraum auf Meldungen individuell reagieren können. Folgemaßnahmen können z.B. die Einleitung einer internen Untersuchung oder die Abgabe des Vorgangs an eine andere (unternehmensinterne) Stelle oder zuständige Behörde sein.
4. Hinweisgeberschutz
Vor Inkrafttreten des HinSchG bestand lediglich ein lückenhafter Schutz hinweisgebender Personen im beruflichen Kontext. Nunmehr stellt das HinSchG klare und umfassende Regelungen zum Hinweisgeberschutz auf. Die Vorschriften umfassen nicht nur ein Verbot von Repressalien, sondern sehen auch eine Beweislastumkehr zugunsten der hinweisgebenden Person vor. Demnach wird bei einer erlittenen Benachteiligung nach einer Meldung oder Offenlegung vermutet, dass diese Benachteiligung eine verbotene Repressalie (z.B. die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder eine Abmahnung im Arbeitsverhältnis) darstellt. Sodann hat der Arbeitgeber nachzuweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen beruht.
II. Praktische Hinweise zur Einrichtung einer Meldestelle für kleine und mittlere Unternehmen
Bei der Einrichtung einer Meldestelle in KMU dürften insbesondere die folgenden drei Aspekte relevant sein:
1. Ressourcenteilung
Mit § 14 Abs. 2 S. 1 HinSchG werden KMU privilegiert, da sie für die Entgegennahme von Meldungen und für weitere nach dem HinSchG vorgesehenen Maßnahme eine gemeinsame Meldestelle einrichten und betreiben können. Eine Konzern- oder Gruppenzugehörigkeit der KMU ist für die Ressourcenteilung nicht erforderlich. Zwar konkretisiert das HinSchG nicht weiter, was unter den „weiteren nach diesem Gesetz vorgesehenen Maßnahmen“ zu verstehen ist, der Gesetzgeber stellt jedoch klar, dass die Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um den Verstoß abzustellen, und die Pflicht zur Rückmeldung an die hinweisgebende Person bei dem jeweiligen KMU verbleiben.
2. Gestaltung und Betrieb des Meldekanals
Die Gestaltung des Meldekanals, d.h. die Art der Kommunikation, können Unternehmen frei wählen. In der Praxis haben sich digitale Plattformen bewährt. Die Einführung einer solchen Plattform ist empfehlenswert, da sie eine automatisierte und standardisierte Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen ermöglicht, wie beispielsweise die Eingangsbestätigung oder die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben. Gleichwohl kann der Meldekanal etwa auch in Form einer simplen E-Mail-Adresse (z.B. hinweis@IhrUnternehmen.de) ausgestaltet werden. Die Personen, die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle betraut sind, müssen in ihrer Funktion unabhängig sein und die notwendige Fachkunde aufweisen. Für KMU ist von großer Bedeutung, dass diese Funktion auch in Doppelfunktion ausgeübt werden kann, sodass keine volle FTE dafür eingesetzt werden muss.
3. Umgang mit niedrigschwelligen Meldungen
Erwartungsgemäß hat auch die Anzahl an niedrigschwelligen Meldungen mit Einführung des HinSchG etwas zugenommen. Zu solchen Meldungen zählen z.B. Beschwerden über Pausen- und Urlaubsregelungen, die Beförderung von Kollegen oder über das eigene Gehalt – überwiegend handelt es sich dabei um klassische HR-Themen. Solche Meldungen dürften in der Regel nicht vom sachlichen Anwendungsbereich des HinSchG erfasst sein. Sie können entweder direkt an die zuständige unternehmensinterne Stelle – unter Information an die hinweisgebende Person hierüber – weitergeleitet werden oder die hinweisgebende Person wird gebeten, die Meldung selbst an die zuständige Stelle zu adressieren.
III. Fazit
Mit dem 17. Dezember 2023 läuft nun auch die Schonfrist für KMU aus. Spätestens jetzt sollten auch kleine und mittlere Beschäftigungsgeber einen internen Meldekanal und eine interne Meldestelle eingerichtet haben, um den gesetzlichen Anforderungen nachzukommen – andernfalls droht ein Bußgeld. KMU sollten dabei den weiten Spielraum nutzen, den ihnen der Gesetzgeber bei den organisatorischen Umsetzungen der Vorgaben des HinSchG eingeräumt hat.
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