Am 25. März 2020 hat der Bundestag einstimmig den Gesetzesentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie verabschiedet (hier abrufbar). Mit dem Gesetz hat der Gesetzgeber einige Änderungen im Vertragsrecht vorgenommen. Es ist nunmehr ein Moratorium für die Erfüllung vertraglicher Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen geregelt, die der Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge dienen. Betroffenen Verbrauchern und Kleinstunternehmen wird unter bestimmten Voraussetzungen ein mehrmonatiger Aufschub gewährt, wenn diese wegen der COVID-19-Pandemie ihre vertraglich geschuldeten Leistungen nicht mehr erbringen können. Sonderregelungen gibt es zudem für Miet- und Pachtverhältnisse sowie für Verbraucherdarlehensverträge.
Moratorium (Art. 240 § 1 EGBGB n.F.)
Verbraucher und Kleinstunternehmen erhalten unter den nachfolgend genannten engen Voraussetzungen zunächst bis zum 30. Juni 2020 ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht:
- Es handelt sich um einen betroffenen Verbraucher oder ein Kleinstunternehmen im Sinne der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 (hier abrufbar);
- es handelt sich um ein Dauerschuldverhältnis (bei Verbrauchern: das als Verbrauchervertrag zu qualifizieren ist), das vor dem 8. März 2020 geschlossen wurde, jedoch nicht um einen Miet-, Pacht-, Darlehens- oder Arbeitsvertrag;
- das Dauerschuldverhältnis muss als wesentliches Dauerschuldverhältnis anzusehen sein, d. h. es muss der Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge dienen;
- infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind,
- ist dem Verbraucher die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung eines angemessenen Lebensunterhalts oder eines angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht möglich oder
- kann das Kleinstunternehmen die Leistung nicht erbringen oder ist ihm die Erbringung der Leistung jedenfalls nicht ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs möglich; und
- die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts ist für den Gläubiger nicht unzumutbar. Unzumutbarkeit setzt auch hier spiegelbildlich die Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen des Erwerbsbetriebs bzw. des angemessenen Lebensunterhalts des Gläubigers voraus. Wenn das Leistungsverweigerungsrecht ausgeschlossen ist, steht dem Schuldner jedoch ein Recht zur Kündigung zu.
Vertragliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Schuldners von den ersten vier der oben genannten Voraussetzungen abweichen, sind unwirksam.
Die Bundesregierung erhält zudem die Verordnungsermächtigung, ohne Zustimmung des Bundesrats die Dauer des Leistungsverweigerungsrechts bis zum 30. September 2020 (anstatt: 30. Juni 2020) zu verlängern.
Mietverträge (Art. 240 § 2 EGBGB n.F.)
Mietverhältnisse können nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos gekündigt werden, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht. Es ist zu erwarten, dass sich die Einnahmeverluste zahlreicher Mieter auf durchschnittlich mehr als zwei Monatsmieten belaufen werden. Daher wird das Recht der Vermieter zur Kündigung der Mietverhältnisse über Grundstücke oder über Räume ausgeschlossen, wenn der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 zwar trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, der Mieter aber glaubhaft macht, dass die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt. Diese Sonderregelungen gelten entsprechend auch für Pachtverhältnisse und sind bis zum 30. Juni 2022 anzuwenden.
Die Bundesregierung erhält zudem die Verordnungsermächtigung, ohne Zustimmung des Bundesrats das Kündigungsverbot auf Zahlungsrückstände zu erweitern, die bis zum 30. September 2020 (anstatt: 30. Juni 2020) entstanden sind.
Sonderregelungen für Verbraucherdarlehensverträge und Rückgriffsansprüche unter Gesamtschuldnern nach § 426 BGB (Art. 240 § 3 EGBGB n.F.)
Für Darlehensverträge ist eine gesetzliche Stundung der Zins- und Tilgungsleistungen für einen Zeitraum von zunächst drei Monaten ab Eintritt der Fälligkeit in folgenden Konstellationen vorgesehen:
- Ein Verbraucherdarlehensvertrag wurde vor dem 15. März 2020 abgeschlossen;
- der Verbraucher hat infolge der durch die COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Zins- und Tilgungsleistungen, die im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 fällig werden, nicht zumutbar ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn hierdurch der angemessene Lebensunterhalt von ihm selbst oder seiner Angehörigen gefährdet würde; und
- dem Darlehensgeber ist die Stundung oder der Ausschluss der Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht unzumutbar.
Diese Regelungen gelten entsprechend für den Ausgleich und Rückgriff unter Gesamtschuldnern nach § 426 BGB.
Leistet der Verbraucher die Zahlungen vertragsgemäß weiter, gilt die Stundung als nicht erfolgt. Auch können die Parteien im Hinblick auf die Stundung abweichende Vereinbarungen, z. B. Teilleistungen, Zins- und Tilgungsanpassungen oder Umschuldungen treffen.
Wird zwischen den Parteien keine anderweitige einvernehmliche Regelung für den Zeitraum nach dem 30. Juni 2020 getroffen, verlängert sich die Vertragslaufzeit um drei Monate; die Fälligkeit der vertraglichen Leistungen wird um diese Frist hinausgeschoben.
Für den Darlehensgeber ist zudem eine Kündigung des Darlehensvertrags wegen Zahlungsverzugs, wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Verbrauchers oder der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit bis zum Ablauf der Stundung ausgeschlossen.
Die Bundesregierung erhält schließlich die Verordnungsermächtigung mit Zustimmung des Bundestages und ohne Zustimmung des Bundesrats auch Kleinstunternehmen und mittlere Unternehmen in den Schutzbereich dieser Regelung einzubeziehen. Zudem erhält die Bundesregierung die Verordnungsermächtigung ohne Zustimmung des Bundesrates den relevanten Zeitraum der erfassten Zins- und Tilgungsleistungen auf die Zeit bis zum 30. September 2020 (anstatt: 30. Juni 2020) zu erstrecken und die Vertragslaufzeit um bis zu zwölf Monate (anstatt: drei Monate) zu verlängern.
Fazit
Die Regelungen greifen bereits jetzt tief in zivilrechtliche Grundprinzipien ein. Durch die Verordnungsermächtigungen erhält die Bundesregierung zudem die Möglichkeit, die Reichweite der Regelungen je nach dem weiteren Verlauf der COVID-19-Pandemie nicht nur in zeitlicher, sondern auch in inhaltlicher Hinsicht deutlich auszudehnen. Für Vermieter, Unternehmen mit b2c-Geschäft, Gesamtschuldner und Kreditinstitute sind diese Regelungen besonders wichtig. Aber auch darüber hinaus sind diese Sonderregelungen bei der Prüfung der konkreten Vertragslage mit im Blick zu behalten.
Für zahlreiche unserer Mandanten sind wir bereits intensiv und umfassend im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie tätig und beraten dabei insbesondere im Zusammenhang mit dem Umgang mit bestehenden Ansprüchen und Forderungen nach einer Anpassung der Verträge oder dem Abschluss von Verträgen unter Berücksichtigung der aktuellen Situation. Für Rückfragen zu einem dieser Themen oder zu sonstigen Fragen im Zusammenhang mit den Folgen der COVID-19-Pandemie steht Ihnen unser erfahrenes Expertenteam jederzeit gerne zur Verfügung.