Kartellrecht

Fusionskontrolle im Krankenhausbereich erheblich eingeschränkt

Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG), mit dem die Gesundheitsversorgung in Krankenhäusern für die Zukunft gerüstet werden soll, ist mit dem Jahreswechsel in Kraft getreten. Sehr spät im Gesetzgebungsprozess ist eine Änderung des GWB hinzugekommen, die möglicherweise weitreichende Folgen für Transaktionen im Krankenhaussektor hat.

Die Neuregelung in § 187 Abs. 10 GWB sieht eine Ausnahme von der Fusionskontrolle für Zusammenschlüsse von Krankenhäusern vor. Solche Zusammenschlüsse sollen künftig vorrangig von den für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden anhand gesundheitspolitischer Erwägungen geprüft werden. Das Wettbewerbsrecht tritt in den Hintergrund.  

Neuregelung in § 187 Abs. 10 GWB

§ 187 Abs. 10 GWB sieht vor, dass die Fusionskontrolle keine Anwendung auf einen Zusammenschluss im Krankenhausbereich findet, wenn

  • der Zusammenschluss eine standortübergreifende Konzentration von mehreren Krankenhäusern oder einzelnen Fachrichtungen zum Gegenstand hat, 
  • die für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden der Bundesländer schriftlich bestätigen, dass (i) sie den Zusammenschluss zur Verbesserung der Krankenhausversorgung für erforderlich halten, und (ii) dem Zusammenschluss nach vorliegenden Erkenntnissen keine anderen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften entgegenstehen, und
  • der Zusammenschluss bis zum 31. Dezember 2030 vollzogen wird. 

Auch das Verfahren wird in § 187 Abs. 10 GWB in den Sätzen 2 ff. festgelegt. Anträge auf schriftliche Bestätigung müssen von den zuständigen Landesbehörden unverzüglich auf deren Internetseiten unter Nennung der Zusammenschlussbeteiligten veröffentlicht werden. Vor einer schriftlichen Bestätigung setzen sich die Landesbehörden mit dem Bundeskartellamt ins Benehmen. Die Landesbehörden dürfen erst nach Ablauf eines Monats ab Veröffentlichung über den Antrag entscheiden. Eine Anmeldung beim Bundeskartellamt ist erst zulässig, wenn der Antrag auf schriftliche Bestätigung abgelehnt oder nicht innerhalb von zwei Monaten beschieden wurde. 

Gleiss Lutz kommentiert

Der neu eingefügte § 187 Abs. 10 GWB ist eine Ausnahmeregelung, die möglicherweise viele Zusammenschlüsse im Krankenhaussektor bis zum 31. Dezember 2030 dem Zuständigkeitsbereich des Bundeskartellamts entzieht. 

  • Die Regelung gilt für Zusammenschlüsse, die eine standortübergreifende Konzentration von mehreren Krankenhäusern oder einzelnen Fachrichtungen sind. Der Begriff der „standortübergreifenden Konzentration“ ist in der gesetzlichen Regelung selbst nicht definiert. Er wurde offensichtlich aus § 187 Abs. 9 GWB übernommen, der sich auf Vorhaben bezieht, die aus dem Krankenhausstrukturfonds gefördert werden. Daraus lässt sich wohl ableiten, dass jedenfalls „Aus-zwei-mach-eins Szenarien“ darunterfallen, in denen ein Standort schließt oder an einen anderen Standort umzieht. Darin liegt auch ein wesentlicher Zweck des KHVVG, das im Interesse der Qualitätssteigerung die Konzentration von Leistungen fördern will. Die Gesetzesbegründung für die Neuregelung in Abs. 10 (BT-Drucks. 20/13407, S. 315) scheint aber von einem weiteren Anwendungsbereich auszugehen. Es sollen Zusammenschlüsse von Krankenhäusern privilegiert werden: „Die Vorschrift überträgt die Bewilligung eines Zusammenschlusses von Krankenhäusern auf die zuständigen Landesplanungsbehörden, um Zusammenschlüsse vorrangig anhand von gesundheitspolitischen Erwägungen billigen zu können. Nur für den Fall, dass eine Bescheinigung nicht erfolgt, ist ein Antrag auf Freigabe eines Zusammenschlusses beim Bundeskartellamt als weitere Option möglich.“ Fraglich ist damit, ob auch Zusammenschlüsse von Krankenhäusern ohne eine Zusammenlegung von Standorten von der Zusammenschlusskontrolle ausgenommen sind sowie, ob die Ausnahme einen Zusammenschluss als Ganzes schon dann erfasst, wenn nur einzelne wenige Fachrichtungen zweier Krankenhäuser standortübergreifend zusammengelegt werden? Auch stellt sich die Frage, ob für § 187 Abs. 10 GWB der gleiche Standard wie für § 187 Abs. 9 GWB gilt?
  • Daraus folgt eine Unsicherheit im Hinblick auf die zuständige Behörde und das anwendbare Recht, falls ein Zusammenschluss nicht eindeutig eine „standortübergreifende Konzentration“ ist. Nach der Gesetzesbegründung ist die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde vorrangig zuständig, so dass wohl zunächst dort ein Antrag zu stellen ist. Wenn die Landesbehörde allerdings im Laufe des Verfahrens zu dem Ergebnis gelangt, dass der Zusammenschluss keine standortübergreifende Konzentration ist, dann muss eine Anmeldung zum Bundeskartellamt erfolgen. Das kostet Zeit. Alternativ kann ein Beteiligter überlegen, parallel zu dem Antrag bei der Landesbehörde auf das Bundeskartellamt zuzugehen, um Zeit zu sparen. Solch parallele Verfahren sind nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 20/13407, S. 315) aber gerade nicht gewollt. Zu befürchten ist außerdem, dass es zu verschiedenen Auslegungen der verschiedenen Landesbehörden bzw. des Bundeskartellamts kommen könnte. Noch komplexer (und ggf. zeitaufwändiger) wird der Prozess, wenn die beiden Krankenhausstandorte, um die es geht, auf zwei Bundesländer verteilt sind.
  • Für eine schriftliche Bestätigung der Landesbehörden genügt es, dass die Landesbehörden den Zusammenschluss zur Verbesserung der Krankenhausversorgung für „erforderlich halten“. Nach der Gesetzesbegründung kann dies „etwa“ mit Blick auf die Ziele des KHVVG begründet werden. Es sind aber auch andere Gründe zulässig. Die Landesbehörden bestätigen außerdem, dass dem Zusammenschluss nach vorliegenden Erkenntnissen keine anderen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Hier scheint keine umfassende Untersuchung nötig oder gewünscht zu sein, da der Gesetzgeber auf die „vorliegenden Erkenntnisse“ abstellt. Verfahrensmäßig setzen sich die Landesbehörden für die wettbewerblichen Aspekte eines Zusammenschlusses zwar mit dem Bundeskartellamt „ins Benehmen“. Nach der Gesetzesbegründung sollen die Landesbehörden dadurch die Erkenntnisse nutzen können, über die das Bundeskartellamt bereits verfügt. Eigene Ermittlungen anstellen oder Informationen einholen soll das Bundeskartellamt dafür jedoch nicht. Dem Bundeskartellamt werden also die Hände gebunden und die Landesbehörden sollen auf unvollständiger Tatsachengrundlage entscheiden. Auch diese Verfahrensregelungen zeigen, dass der Gesetzgeber den gesundheitspolitischen Erwägungen klaren Vorrang vor wettbewerbsrechtlichen Erwägungen einräumt.  
  • Es empfiehlt sich, in dem Antrag auf schriftliche Bestätigung darzulegen, dass der Zusammenschluss den Zielen der Krankenhausreform nach dem KHVVG entspricht und den (damit vereinbaren) Zielen der Landeskrankenhausplanung nicht zuwiderläuft bzw. inwiefern er vorteilhaft für die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit stationären Behandlungsleistungen im Land ist, was Ziel der Landeskrankenhausgesetze ist.
  • Der Antrag wird auf der Internetseite der zuständigen Landesbehörde veröffentlicht. Nach dem Gesetzeswortlaut erfordert das nicht zwingend die Veröffentlichung des gesamten Antrags mit Begründung. Ein Hinweis auf den Antrag und die beteiligten Krankenhäuser und Unternehmen – analog zur Veröffentlichung der Liste der beim Bundeskartellamt angemeldeten Zusammenschlussvorhaben – würde dieses Erfordernis wohl erfüllen. Das Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen hat jedoch bereits zwei Anträge vollständig veröffentlicht. Bei der Gestaltung der Antragstellung ist im Hinblick auf die mögliche Veröffentlichung dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Rechnung zu tragen.
  • Falls die Landesbehörde bei einem Antrag auf schriftliche Bestätigung zwei Monate untätig bleibt, darf der Zusammenschluss beim Bundeskartellamt angemeldet werden. Fraglich ist, was gilt, wenn die Landesbehörde später die schriftliche Bestätigung erteilt. Nach dem Gesetzeswortlaut verliert das Bundeskartellamt dann seine Zuständigkeit, da die Fusionskontrolle nicht mehr anwendbar ist. 
  • Gesetzlich nicht geregelt und zu klären sein wird, ob die schriftliche Bestätigung der Landesbehörde im Klageweg erstritten werden kann. Es spricht einiges dafür, dass diese Bestätigung ein Verwaltungsakt ist, der justiziabel ist. Gegen die Justiziabilität spricht allerdings, dass die Bestätigung nach der Gesetzesbegründung von „gesundheitspolitischen Erwägungen“ abhängig sein soll und nach Ablauf von zwei Monaten eine Anmeldung beim Bundeskartellamt zulässig wird. 

Es wird sich zeigen, wie die neue Regelung von den verschiedenen Landesbehörden ausgelegt werden wird und wie sich die Abstimmung zwischen Landesbehörden und Bundeskartellamt gestaltet. Davon wird wesentlich abhängen, wie weitgehend die Ausnahmeregelung wirklich ist. 

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