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EU-Lieferkettengesetz: Berichterstatterin Lara Wolters schlägt deutliche Verschärfungen vor

Die Bühne für harte Verhandlungen um das europäische Lieferkettengesetz ist eröffnet: Die niederländische Berichterstatterin Lara Wolters legte am 8. November 2022 ihren Berichtsentwurf zum EU-Lieferkettengesetz vor, der deutlich ambitionierter als der Vorschlag der Europäischen Kommission von Februar dieses Jahres ausfällt.

 

Betroffene Regelungen

Der Bericht sieht insbesondere Verschärfungen für folgende Themen vor:

  • Adressatenkreis: Größe der Unternehmen
  • Definition der Hochrisikobranchen
  • Anwendungsbereich: Wertschöpfungskette
  • Definition von Geschäftsbeziehungen
  • Haftungsfragen auf Ebene der Unternehmensführung
  • Verstärkter Schutz für das Klima
  • Zugang zur Justiz

 

Erweiterung des Adressatenkreises

Wolters schlägt vor, den Adressatenkreis des Gesetzes generell auf Unternehmen ab 250 Mitarbeitern und EUR 40 Mio. Jahresumsatz zu erweitern. Ebenso sollen börsennotierte Unternehmen unter das Gesetz fallen. Eine Verschärfung ist auch für den Adressatenkreis der Hochrisikobranchen vorgesehen, wo Unternehmen schon ab 50 Mitarbeitern und EUR 8 Mio. Jahresumsatz unter das EU-Lieferkettengesetz fallen sollen, sobald 30 % ihrer Firmenaktivitäten in derartigen Branchen stattfinden.

Zum Vergleich: Die Kommission definiert den Anwendungsbereich bisher für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern und mit einem Jahresumsatz von EUR 150 Mio.; Unternehmen der Hochrisikobranche sind dagegen ab 250 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von EUR 40 Mio. umfasst, sobald 50 % ihrer Firmenaktivitäten solche Branchen betreffen.

 

Hochrisikobranchen

Gleichzeitig sieht der Bericht einen erweiterten Katalog von Hochrisikobranchen vor, durch die sich der Adressatenkreis nochmals deutlich vergrößern würde. Während die Kommission bisher Landwirtschaft, Textilindustrie und Mineralien als Hochrisikobranchen definiert, sollen nach Wolters auch Energie, Bau, finanzielle Dienstleistungen und Informationstechnologien hierunter fallen.

 

Gesamte Wertschöpfungskette statt nur Upstream

Eine weitere Ausdehnung des Anwendungsbereichs soll durch die Verwendung des Begriffs der „Wertschöpfungskette“ hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs erfolgen. Das hätte zur Folge, dass sowohl Upstream als auch Downstream vom EU-Lieferkettengesetz umfasst wären. Zur Einordnung: Im deutschen LkSG ist bisher nur die Upstream-Industrie, d.h. die Rohstoffgewinnung, die Produktion und der Handel erfasst. Da der Rat und insbesondere auch die deutsche Bundesregierung den Standpunkt vertreten, der sachliche Anwendungsbereich solle sich auf „Lieferketten“ – und damit ebenfalls nur auf die Upstream Industrie – beziehen, liegt es auf der Hand, dass es über diesen Wortlaut noch intensive Diskussionen geben wird.

 

Geschäftsbeziehungen

Während der Kommissionsentwurf die Sorgfaltspflicht entlang der Lieferkette für etablierte Geschäftsbeziehungen regeln will, sieht Wolters Bericht die Pflichten für alle Geschäftsbeziehungen entlang der Wertschöpfungskette vor, ohne dass eine gewisse „Etablierung“ und damit eine relevante „Dauerhaftigkeit“ Vorliegen müsste. Dies würde den sachlichen Anwendungsbereich nochmals erweitern. So soll verhindert werden, dass Branchen wie beispielsweise die Textilindustrie, in welcher Zuliefererbeziehungen oft schnell wechseln, nicht zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten verpflichtet sind.

In diesem Kontext soll zudem eine Regel zu gerechten Vertragsbestimmungen verhindern, dass die Umsetzung der gesetzlichen Pflichten auf schwache Vertragsparteien am Anfang der Wertschöpfungskette abgewälzt wird. Entsprechend sollen die Unternehmen sicherstellen, dass Geschäftspartner die gesetzlichen Sorgfaltspflichten einhalten und vor allem überhaupt in der Lage sind, diese einzuhalten. Im worst case hat das Unternehmen den Geschäftspartnern technische und finanzielle Hilfe zu leisten. Über die Einhaltung dieser Pflicht hat das Unternehmen einen Nachweis zu führen. Durch diese Pflicht zur Ermöglichung der Einhaltung von Sorgfaltspflichten soll verhindert werden, dass kleine Unternehmen am Anfang der Lieferkette, den administrativen Aufwand und finanzielle Belastungen nicht tragen können und so aufgrund des Gesetzes vom Markt gedrängt werden.

 

Kopplung der Vergütung der Unternehmensführung an Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen

Die von der Kommission momentan vorgesehene Pflicht der Unternehmensleitung, Pläne zu erstellen, inwiefern im Unternehmen das 1,5 Grad Ziel des Pariser Abkommens oder die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft verfolgt werden, soll ebenfalls verschärft werden. Wolters fordert hier einen präziseren Wortlaut, nach welchem die Pläne der Unternehmensleitung Maßnahmen umfassen müssen, welche das Unternehmen gegen den Klimawandel vorsieht und wie es seine Treibhausgasemissionen verringern will. Hiervon, insbesondere von Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgase, soll auch ein Großteil der Vergütung der Unternehmensleitung abhängen. Im Rat stößt diese Idee allerdings kaum auf Unterstützer, sodass eine Kopplung der Bezüge der Unternehmensführung an die Umsetzung dieser Pflichten derzeit wenig realistisch erscheint.

 

Verstärkter Schutz für das Klima

Verschärfungen sollen auch im Bereich des Umweltschutzes vorgenommen werden. Hinsichtlich des Umweltschutzes sind von dem Vorschlag der Kommission bisher tatsächliche oder mögliche negative Einflüsse auf die Umwelt umfasst. Wolters will den Umweltschutz weiter verstehen und um Pflichten hinsichtlich der Abschwächung des Klimawandels und Adaptionsmaßnahmen ergänzt wissen. Außerdem sind nachteilige Umweltschäden in ihrem Bericht präziser definiert. So sollen neben der Verletzung eines der Verbote der im Anhang aufgeführten internationalen Umweltübereinkommen auch eine Beeinträchtigung bestimmter Umweltkategorien erfasst sein. Jede nachteilige Auswirkung in den Bereichen Luft, Wasser, Boden, Artenvielfalt und Tierschutz, Klima oder dem Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft soll künftig eine Umweltbeeinträchtigung darstellen können. In diesem Zusammenhang sieht der Bericht Abhilfemaßnahmen wie finanzielle Entschädigungen oder Rehabilitierungsmaßnahmen vor, die Unternehmen ergreifen sollen, um negative Folgen zu kompensieren. Wolters geht damit auf entsprechende Forderungen von NGOs ein.

 

Zugang zur Justiz

Betroffenen von menschenrechts- oder umweltbezogenen Sorgfaltspflichtverletzungen soll es nach Wolters möglich sein, vor den europäischen Gerichten gegen verantwortliche Unternehmen vorzugehen. Wolters sieht hierbei Beweislasterleichterungen zugunsten der Betroffenen vor. Diese müssen die Verletzung durch die Unternehmen nicht nachweisen, sondern lediglich Punkte vorbringen, die auf die Verantwortung des Unternehmens hinweisen, woraufhin das Unternehmen Entlastungsbeweise anführen müsste. Es ist davon auszugehen, dass auch dieser Punkt hart verhandelt werden wird, denn im Parlament existieren viele Stimmen, die sich für eine sog. Safe-Harbour Klausel aussprechen und auch die deutsche Regierung wird sich voraussichtlich gegen eine weitreichende Möglichkeit von Klagen gegen Unternehmen aussprechen. Mittels einer Safe-Harbour Klausel könnten Unternehmen eine Haftung verhindern, indem sie bestimme Kriterien einer Art Checkliste erfüllen.

 

Fazit

Die deutlichen Verschärfungsvorschläge der Berichterstatterin Lara Wolters legen einen intensiven Austausch sowohl in der Positionsfindung des Europäischen Parlaments als auch im Trilog nahe, in dem Parlament, Rat und Kommission die Möglichkeit eines Kompromisses ausloten werden. Schon einige von der Kommission vorgeschlagene Regeln stoßen im Rat auf Gegenwind, der sich durch die geforderten Verschärfungen wohl kaum legen wird. Einige Mitgliedstaaten fordern beispielsweise, dass finanzielle Dienstleistungen gar nicht, mithin auch nicht in abgeschwächter Form, wie von der Kommission vorgesehen, vom EU-Lieferkettengesetz umfasst sein sollen. Vonseiten der Wirtschaft kritisierte beispielsweise der Bundesverband der Deutschen Industrie bereits den Kommissionsvorschlag in seinem sachlichen Anwendungsbereich als realitätsfern, sodass die Erweiterung auf die Wertschöpfungskette wohl gleichfalls auf deutlichen Widerstand stoßen wird. Insbesondere bezüglich der Themen Adressatenkreis, sachlicher Anwendungsbereich und Haftung der Unternehmen ist daher mit intensiven Auseinandersetzungen zu rechnen.

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