Immobilienrecht

„Ende der Diskussion“ oder „Alles auf Anfang“? – Zum geplanten Wegfall des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat am 11. Januar 2024 den Referentenentwurf eines Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV-Entwurf) veröffentlicht. Dieser sieht eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen vor, die neben anderen Zwecken auch dem Ausbau der Digitalisierung im Rechtswesen dienen sollen. Jenes Ziel soll unter anderem durch die Aufhebung oder Abmilderung gesetzlicher Formerfordernisse erreicht werden. Dabei soll künftig auch das für Gewerbemietverträge bislang bestehende Schriftformerfordernis ersatzlos entfallen.

Schriftformanforderungen im Gewerbemietrecht

Gewerbemietverträge (und über § 581 Abs. 2 BGB auch Pachtverträge) unterliegen, wenn sie für einen bestimmten Zeitraum von mehr als einem Jahr geschlossen werden, gemäß §§ 550, 578, 126 BGB einem gesetzlichen Schriftformerfordernis. Hintergrund hierfür ist die Regelung des § 566 BGB, nach welcher derjenige, der vermieteten Grundbesitz erwirbt, die bestehenden Verträge als neuer Vermieter übernimmt. 

Zu der Frage, welche konkreten Anforderungen an die Vertragsgestaltung sich aus dem Schriftformerfordernis ableiten lassen, existiert eine kaum überschaubare Fülle gerichtlicher Entscheidungen. Auch wenn Detailfragen weiter umstritten sind, lässt sich im Grundsatz festhalten, dass zur Wahrung der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform die wesentlichen vertraglichen Vereinbarungen – und damit insbesondere jene über die Vertragsparteien, den Mietgegenstand, die Mietdauer sowie Miethöhe – in einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde niedergelegt sein müssen. Ergibt sich der Vertragsinhalt aus dem Zusammenspiel mehrerer Urkunden (etwa dem Vertrag sowie dessen Anlagen), genügt es, wenn ein potentieller Erwerber durch hinreichend klare Bezugnahme Inhalt und Umfang der auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten ermitteln kann.

Liegt ein Verstoß gegen das gesetzliche Schriftformerfordernis vor, gilt der betroffene Mietvertrag für unbestimmte Zeit geschlossen (§ 550 Satz 1 BGB). Er kann in der Folge – ungeachtet der vertraglich vereinbarten Laufzeit – nach Maßgabe der gesetzlichen Fristen, bei Verträgen über Geschäftsräume mithin spätestens am dritten Werktag eines Quartals zum Ablauf des nächsten Quartals, gekündigt werden (§§ 542 Abs. 1, 580a BGB), frühestens jedoch zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung (§ 550 Satz 2 BGB). In der Praxis werden Formverstöße jedoch nicht ausschließlich zum Anlass einer Vertragskündigung genommen, sondern dienen vielfach auch dazu, vertragliche Vereinbarungen zugunsten einer Partei zu modifizieren.

Geplante Änderungen

Art. 13 Ziffer 7 BEG IV-Entwurf sieht die Streichung des Verweises auf § 550 BGB in § 578 Abs. 1 BGB vor, der im Zusammenspiel mit den weiteren Absätzen der Regelung normiert, welche Vorschriften des Wohnraummietrechts auf Mietverhältnisse über Grundstücke und Räume, die keine Wohnräume sind, Anwendung finden. In der Folge würden der Abschluss, die Änderung, die Ergänzung sowie die Aufhebung von Gewerbemietverträgen künftig nicht länger gesetzlichen Formanforderungen unterliegen und daher etwa auch dann wirksam sein, wenn sie elektronisch oder mündlich erfolgen. 

Flankiert wird jener Änderungsvorschlag durch die geplante Aufnahme entsprechender Übergangsvorschriften im EGBGB. Insofern sieht Art. 14 Ziffer 1 BEG IV-Entwurf vor, dass auf vor Inkrafttreten des BEG IV geschlossene Mietverträge die bisherige Rechtslage noch ein Jahr lang anzuwenden ist. Hingegen soll jene Übergangsfrist nicht für Änderungen und Ergänzungen von Altverträgen gelten. Folglich würde während des ersten Jahres nach Inkrafttreten des BEG IV für bereits bestehende Verträge einerseits und neu geschlossene bzw. geänderte Verträge andererseits ein unterschiedliches Regelungsregime gelten: 

  • Vor dem Inkrafttreten des BEG IV geschlossene Mietverträge würden für einen Übergangszeitraum von einem Jahr weiterhin dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB unterliegen.
  • Für nach dem Inkrafttreten des BEG IV geschlossene Verträge würde das Schriftformerfordernis demgegenüber nicht länger zur Anwendung kommen.
  • Auch für Änderungs- und Ergänzungsvereinbarungen zu vor dem Inkrafttreten geschlossenen Mietverträgen würde das bislang bestehende Schriftformerfordernis nicht länger gelten, wobei ein im ersten Jahr nach dem Inkrafttreten geschlossener Nachtrag den gesamten Mietvertrag vom Formerfordernis befreien würde. 

Hintergrund und Einordnung der geplanten Novellierung

Der Begründung des Referentenentwurfs lässt sich entnehmen, dass die nunmehr geplanten Änderungen der Vermeidung der bislang verbreiteten „Medienbrüche in digitalisierten Prozessen“ dienen und mit ihnen zugleich die durch die Rechtsprechung eröffnete Befugnis der ursprünglichen Vertragsparteien, sich unter Hinweis auf Schriftformdefizite vorzeitig vom Mietvertrag zu lösen, unterbunden werden soll. Zudem verknüpft das BMJ mit den vorgeschlagenen Maßnahmen die Hoffnung, dass diese zu einer signifikanten Aufwands- und Kostenentlastung bei Bevölkerung, Wirtschaft und Verwaltung führen, wobei das Einsparpotential bezogen auf das gesamte Maßnahmenpaket des BEG IV-Entwurfs auf insgesamt rund 700 Millionen Euro beziffert wird. Schließlich sollen die Novellierungen der Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele gemäß der Resolution der UN-Generalversammlung vom 25. September 2015 dienen.

Ungeachtet des im BEG IV-Entwurf vorgesehenen Wegfalls des Schriftformerfordernisses geht der Referentenentwurf gleichwohl davon aus, dass Erwerber gewerblich vermieteter Grundstücke auch zukünftig hinreichend geschützt bleiben, da anzunehmen sei, dass ein Großteil der Gewerbemietverträge auch weiterhin schriftlich oder zumindest in Textform geschlossen wird und potentielle Käufer jedenfalls bei größeren Transaktionen eine Due Diligence-Prüfung durchführen werden. Zudem wird darauf hingewiesen, dass sich Erwerber auch im Rahmen der weiterhin zwingend zu beurkundenden Grundstückskaufverträge (§ 311b BGB) durch die Aufnahme von Garantien und Gewährleistungen hinreichend absichern könnten und ihnen unter Umständen Schadensersatzansprüche gegenüber dem jeweiligen Veräußerer zustünden. 

Wenngleich aus steuerlichen Gründen, zu Beweis- bzw. Dokumentationszwecken und ferner zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Verwaltung davon auszugehen ist, dass gewerbliche Mietverträge (jedenfalls dann, wenn es sich nicht um völlig unbedeutende Flächen wie einzelne Lagerräume oder Stellplätze handelt) auch künftig verbreitet zumindest in Textform abgefasst werden, ist dies jedoch keinesfalls zwingend. Auch unter der derzeitigen Geltung des strengen Schriftformerfordernisses gemäß § 550 BGB gibt es regelmäßig Änderungs- und Ergänzungsvereinbarungen zu schriftformrelevanten Aspekten, die weder schriftlich noch anderweitig fixiert sind. Der Hinweis im Referentenentwurf, dass eine schriftliche Abfassung von Verträgen auch in anderen Rechtsgebieten auftrete, in denen der Vertragsschluss grundsätzlich auch formfrei möglich wäre, verfängt daher kaum, da nie ausgeschlossen werden kann, dass neben den schriftlich oder anderweitig fixierten Abreden noch weitere vertragliche Vereinbarungen getroffen wurden. In der Folge würde sich ein potentieller Immobilienerwerber künftig stärker dem Risiko unbekannter bzw. nicht verlässlich ermittelbarer Vertragsinhalte gegenübersehen.

Zwar steht zu erwarten, dass die Parteien Mietverträge künftig vielfach einem vertraglichen Schriftformerfordernis unterwerfen werden. In einem solchen Fall stellen sich indes zahlreiche, nur im Einzelfall und häufig auch nur schwer zu beantwortende Folgefragen. So ist etwa zunächst zu klären, ob ein vertraglich vereinbartes Schriftformerfordernis (anders als das derzeitige gesetzliche, das sich nach ständiger Rechtsprechung lediglich auf die wesentlichen Vertragsinhalte bezieht) auch sämtliche Nebenabreden erfassen soll. Wäre dies der Fall, würde für die Parteien damit letztlich ein – inhaltlich – deutlich strengeres Formregime gelten als bisher unter der Ägide des § 550 BGB, wenngleich die Einhaltung formal aufgrund der Regelung des § 127 Abs. 2 BGB leichter zu gewährleisten wäre. Zudem muss ermittelt werden, ob das vertragliche Formerfordernis nicht zwischenzeitlich aufgehoben wurde, was – sofern die Parteien keine doppelte Schriftformklausel vereinbart haben – grundsätzlich auch formfrei und sogar stillschweigend möglich ist. Darüber hinaus steht es den Parteien offen, in Abweichung von § 125 Satz 2 BGB, der im Fall eines Formverstoßes im Zweifel die Nichtigkeit des betroffenen Rechtsgeschäfts vorsieht, ein eigenes, vertragsspezifisches Rechtsfolgenregime zu vereinbaren. Jene Überlegungen sind zudem eingebettet in die Frage, ob es sich bei den betroffenen Regelungen um Individualvereinbarungen oder Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt – eine Unterscheidung, die für die Zulässigkeit der von den Parteien getroffenen Abreden im Einzelfall ebenfalls von Bedeutung sein kann. Es steht damit zu erwarten, dass die Bandbreite der in der Praxis begegnenden Vertragsgestaltungen künftig recht groß sein wird und sich die Gerichte weniger mit der Frage, ob tatsächlich ein Schriftformverstoß gegeben ist, als vielmehr der Wirksamkeit der vertraglichen Abreden befassen werden. Damit dürfte auch Beweisfragen zukünftig eine deutlich größere Bedeutung zukommen – etwa dann, wenn ein lediglich mündlich geschlossener Mietvertrag, an dessen Abschluss die derzeitigen Parteien noch nicht beteiligt waren, geändert werden soll.

Auch die vorgeschlagene Ausgestaltung der Übergangsvorschriften wirft zahlreiche Fragen auf. Nach dem Referentenentwurf sollen Kündigungen, die darauf beruhen, dass ein Mietvertrag aufgrund eines Schriftformmangels als für unbestimmte Zeit geschlossen gilt, lediglich während eines Zeitraums von einem Jahr nach Inkrafttreten des BEG IV zulässig sein. Zur Begründung heißt es, dass nach Ablauf jener Übergangsfrist davon ausgegangen werden könne, dass den Parteien die veränderten Rechtsfolgen eines nicht schriftlich geschlossenen Vertrages bekannt sind und sie hinreichend Zeit hatten, sich auf die geänderte Rechtslage einzustellen. Demgegenüber sei ein dauerhaftes Abstellen auf die bei Vertragsschluss geltenden Rechtsfolgen nicht sachgerecht, da in diesem Fall der Zustand der Rechtsunsicherheit unter Umständen noch über Jahrzehnte anhalten würde. Die kurze Übergangsfrist erfordert damit de facto eine möglichst umgehende Prüfung aller Bestandsverträge im Hinblick auf das Vorliegen von Schriftformmängeln, da der künftig drohende Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit nur ein kleines Zeitfenster offenlässt, während dessen noch die Möglichkeit besteht, sich unter Hinweis auf das Vorliegen eines Schriftformdefizits vorzeitig vom Vertrag zu lösen. Damit steht indes zu erwarten, dass die Novellierung, sollte sie wie vorgeschlagen umgesetzt werden, vielfach zum Anlass genommen werden dürfte, letztmalig auf das Vorliegen echter – oder auch nur vermeintlicher – Schriftformverstöße hinzuweisen, um in Verhandlungen über für die jeweilige Partei vorteilhafte Vertragsanpassungen einzutreten, bevor es „zu spät“ ist.

Auch im Fall der bloßen Änderung oder Ergänzung bestehender Mietverhältnisse nach Inkrafttreten des BEG IV soll es nach Auffassung des BMJ den Parteien zumutbar sein, sich mit den geänderten Vorschriften zu befassen mit der Folge, dass eine Übergangsvorschrift entbehrlich ist. Dies bedeutet, dass ab dem Zeitpunkt der Vertragsergänzung bzw. -änderung die neue Rechtslage auf den gesamten Vertrag und damit auch auf vor Inkrafttreten des BEG IV getroffene Abreden Anwendung findet, sodass es nicht länger darauf ankommt, ob der ursprüngliche Mietvertrag (sowie etwaige vorangegangene Nachträge) die Schriftform wahren. Dies führt zu der auf den ersten Blick erstaunlichen Konsequenz, dass die Heilung eines Schriftformverstoßes während des einjährigen Übergangszeitraums auch durch den Abschluss eines nicht schriftlich gefassten Nachtrags möglich wäre. Damit könnte letztlich mit jeder elektronisch, mündlich, konkludent oder anderweitig nicht schriftlich gefassten Neben- oder Zusatzvereinbarung die Heilung eines Schriftformverstoßes bewirkt werden, sodass es während des Übergangszeitraums besonders schwierig sein dürfte nachzuweisen, ob der betroffene Vertrag noch dem Schriftformgebot des § 550 BGB unterliegt bzw. seit wann er bereits vom Formerfordernis befreit ist.

Fazit

Der Entwurf des BEG IV weist zu Recht darauf hin, dass es sich um eine durchaus fragwürdige Entwicklung handelt, wenn Schriftformfehler regelmäßig zum Anlass genommen werden, um die vertraglichen Abreden zugunsten einer Partei zu verschieben oder sich gleich ganz von Mietverträgen zu lösen, die aus anderen Gründen unliebsam geworden sind. In der Praxis werden Schriftformverstöße aber häufig gerade zu diesen Zwecken gesucht mit der Folge, dass das Schriftformerfordernis viel von seinem ursprünglichen Regelungszweck verloren hat, wenngleich darauf hinzuweisen ist, dass die jüngste BGH-Rechtsprechung zur Unwirksamkeit von Schriftformheilungsklauseln auch im Verhältnis der ursprünglichen Parteien einen nicht unerheblichen Beitrag hierzu geleistet hat. Vor diesem Hintergrund ist der Vorschlag einer vollständigen Streichung des Schriftformerfordernisses gemäß § 550 BGB, der deutlich über die in der Vergangenheit durch den Bundesrat sowie das BMJ gemachten Reformvorschläge hinausgeht, im Ergebnis zwar klar zu begrüßen. 

Ob dieser der geschilderten Entwicklung allerdings wirksam entgegenwirken kann und zudem zu einer spürbaren Entbürokratisierung beitragen wird, muss sich in der Praxis erst noch zeigen. Zwar würde die nunmehr vorgeschlagene ersatzlose Streichung des gesetzlichen Formerfordernisses die formalen Anforderungen an Gewerbemietverträge erheblich senken. Allerdings geht das BMJ selbst davon aus, dass sich die Parteien zukünftig vielfach einem vertraglichen Schrift- oder jedenfalls Textformgebot unterwerfen werden, was – wie aufgezeigt – zu diversen Folgefragen führt. Daher dürfte in der Praxis künftig eine große Bandbreite möglicher Vertragsgestaltungen mit spezifischen Anforderungen und Rechtsfolgen auftreten, sodass zu erwarten ist, dass die Diskussion um Form-, aber vor allem auch Sachverhaltsfragen im Gewerbemieterecht auch weiterhin von Bedeutung bleibt.

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