Als Reaktion auf den anhaltenden Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat die EU am 16. Dezember 2022 die Wirtschaftssanktionen gegen Russland erneut verschärft. Das nunmehr neunte Sanktionspaket folgt auf das Sanktionspaket vom 6. Oktober 2022 (Beitrag vom 10. Oktober 2022) sowie auf die Sanktionspakete vom 21. Juli 2022 (Beitrag vom 28. Juli 2022), vom 3./4. Juni 2022 (Beitrag vom 9. Juni 2022), vom 9. April 2022 (Beitrag vom 12. April 2022), vom 16. März 2022 (Beitrag vom 18. März 2022), vom 28. Februar / 2. März 2022 (Beitrag vom 7. März 2022) und vom 24. und 26. Februar 2022 (Beitrag vom 28. Februar 2022).
Mit dem neunten Sanktionspaket will die EU weiterhin die Wirtschaft und alle Personen, die am Krieg mitwirken, in den Fokus nehmen. Zu diesem Zweck hat die EU eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, darunter neben weiteren personenbezogenen Sanktionen insbesondere neue Ausfuhrkontrollen und -beschränkungen, weitere Maßnahmen gegen Banken und Medien sowie die Ausweitung des Verbots von Beratungsdienstleistungen und von Investitionen im Energie- und Bergbausektor.
In ihrem neunten Sanktionspaket (Verordnung (EU) 2022/2474, Verordnung (EU) 2022/2475 sowie Durchführungsverordnung (EU) 2022/2476) nimmt die EU weitere Verschärfungen und Anpassungen vor allem der Russland-Embargoverordnungen vor. Dies betrifft insbesondere die personenbezogenen Sanktionen in der Verordnung (EU) 269/2014 und die finanz- und handelsbezogenen Sanktionen in der Verordnung (EU) 833/2014.
Personenbezogene Sanktionen
Die EU hat die personenbezogenen Sanktionen im Vergleich zum Stand vom 6. Oktober 2022 um weitere 141 Personen und 49 Organisationen ausgedehnt, sodass derzeit über 1500 Personen und Organisationen betroffen sind. Durch die Verordnung (EU) Nr. 269/2014 werden Gelder und wirtschaftliche Ressourcen, die im Eigentum oder Besitz der in Anhang I aufgeführten Personen und Organisationen sind, eingefroren. Ferner dürfen diesen Personen und Organisationen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen.
- Im neunten Sanktionspaket wurde die Liste im Anhang I der Verordnung (EU) 269/2014 um zusätzliche Personen aus der russischen Politik und Verwaltung erweitert, insbesondere auch um Verantwortliche für verschiedene Geschehnisse im Zusammenhang mit der Ukraine sowie um Familienangehörige bereits gelisteter Personen. Weiterhin sind etwa die Banken Credit Bank of Moscow und JSC Dalnevostochniy neu gelistet, sowie mehrere Organisationen aus dem russischen Verteidigungs-, Industrie- und Mediensektor.
- Laufende Verkäufe oder Übertragungen nach Art. 6b Abs. 2b und c Verordnung (EU) Nr. 269/2014, welche die Freigabe von Geldern und wirtschaftlicher Ressourcen im Wege der Ausnahmegenehmigung ermöglichen, können nun bis zum 17. Juni 2023 statt wie bisher zum 31. Oktober 2022 abgeschlossen werden. Diese Freigabemöglichkeit wurde – ebenso wie die Ausnahmen nach Art. 6e im Hinblick auf landwirtschaftliche Erzeugnisse – auch auf die neu gelisteten Banken Credit Bank of Moscow und die JSC Dalnevostochniy erweitert. Dies hat aber nicht zur Folge, dass Veräußerungen rückwirkend gültig werden, die nicht den erforderlichen Anforderungen nach dieser Verordnung entsprechen. Die Frist im Rahmen der Ausnahmegenehmigungen nach Art. 6b Abs. 3 Verordnung (EU) Nr. 269/2014 wurde vom 31. Dezember 2022 bis zum 28. Februar 2023 verlängert.
Finanz- und handelsbezogene Sanktionen
Auch im Bereich der finanz- und handelsbezogenen Sanktionen hat die EU erneut Ausweitungen und Verschärfungen beschlossen:
- Vor allem die Exportbeschränkungen für Güter und Technologien, die zur militärischen und technologischen Stärkung der Russischen Föderation oder zur Entwicklung ihres Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen könnten (Anhang VII der Verordnung (EU) 833/2014)) werden erweitert. Zudem wird die Liste der Einrichtungen, die mit dem militärisch-industriellen Komplex Russlands in Verbindung stehen (Anhang IV der Verordnung (EU) 833/2014)) um weitere 168 Einrichtungen, erweitert. Um eine Umgehung der Sanktionen zu vermeiden, werden auch einige von Russland kontrollierte Organisationen mit Sitz auf der rechtswidrig annektierten Krim oder in Sewastopol in die Liste aufgenommen.
- Das Verbot neuer Investitionen in den russischen Energiesektor nach Art. 3a Verordnung (EU) 833/2014 wird ausgeweitet. Zusätzlich sind nun auch neue Investitionen in den russischen Bergbausektor verboten. Ausnahmen gelten dabei für Bereiche, die bestimmte kritische Rohstoffe betreffen.
- Das Ausfuhrverbot der mit der Luft- und Raumfahrtindustrie zusammenhängenden Güter und Technologien gemäß Art. 3c Verordnung (EU) 833/2014 wird auf für Flugzeuge bestimmte Motoren und deren Teile ausgeweitet. Dieses Verbot gilt sowohl für bemannte als auch für unbemannte Luftfahrzeuge, was bedeutet, dass von nun an die Direktausfuhr von Motoren für Drohnen nach Russland und in Drittländer, die Drohnen nach Russland liefern könnten, etwa Iran, verboten ist. Im Hinblick auf Weltraumtechnologie sowie auf Güter mit nur medizinischer, pharmazeutischer oder humanitärer Verwendung können nach dem neuen Abs. 6b des Art. 3c Verordnung (EU) 833/2014 Ausnahmegenehmigungen erteilt werden.
- Die Einfuhrverbote für Eisen- und Stahlerzeugnisse nach Art. 3g Verordnung (EU) 833/2014 werden weiter differenziert. So werden etwa auch für Güter des KN-Code 7224 90 (Brammen aus anderem legierten Stahl) Einfuhrkontingente geschaffen.
- Eine Verlängerung der „Wind Down Periods“ erfolgte im Hinblick auf das Einfuhrverbot von Methanol und Methylalkohol bis 18. Juni 2023 (Art. 3i Abs. 3ba Verordnung (EU) 833/2014) und im Hinblick auf das Ausfuhrverbot für bestimmte Güter nach Art. 3k i.V.m. Anhang XXIII Verordnung (EU) 833/2014 bis 8. Januar 2023. Zudem sind hier nun Ausnahmegenehmigungen für bestimmte Haushaltsgüter oder die Bereitstellung damit verbundener technischer oder finanzieller Hilfe möglich, wenn sie zur persönlichen Verwendung im Haushalt durch natürliche Personen erforderlich sind, Art. 3k Abs. 5a Verordnung (EU) 833/2014.
- Die Regelungen zur Beschränkungen russischer Ölimporte werden mit Blick auf Weiterleitung von Erdölerzeugnissen in die Ukraine angepasst; zudem gelten nun bestimmte Mitteilungspflichten in Bezug auf Transaktionen im Zusammenhang mit Erdgaskondensaten russischen Ursprungs der KN-Unterposition 2709 00 10 (Art. 3m und 3n Verordnung (EU) 833/2014).
- Das Verbot, als Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaats Posten in Leitungsgremien zu bekleiden, wird nach dem neuen Art. 5aa Abs. 1b Verordnung (EU) 833/2014 auf alle staatseigenen oder staatlich kontrollierten juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen Russlands, die in Russland niedergelassen sind, ausgedehnt.
- Ebenso sind die Dienstleistungs- und Beratungsverbote des Art. 5n Verordnung (EU) 833/2014 auf die Bereiche Markt- und Meinungsforschung, technische physikalische und chemische Untersuchungen und Werbung ausgeweitet worden. Eine entsprechende „Wind Down Period“ gilt bis 16. Januar 2023.
- Mit Art. 12b Abs. 1 Verordnung (EU) 833/2014 neu eingeführt wurde – befristet bis zum 30. September 2023 – eine Genehmigungsmöglichkeit für nach Art. 2, 2a, 3, 3b, 3c, 3f, 3h und 3k Verordnung (EU) 833/2014 grundsätzliche verbotene Verkäufe, Lieferungen oder Verbringungen der in den Anhängen II, VII, X, XI, XVI, XVIII, XX und XXIII gelisteten Gütern und Technologien, wenn dies für den Abzug von Investitionen aus Russland oder die Abwicklung von Geschäftstätigkeiten in Russland unbedingt erforderlich ist. Dafür müssen die Güter und Technologien jedenfalls mittelbar im Eigentum einer Person oder Organisation aus einem Mitgliedstaat stehen, sich bereits vor Inkrafttreten der jeweiligen Verbote physisch in Russland befunden haben, und es dürfen keine Anhaltspunkte für eine militärische Endverwendung in Russland vorliegen. Art. 12b Abs. 2 Verordnung (EU) 833/2014 enthält eine vergleichbar gelagerte Genehmigungsmöglichkeit für nach Art. 3g und 3i Verordnung (EU) 833/2014 grundsätzlich verbotene Einfuhren oder Verbringungen der in den Anhängen XVII und XXI gelisteten Güter.
Hierdurch soll europäischen Unternehmen die Abwicklung ihres Russlandgeschäfts und der vollständige Rückzug vom russischen Markt erleichtert werden.
Fazit und Ausblick
Angesichts der Fülle neuer Regelungen, insbesondere an Import- und Exportbeschränkungen, ist besondere Vorsicht geboten, da Sanktionen inzwischen an mannigfaltige Sachverhalte anknüpfen. Zudem sind weitere Differenzierungen und auch immer kleinteiligere Ausnahmen hinzugekommen, insbesondere auch im Zusammenhang mit der Abwicklung von Geschäftstätigkeiten in Russland. Besonders relevant für die Praxis sind darüber hinaus die verschiedenen (und nunmehr noch einmal erweiterten) Dienstleistungsverbote des Art. 5n der Verordnung (EU) 833/2014. Darauf sollten Unternehmen sowie Berater besonders Augenmerk legen.
Es gilt nach wie vor, diese Entwicklungen genau im Auge zu behalten, den Überblick über das komplizierte Geflecht an EU- und US-Sanktionen sowie russischen Gegensanktionen zu wahren und geschäftliche Tätigkeiten daran auszurichten. Wir halten Sie über die diesbezüglichen Entwicklungen auf dem Laufenden.
Ein Ende der Sanktionen ist im Moment nicht abzusehen, vielmehr ist auch für die Zukunft mit weiteren Sanktionspaketen und damit weiteren Veränderungen der Rechtslage zu rechnen.