Im März bzw. Juni hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die Frühwarn- sowie die Alarmstufe (als zweite und vorletzte Stufe) des Notfallplans Gas ausgerufen. Damit reagierte das Ministerium auf das potentielle Ausbleiben von Gaslieferungen aus Russland. Zahlreiche Gesetzesänderungen haben seitdem das staatliche Instrumentarium für Marktinterventionen erweitert. Dazu zählen u.a. Regelungen zu den Preisanpassungsrechten, mit denen Energieversorgungsunternehmen die erhöhten Bezugspreise für Gas auf ihre Kunden abwälzen können. Im Hinblick auf Gasspeicheranlagen hat der Gesetzgeber ambitionierte Füllstandsvorgaben eingeführt. Für das Szenario einer ausgerufenen Notfallstufe hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) eine IT-Sicherheitsplattform Gas eingerichtet, mit deren Hilfe in einem Notfallszenario auf Basis der Meldungen der Großverbraucher eine IT-basierte Modellierung unterschiedlicher Gasabschaltszenarien erfolgen und sodann gezielte versorgungsdienliche Maßnahmen eingeleitet werden können.
Gleiss Lutz-Kommentar – Summary:
Der Gesetzgeber hat durch zahlreiche Novellen, u.a. des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG), Vorbereitungen für eine Verschärfung der Energiekrise getroffen. Mit der Gasknappheit und den staatlichen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit sind folgende Risiken und Erwartungen verbunden, wobei abzuwarten bleibt, welche sich davon in welchem Umfang realisieren:
- Bei einer Verschärfung der Versorgungslage kann die Bundesregierung die Notfallstufe als letzte Stufe des Notfallplans Gas aktivieren. Der BNetzA würde dann die Rolle des „Bundeslastverteilers“ zukommen, sie kann dann durch entsprechende Verfügungen partielle oder vollständige Gasabschaltungen von Verbrauchsstellen anordnen.
- Industrieunternehmen mit einer technischen Anschlusskapazität in Höhe von mindestens 10 MWh/h sollen sich hierzu auf der IT-Sicherheitsplattform Gas der BNetzA registrieren und die Angaben zur unternehmenseigenen Relevanz der Gasversorgung regelmäßig aktualisieren.
- Im Falle einer akuten Gasknappheit gehören nur wenige Unternehmen, nämlich solche, die für die öffentliche Versorgung als sog. kritische Infrastrukturen unentbehrlich sind, zu den geschützten Kunden, deren Gasversorgung aufrecht zu erhalten ist. Eine darüber hinausgehende feste Priorisierung gibt es nicht. Kriterien wie die volkswirtschaftliche Relevanz, die Möglichkeiten zur Umstellung auf einen alternativen Brennstoff und zur Reduzierung des Verbrauchs sowie die notwendige Vorlaufzeit hierfür werden in der Abwägung voraussichtlich ebenso eine Rolle spielen, wie die Dringlichkeit der Maßnahme, Größe der Anlage und deren Gasbezug, Vorlaufzeit zur Gasbezugsreduktion, zu erwartende wirtschaftliche Schäden, Kosten und Dauer der Wiederinbetriebnahme, Bedeutung für die Versorgung der Allgemeinheit, Zugehörigkeit zur Grundstoffindustrie, Einbindung in Lieferketten, dauerhafte Sachschäden und gesundheitliche Gefahren für die Bevölkerung.
- Die BNetzA ist ferner im Falle eines weiteren Abfallens der Gasimporte befugt, den Energieversorgungsunternehmen die Möglichkeit zu geben, Mehrkosten für die Ersatzbeschaffung von Gas an die Kunden durch Preiserhöhungen weiterzugeben.
- Alternativ kann die Bundesregierung, die Preisanpassungen auf alle Verbraucher saldieren, d.h. in einem Umlageverfahren die Mehrkosten – auch angeschlagener Energieversorger – auf alle Energieversorgungsunternehmen und damit auf alle Gaskunden verteilen. Das Verfahren wäre voraussichtlich ähnlich auszugestalten wie bisher die EEG-Umlage.
- Schließlich könnten kurzfristig weitere staatliche Maßnahmen zur Gasversorgungssicherheit eingeführt werden, insbesondere ein (ggf. auktionsbasiertes) Anreizsystem für Unternehmen, um den eigenen Gasverbrauch zu reduzieren und freiwerdende Gasmengen dem Markt zur Verfügung zu stellen.
Hintergrund
Deutschland bezieht einen Großteil seines Gases aus Russland. In Anbetracht des russischen Angriffskrieges in der Ukraine möchte Deutschland unabhängig von russischem Gas werden. Da dies jedoch nicht sofort und ohne weiteres möglich ist, könnte ein Stopp der Gaslieferungen aus Russland – aufgrund eines europäischen Embargos oder, wahrscheinlicher, aufgrund eines russischen Boykotts – zu einer Knappheit der Gasversorgung in Deutschland führen.
Auf Grundlage des Art. 8 der sog. europäischen SoS-Verordnung (Security of Supply-VO 2017/1938) hat Deutschland einen „Notfallplan Gas“ erstellt, der die Gasversorgung auch in Krisensituationen sicherstellen soll. Der Notfallplan Gas stammt bereits aus September 2019 und damit aus einer Zeit, in der eine Gasversorgungkrise noch nicht akut absehbar war. Er sieht drei Warnstufen vor: die Frühwarnstufe, die Alarmstufe und die Notfallstufe. Die ersten zwei Stufen können formlos ausgerufen werden, während die dritte Stufe einer Rechtsverordnung der Bundesregierung bedarf. Eine solche Rechtsverordnung ist bislang nicht erlassen worden.
Unternehmen und Verbände haben bereits zu Beginn der Energiekrise versucht, ihre individuelle Betroffenheit im Falle einer Abschaltung der Gasversorgung gegenüber der BNetzA zu verdeutlichen. Dafür wurden sog. Schutzschriften bei der BNetzA hinterlegt. Dem Vernehmen nach sind etwa 1.000 solcher Schutzschriften bei der BNetzA eingegangen. In der ganz überwiegenden Zahl dieser Schutzschriften wird betont, dass keine Gasabschaltung bei den Unternehmen stattfinden soll; eine differenzierte Angabe solcher Mengen, die im Notfall verzichtbar wären, erfolgte offenbar nur in wenigen Fällen.
Ausrufung der Frühwarn- und der Alarmstufe
Das BMWK hat am 30. März 2022 die erste, sog. Frühwarnstufe sowie am 23. Juni 2022 die zweite, sog. Alarmstufe, des Notfallplans Gas ausgerufen.
Voraussetzung für die Frühwarnstufe sind Hinweise auf ein Ereignis, durch welches es wahrscheinlich zu einer Verschlechterung der Gasversorgungslage kommt. Während der Frühwarnstufe gelten europäische Binnenmarktregelungen uneingeschränkt weiter. Gasversorgungsunternehmen können marktbasierte Maßnahmen ergreifen, um die Gasversorgungssicherheit aufrecht zu erhalten. Zu den marktbasierten Maßnahmen im Sinne des Notfallplans Gas gelten der Einkauf von Regelenergie oder sogar die Kürzung von Gaslieferungen durch die Netzbetreiber. Fernleitungsnetzbetreiber beobachten die Gasversorgungslage engmaschig und geben (mind.) täglich eine Lageeinschätzung beim BMWK ab. Bei der Frühwarnstufe wie auch im Rahmen der Alarmstufe kommt es jedoch noch nicht zu einem staatlichen Eingreifen in den Markt.
Eine nächste Eskalation fand im Juni durch das Ausrufen der zweiten, sog. Alarmstufe statt. Für die Aktivierung der Alarmstufe muss eine Störung der Gasversorgung oder eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas vorliegen. Die dadurch entstehende erhebliche Verschlechterung der Gasversorgungslage kann aber noch durch marktbasierte Maßnahmen aufgefangen werden. Sinn der Alarmstufe ist es in erster Linie, Verbrauchern und Industrieunternehmen ein eindeutiges Signal zu geben, bereits jetzt – und nicht erst im Winter – so weit wie möglich Gas einzusparen. Ein wesentlich weitergehendes Instrumentarium für Markteingriffe seitens des BMWK oder der BNetzA bringt die Alarmstufe nicht mit sich. Hinzuweisen ist aber insbesondere auf die für alle Gaskunden bedeutsamen Neuregelungen zu Preisanpassungsrechten (dazu weiter unten).
Vorbereitungen auf die Ausrufung der Notfallstufe
Die BNetzA bereitet sich im Hintergrund bereits auf die dritte und höchste Eskalationsstufe des Notfallplans Gas vor – die sog. Notfallstufe. Die Notfallstufe wird aktiviert, wenn eine erhebliche Störung der Gasversorgung vorliegt und die marktbasierten Maßnahmen nicht ausreichen, um die Gasnachfrage zu decken. Eine solche Störung wäre sicherlich dann gegeben, wenn es in den nächsten Wochen oder Monaten zu einem Stopp russischer Gaslieferungen kommen würde.
Neben den marktbasierten Instrumenten stehen mit der Ausrufung der Notfallstufe weitere hoheitliche Eingriffsbefugnisse zur Verfügung, insbesondere das Instrumentarium des EnSiG und der Gassicherheitsverordnung (GasSV). Für gasverbrauchende Unternehmen ist dabei besonders relevant, dass die BNetzA durch die Ausrufung der Notfallstufe zum sog. Bundeslastverteiler werden würde. Ihr obliegt dann die Gasverteilung innerhalb Deutschlands mit dem – in der GasSV definierten – Ziel der Sicherung des lebenswichtigen Bedarfs an Gas unter Berücksichtigung der geschützten Kunden und der Minimierung von Folgeschäden. Im Notfall werden – nach dem aktuellen Stand – vorrangig private Haushalte, soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser und sonstige kritische Infrastrukturen mit Gas versorgt. Trotz Bedenken aus der Wirtschaft und damit einhergehender Planungsunsicherheiten sieht die BNetzA bislang keine konkrete Abschaltreihenfolge für Unternehmen vor. Über eine mögliche Abschaltung der Gaszulieferung soll für jeden Einzelfall entschieden werden und zwar in Abhängigkeit von Faktoren wie der Systemrelevanz, der notwendigen Vorlaufzeit und der Möglichkeit, auf alternative Energiequellen umzustellen, der Dringlichkeit der Maßnahme, der Größe der Anlage und deren Gasbezug, der Vorlaufzeit zur Gasbezugsreduktion, zu erwartende wirtschaftliche Schäden, Kosten und Dauer der Wiederinbetriebnahme, der Bedeutung für die Versorgung der Allgemeinheit, der Zugehörigkeit zur Grundstoffindustrie, der Einbindung in Lieferketten, evtl. dauerhaften Sachschäden, gesundheitlichen Gefahren für die Bevölkerung und Umweltauswirkungen.
IT-Sicherheitsplattform Gas
Die BNetzA plant, bei Eintritt der Notfallstufe, die Gaslastverteilung auf der Grundlage einer IT-gestützten Modellierung vorzunehmen. Dazu baut die BNetzA eine IT-Sicherheitsplattform Gas auf und sammelt relevante Daten von Netzbetreibern und Großlastverbrauchern. Es ist geplant, dass die IT-Sicherheitsplattform zum 1. Oktober 2022 in Betrieb genommen wird. Zur Einholung der notwendigen Informationen für die IT-Sicherheitsplattform hat die BNetzA am 20. April 2022 eine Auskunftsverfügung erlassen. Diese diente der Vorbereitung der Notfallstufe. Die BNetzA muss für diesen Fall über eine möglichst aktuelle Datenlage verfügen, um ihrer Rolle als Bundeslastverteiler gerecht werden zu können. Sie kann auf Grundlage der Daten ableiten, welche Folgen eine (Teil-)Abschaltung des Gasflusses für einzelne Unternehmen oder Branchen haben kann und aufgrund von Informationen über die Branche der Unternehmen, die Reaktionszeiten zur Abschaltung sowie die vertraglich vereinbarten Gaskapazitäten die Situation der einzelnen Unternehmen bewerten. Dadurch sollen die Auswirkungen einer Störung der Gasversorgung so gering wie möglich gehalten werden.
Registrierungspflichtig auf der IT-Sicherheitsplattform sind zum einen Großverbraucher mit einer installierten Anschlusskapazität von mehr als 10 MWh/h, zum anderen auch Gasnetzbetreiber sowie alle Bilanzkreisverantwortlichen, d.h. auch Gasversorger und Gashändler. Im Rahmen der bereits angelaufenen und teilweise bereits durchgeführten Datenerhebung müssen Großverbraucher insbesondere angeben, welche Menge Gas für die Produktion von Relevanz ist und welche Folgen eine Unterbrechung der Gasversorgung hätte. Schließlich besteht für Großverbraucher die Verpflichtung, diese Daten regelmäßig zu aktualisieren. Das betrifft insbesondere die Angaben zur unternehmenseigenen Relevanz der Gasversorgung. Sollte es Unternehmen gelingen, in den nächsten Monaten die Notwendigkeit des Gasbezuges zu reduzieren, müssen die abgegebenen Daten angepasst werden.
Praxistipp: § 12 EnSiG sieht einen Härteausgleich vor, wenn durch die Verfügung wirtschaftliche Existenzen gefährdet oder vernichtet werden. Ein Ausgleichsanspruch ist gegenüber der BNetzA geltend zu machen. Der Härteausgleich nach dem EnSiG kommt den Unternehmen unter Gesichtspunkten der Billigkeit zu. Es besteht folglich eine Mitwirkungsobliegenheit der Unternehmen, der BNetzA im Rahmen der IT‑Sicherheitsplattform Gas differenzierte und aussagekräftige Informationen über die Konsequenzen der Abschaltung ihrer Gaszufuhr zukommen zu lassen. Unternehmen sollten die Datenabgabe sorgfältig vorbereiten und darauf achten, relevante Updates zeitnah in die IT-Sicherheitsplattform einzuspeisen. Es sollte darauf verzichtet werden, eine Schwarz-Weiß-Meldung abzugeben, wenn nicht bereits jede Teilreduzierung des Gaszuflusses zu den schwerwiegendsten Folgen führt. Um der eigenen Mitwirkungsverantwortung gerecht zu werden und sich auch die Möglichkeit auf einen finanziellen Härtefallausgleich zu bewahren, müssen Unternehmen sachgerechte Angaben zu möglichen Abschaltszenarien treffen und zu erkennen geben, welche Folgen eine teilweise oder eine vollständige Reduzierung der Gaszuflussmenge hätte.
Preisanpassungsrechte der Energieversorgungsunternehmen
Mit der Einführung des § 24 EnSiG am 25. Mai 2022 hat der Gesetzgeber einen Preisanpassungsmechanismus bei verminderten Gasimporten etabliert und mit dem Gesetzespaket im Juli bereits novelliert. Die erste, bereits jetzt erfüllte Voraussetzung für die Aktivierung dieses Mechanismus ist die Ausrufung der Alarm- oder Notfallstufe durch das BMWK. Die zweite, bislang ausstehende Voraussetzung ist eine förmliche Feststellung der BNetzA, dass eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland vorliegt. Diese Entscheidung ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Infolge dieser Feststellung erhalten alle Energieversorgungsunternehmen, die von der Reduzierung der Liefermengen unmittelbar durch Lieferausfälle oder mittelbar durch Preissteigerung ihres Lieferanten betroffen sind, das Recht, entlang der Lieferkette die Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein angemessenes Niveau anzupassen. Eine Preisanpassung ist jedenfalls dann nicht mehr angemessen, wenn sie die Mehrkosten für die Ersatzbeschaffung überschreitet.
Umlageverfahren durch saldierte Preisanpassung
Durch eine neuerliche Novellierung vom 8. Juli 2022 wurde mit § 26 EnSiG eine Ermächtigung der Bundesregierung eingefügt, durch Rechtsverordnung zu regeln, dass an die Stelle der oben dargestellten Preisanpassungsrechte ein durch eine saldierte Preisanpassung finanzierter finanzieller Ausgleich tritt. Diese Regelung, die während des Gesetzgebungsverfahrens sehr kurzfristig Eingang in die Novelle gefunden hat, soll der Bundesregierung eine Handhabe bieten, um angeschlagene Energiekonzerne zu entlasten. Während § 29 EnSiG die Beantragung von Stabilisierungshilfen beim Bund ermöglicht, sollen künftig auch Preissprünge an Kunden weitergegeben werden können. Hierfür haben die Regierungsfraktionen mit der Ermächtigung in § 26 EnSiG die Möglichkeit für ein Umlageverfahren geschaffen. Die Mehrkosten sollen auf alle Gaskunden gleichmäßig umgelegt und weitergegeben werden können (vergleichbar mit dem Mechanismus der bisherigen EEG-Umlage), um die Belastung für Einzelne möglichst gering zu halten. Voraussetzung für den Erlass der dazu nötigen Rechtsverordnung ist, dass eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmenge unmittelbar bevorsteht oder sogar schon durch die BNetzA im Bundesanzeiger festgestellt wurde. Die Bundesregierung will die Option Medienberichten zufolge – zumindest derzeit – möglichst nicht nutzen.
Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen
Durch Gesetz vom 26. April 2022 hat der Bundestag durch Einführung des § 35b EnWG Füllstandsvorgaben für die Betreiber von Gasspeicheranlagen gemacht. Demnach ist zum Stichtag 1. November ein Füllstand von 90 % vorzuhalten. Die Füllstände der deutschen Gasspeicher liegen gegenwärtig bei 63,2 % und damit zum Teil sogar deutlich höher als in den Vorjahren. Da die Gasflüsse durch Nord Stream 1 allerdings nur bei etwa 40 % der Maximalleistung liegen, ist ein Speicherstand von 90 % bis November nach Angaben der BNetzA ohne zusätzliche Maßnahmen kaum mehr erreichbar.
Treuhandverwaltung
Im Mai hat der Gesetzgeber mit § 17 EnSiG zudem eine neue Rechtsgrundlage für die Treuhandverwaltung von Unternehmen geschaffen, die kritische Infrastrukturen im Energiesektor betreiben. Dies betrifft Unternehmen aus der Gasförderung, aus dem Gastransport und der -speicherung sowie aus der Gasverteilung und dem Gashandel, deren Förder-, Speicher-, Verteilungsleistung oder Handelsumfang 5.190 GWh pro Jahr übersteigt. Damit soll der BNetzA die Treuhandverwaltung unabhängig von den Voraussetzungen des Außenwirtschaftsgesetzes (d.h. insbesondere ohne einen Unternehmenserwerb) möglich sein. Nach der Änderung des EnSiG können die genannten Unternehmen unter die Treuhandverwaltung der BNetzA gestellt werden, wenn die konkrete Gefahr gegeben ist, dass die Unternehmen ihre Beiträge zur Funktionsfähigkeit des Energiesystems nicht erfüllen und eine Störung der Versorgungssicherheit droht. Die BNetzA kann dann die Geschäfte der betroffenen Unternehmen führen, um die Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an Gas zu gewährleisten. Die Treuhandverwaltung ist auf 12 Monate begrenzt. Danach können die Unternehmen als letztes Mittel schließlich gegen angemessene Entschädigung enteignet werden, wenn durch die Treuhandverwaltung die Versorgungssicherheit nicht garantiert werden kann.
Gasersatzreserve und Brennstoffbevorratung
Zum 12. Juli 2022 trat außerdem das Gesetz zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken zur Reduzierung des Gasverbrauchs bei der Stromerzeugung in Kraft. Danach können Kohlekraftwerke der Netzreserve wieder am Strommarkt teilnehmen. Diese Maßnahme setzt zum einen voraus, dass jedenfalls die Alarmstufe nach dem Notfallplan Gas ausgerufen wurde, was bereits der Fall ist. Zum anderen musste die Teilnahme am Strommarkt durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung zugelassen werden, die nunmehr unter dem Titel „Verordnung zur befristeten Ausweitung des Stromerzeugungsangebots durch Anlagen aus der Netzreserve“ am 13. Juli 2022 im Bundesanzeiger verkündet wurde und am 14. Juli in Kraft getreten ist. Die Verordnung bestimmt, dass die Kraftwerke der Netzreserve bis zum Ablauf des 30. April 2023 am Strommarkt teilnehmen dürfen; der nach dem Gesetz zulässige Zeitraum von längstens bis zum 31. März 2024 wurde damit nicht vollständig ausgeschöpft. Eine Teilnahme am Strommarkt ist dann durch den Anlagenbetreiber fünf Werktage vor Beginn gegenüber der BNetzA anzuzeigen. Zudem werden endgültige Stilllegungen von Kohlekraftwerken, die in den Jahren 2022 und 2023 wirksam werden, bis zum 31. März 2024 verboten.
Betreiber von Anlagen in der Netzreserve müssen ihre Anlagen ab dem 1. November 2022 für eine befristete Teilnahme am Strommarkt im Dauerbetrieb betriebsbereit halten. Zur Einhaltung dieser Verpflichtung fordert das EnWG nun eine Bevorratung von Brennstoffen. Dabei ist vorgesehen, dass jeweils zum 1. November der Jahre 2022 und 2023 sowie jeweils zum Februar der Jahre 2023 und 2024 Brennstoffvorräte in einem Umfang bereitgehalten werden müssen, der bei Einsatz von Kohle für 30 Kalendertage und bei einem Einsatz von Mineralöl 10 Kalendertage ausreichend ist, um Elektrizität bei maximal möglicher Nettonennleistung zu erzeugen.
Außerdem ist vorgesehen, dass Braunkohle-Reserveanlagen ab dem 1. Oktober 2022 bis zum 31. März 2024 aus der Netzreserve in eine neu geschaffene Versorgungsreserve überführt und mit Ablauf des 31. März 2024 endgültig stillgelegt werden. Diese Anlagen dienen im Rahmen der Versorgungsreserve dem Zweck, dem Elektrizitätsversorgungssystem kurzfristig zusätzliche Erzeugungskapazitäten, insbesondere zur Einsparung von Erdgas in der Stromerzeugung, zur Verfügung zu stellen. Die Versorgungsreserve würde ebenfalls durch Rechtsverordnung aktiviert werden; Betreiber müssen sicherstellen, dass die Anlagen während der Versorgungsreserve jederzeit innerhalb von 240 Stunden nach Inkrafttreten einer solchen Rechtsverordnung betriebsbereit wären. Die Versorgungsreserve steht derzeit noch unter dem Vorbehalt der beihilferechtlichen Genehmigung, da die Anlagenbetreiber eine Vergütung für den Zeitraum der Versorgungsreserve erhalten sollen.
Fazit
Insbesondere in den Wochen vor der parlamentarischen Sommerpause hat der Gesetzgeber umfassende regulatorische Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die Gasversorgung in Deutschland abzusichern. Diese Maßnahmen zielen zum einen auf die Einspeicherung von Gas sowie die Bevorratung von Ersatzbrennstoffen und zum anderen auf die Reduzierung des Gasverbrauchs. Im Hintergrund läuft zudem die Vorbereitung für ein mögliches Notfallstufen-Szenario, in dem es – soweit derzeit absehbar – erhebliche Gasreduzierungen für Unternehmen und Verbraucher geben wird.
Das Maßnahmenpaket ist bereits jetzt sehr umfassend; gasverbrauchende Unternehmen sowie Betreiber von Erzeugungsanlagen sollten den Einfluss dieser gesetzgeberischen Maßnahmen auf ihr Geschäft detailliert auswerten. Die letzten Wochen haben zudem gezeigt, dass Unternehmen ein laufendes Monitoring des regulatorischen Umfelds einrichten sollten, um die dynamischen Veränderungen zeitnah zu erkennen.