Energie & Infrastruktur

Strengere Regeln für ausländische Investoren – Die neunte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung und ihre Auswirkungen auf den Energiesektor

ENERGY NEWS #12/2017   Die Bundesregierung hat die Regeln zur Kontrolle ausländischer Investitionen in deutsche Unternehmen, insbesondere auch in solche des Energiesektors, spürbar verschärft. Die entsprechende Änderung der Außenwirtschaftsverordnung („Änderungsverordnung“) bringt zahlreiche Neuerungen, die erhebliche Auswirkungen auf die M&A-Praxis haben werden.  

Zusammenfassung

  • Der Fokus der Änderungsverordnung liegt auf kritischen Infrastrukturen, wozu insbesondere der Energiesektor zählt. Erfasst werden aber auch andere zivile Bereiche mit Sicherheitsrelevanz. Neu ist insbesondere die Verpflichtung, Investitionen in diesen Sektoren beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie („BMWi“) anzuzeigen.
  • Die Fristen für die Prüfung ausländischer Investitionen durch das BMWi werden merklich verlängert. Im Bereich der sektorübergreifenden Investitionskontrolle beginnt die Prüffrist des Ministeriums nicht wie bisher mit dem Signing des Erwerbsvertrages, sondern erst wenn das Ministerium davon Kenntnis erlangt.
  • Die Änderungen werden erhebliche Auswirkungen auf die M&A-Praxis haben.

 

Investitionskontrolle nach bisheriger Rechtslage

Das deutsche Recht kennt zwei Formen der Investitionskontrolle, die in der Außenwirtschaftsverordnung („AWV“) geregelt sind: Der sektorübergreifenden Investitionskontrolle unterliegen Investoren, die ihren Sitz weder in der EU noch in einem Staat der Europäischen Freihandelsassoziation haben und – direkt oder indirekt – mindestens 25 % der Stimmrechte an einem inländischen Unternehmen erwerben. Sie greift unabhängig davon, zu welcher Branche das inländische Zielunternehmen gehört. Anders bei der sektorspezifischen Investitionskontrolle: Ihr Anwendungsbereich ist nur eröffnet, wenn das inländische Zielunternehmen in einem besonders sensiblen Bereich tätig ist, etwa in der Herstellung oder Entwicklung von Kriegswaffen. Allerdings unterliegen der sektorspezifischen Investitionskontrolle auch Investoren aus dem EU-Ausland.

Änderungen im Energiesektor

Zu den bedeutsamsten Neuerungen der Änderungsverordnung, die am 18. Juli 2017 in Kraft getreten ist, zählt, dass die AWV für den Bereich der sektorübergreifenden Investitionskontrolle nun Beispiele nennt, wann eine Investition insbesondere verboten oder beschränkt werden kann: wenn das Zielunternehmen eine kritische Infrastruktur betreibt, Software entwickelt oder ändert, die zum Betrieb kritischer Infrastruktur dient, wenn es im Bereich der Telekommunikationsüberwachung aktiv ist, Cloud-Computing-Dienste erbringt oder eine Zulassung für Telematikinfrastrukturen besitzt. Bei Investitionen in deutsche Unternehmen, die in diesen zivilen Bereichen mit Sicherheitsrelevanz tätig sind, dürfte das BMWi in der Zukunft besonders genau prüfen, ob der Erwerb eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt oder nicht. Hier gilt im Übrigen ab sofort auch eine gesetzliche Meldepflicht. Anders als bislang müssen entsprechende Transaktionen dem BMWi von nun an schriftlich angezeigt werden. Dadurch nähert sich das Verfahren für Übernahmen und Beteiligungen in zivilen Bereichen mit Sicherheitsrelevanz der sektorspezifischen Investitionskontrolle an, wo schon zuvor eine Anzeigepflicht bestand.

Zu den Betreibern kritischer Infrastrukturen zählen insbesondere auch Unternehmen im Energiesektor. Erfasst werden die vier Bereiche Strom, Gas, Kraftstoff/Heizöl und Fernwärme und hierbei jeweils Dienstleistungen auf den Gebieten Erzeugung, Transport und Verteilung. Welche Anlagen im Einzelnen zu den kritischen Infrastrukturen zählen, ergibt sich aus der Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz. Diese Verordnung enthält einen Katalog von Anlagen, die kritische Infrastrukturen darstellen können (beispielsweise: Erzeugungsanlagen, Speicheranlagen, Strom- und Gasnetze, Raffinerien, Öl-Pipelines und Öl-Lager, Tankstellennetze und Heizkraftwerke). Für jede dieser Anlagen ist ein Schwellenwert vorgesehen – nur Anlagen, die diesen Schwellenwert erreichen oder überschreiten, sind tatsächlich kritische Infrastrukturen. Als Faustformel für den Schwellenwert gilt: Eine kritische Infrastruktur versorgt im Regelfall mindestens 500.000 Menschen. Rechtlich verbindlich sind aber unabhängig davon die für die verschiedenen Anlagenkategorien einzeln angegebenen Schwellenwerte, zum Beispiel: für Energieerzeugungsanlagen eine installierte Netto-Nennleistung von 420 MW, für Gasfernleitungsnetze eine entnommene Jahresarbeit von 5.190 GWh/Jahr. Ob der Schwellenwert erreicht wird, kann nicht immer schon durch Betrachtung einer einzelnen Anlage geklärt werden. Denn möglicherweise bildet diese mit anderen Anlagen eine gemeinsame Anlage mit der Folge, dass für den Schwellenwert die Einzelwerte beider addiert werden müssen (beispielsweise bei zwei Blöcken eines Kraftwerks).

Weitere Neuerungen durch die die neunte Verordnung zur Änderung der AWV

Neben weiteren Neuerungen insbesondere im Bereich der sektorspezifischen Investitionskontrolle verlängert die Änderungsverordnung vor allem auch die Fristen, die dem BMWi bei der Investitionskontrolle zur Verfügung stehen: Für die Prüfung eines Antrags auf unbedenklichkeitsbescheinigung hat das BMWi nun anstelle eines Monats zwei Monate Zeit. Im Bereich der sektorspezifischen Investitionskontrolle bleiben dem BMWi anstelle eines Monats nun drei Monate Zeit, bevor die Freigabe als erteilt gilt. Die Fristen für die Untersagung eines Erwerbs oder für Anordnungen sind im Bereich der sektorübergreifenden Kontrolle von zwei auf vier Monate verlängert worden, für die sektorspezifische Kontrolle von einem auf drei Monate. Besonders brisant ist, dass diese Frist im Bereich der sektorübergreifenden Kontrolle nicht mehr wie bisher mit dem Signing des Erwerbsvertrages oder mit der Abgabe eines öffentlichen Übernahmeangebots beginnt, sondern erst dann, wenn das BMWi davon Kenntnis erlangt. Das BMWi kann einen Erwerb, von dem es keine Kenntnis hatte, also noch lange nachdem dieser vollzogen wurde verbieten. Eine Untersagung oder Beschränkung der Investition ist erst ausgeschlossen, wenn seit dem Signing fünf Jahre verstrichen sind.

Auswirkungen auf die M&A-Praxis

Die Neuerungen der AWV werden sich ganz erheblich auf die M&A-Praxis auswirken. Die Verlängerung der Prüffristen wird dazu führen, dass für die Prüfverfahren beim BMWi mehr Zeit zwischen Signing und Closing eingeplant werden muss. Praktische Schwierigkeiten könnten dabei auch daraus entstehen, dass kartellrechtliche und außenwirtschaftsrechtliche Fristen nunmehr nicht mehr gleichlaufen. Weil die Prüffrist des BMWi zukünftig nicht mit Abschluss des Erwerbsvertrages, sondern ,erst dann beginnt, wenn das BMWi davon Kenntnis hat, dürften die Beteiligten zukünftig wohl deutlich mehr Unbedenklichkeitsbescheinigungen beantragen als bisher, um das Risiko behördlicher Maßnahmen zeitlich zu begrenzen. Auch die inhaltlichen Anforderungen, die das BMWi an entsprechende Anträge stellt, werden sich wohl noch einmal verschärfen. Daneben wird es sich in vielen Fällen empfehlen, eine der Investitionskontrolle unterliegende Transaktion zumindest beim BMWi anzuzeigen. An der Anzahl der vom BMWi untersagten oder beschränkten Investitionen dürfte sich unter der neuen Rechtslage indes letztlich wenig ändern. Denn trotz des neuen Fokus‘ auf kritische Infrastrukturen und andere zivile Bereiche mit Sicherheitsrelevanz darf das BMWi eine Transaktion im Bereich der sektorübergreifenden Investitionskontrolle weiterhin nur dann untersagen, wenn sie die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik gefährdet. Die Änderungsverordnung ist also vor allem ein Zeichen an ausländische Investoren. Sie bringt für diese gewisse verfahrensrechtliche Verschärfungen; die eigentlich entscheidende Frage, welche Investitionen ohne Einschränkung erlaubt und welche verboten werden können, lässt die Änderungsverordnung aber unangetastet.

Entwicklungen in Europa und anderen Ländern

Der Grund dafür liegt im Europarecht: Deutschland ist durch die Kapitalverkehrsfreiheit, die auch Nicht-EU-Unternehmer für sich beanspruchen können, gehindert, ausländische Investitionen nach eigenem Gutdünken zu beschränken. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung kürzlich – zusammen mit Frankreich und Italien – auf europäischer Ebene Vorschläge eingebracht, die der EU Interventionsmöglichkeiten bei ausländischen Investitionen eröffnen sollen. Der Vorstoß richtet sich vor allem gegen Investitionen, die durch staatliche Mittel finanziert werden oder mithilfe derer Schlüsseltechnologie erworben werden soll. Viele andere EU-Staaten stehen ihm aber bisher reserviert gegenüber. Die von Deutschland, Frankreich und Italien angestrebten Änderungen und auch die Novellierung der AWV fügen sich in eine weltweit zu beobachtende Entwicklung ein, nach der ausländische Investitionen zunehmend schärfer überprüft werden, gerade wenn der Investor von einem ausländischen Staat kontrolliert wird. Frankreich etwa hat seine Liste strategisch wichtiger Sektoren, in denen ausländische Investoren einer vorherigen Genehmigung bedürfen, im Jahr 2014 erweitert. US Präsident Obama hat Ende 2016 die Übernahme des deutschen Maschinenbauers Aixtron durch einen chinesischen Investor untersagt, und auch die Übernahme des US-Chipherstellers Wolfspeed durch Infineon scheiterte im Februar 2017 an den Bedenken der US-Behörden. Gründung und Erwerb kanadischer Firmen durch Nicht-Kanadier können – unabhängig vom Investitionsvolumen – einer national security review unterzogen werden, wenn der zuständige Minister Gefahren für die nationale Sicherheit Kanadas für möglich hält. Daneben muss der Erwerb unmittelbarer Kontrolle über eine kanadische Firma durch Nicht-Kanadier unter dem Gesichtspunkt des Nettonutzens für Kanada geprüft und genehmigt werden, wenn bestimmte monetäre Schwellen überschritten sind. Diese liegen für staatliche Investoren spürbar niedriger als für nichtstaatliche Investoren. Ähnlich verfährt Australien, wo eine Investitionskontrolle bei staatlichen Investoren schon ab einem Unternehmenswert von lediglich A$ 10 Mio. (etwa EUR 7 Mio.) durchgeführt wird.

Gleiss Lutz Kommentar

Die Änderungsverordnung passt also zu einem internationalen Trend, ausländische Investitionen strenger zu kontrollieren. Wegen der europarechtlichen Vorgaben hat sich die Bundesregierung dabei aber im Wesentlichen auf verfahrensrechtliche Änderungen beschränkt, die zwar zu längeren und aufwändigeren Prüfverfahren führen dürften. Die Voraussetzungen, unter denen das BMWi eine Transaktion – auch im Energiesektor – untersagen oder beschränken kann, sind aber praktisch unverändert geblieben.


Zitiervorschlag: von Andreae, Grimmeiß, Strengere Regeln für ausländische Investoren – Die neunte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung und ihre Auswirkungen auf den Energiesektor, Gleiss Lutz Energy News #12/2017 vom 21. Augst 2017.

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