Der EuGH hat Teile der 4. EU-Geldwäscherichtlinie für unwirksam erklärt. Dies betrifft insbesondere die Vorgabe, dass Informationen zu wirtschaftlichen Eigentümern von Gesellschaften in der EU öffentlich zugänglich sein müssen. Diese Vorgabe ist nach Auffassung des EuGH ein schwerwiegender, nicht erforderlicher und unverhältnismäßiger Eingriff in die EU-Grundrechtecharta.
Sachverhalt
In den der Entscheidung (EuGH, Urteil vom 22.11.2022 - C-37/20) zugrundeliegenden Verfahren klagten zwei registerpflichtige Gesellschaften gegen die Luxembourg Business Registers. Gemäß den nach Maßgabe der 4. EU-Geldwäscherichtlinie (Richtlinie (EU) 2018/843) erlassenen luxemburgischen Vorschriften sind verschiedene persönliche Informationen über die „wirtschaftlichen Eigentümer“ (der Begriff entspricht dem „wirtschaftlich Berechtigten“ gem. § 3 Geldwäschegesetz (GwG)) von Gesellschaften über das im Internet frei zugängliche Luxembourg Business Registers abrufbar.
Die Kläger beantragten zunächst erfolglos, den Zugang der Öffentlichkeit zu den ihre wirtschaftlichen Eigentümer betreffenden Informationen zu beschränken. Dazu machten sie unter anderem geltend, dass der öffentliche Zugang zu den persönlichen Informationen des wirtschaftlichen Eigentümers das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens sowie das Recht auf Schutz personenbezogener Daten verletze, die in den Art. 7 bzw. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union („EU-Grundrechtecharta“) verankert sind. Ferner machten sie geltend, dass den wirtschaftlichen Eigentümern durch Bekanntwerden der Informationen ein erhebliches Risiko von Entführung, Freiheitsberaubung, Gewalt und sogar Tod drohe.
Das mit der Sache jeweils befasste Bezirksgericht Luxemburg (Tribunal d’arrondissement de Luxembourg, Luxemburg) legte dem EuGH eine Reihe von Fragen vor, insbesondere zur Vereinbarkeit der entsprechenden Bestimmung der Geldwäscherichtlinie mit der EU-Grundrechtecharta.
Entscheidung des EuGH
Der EuGH hat entschieden, dass Art. 1 Nr. 15 Buchst. c der Richtlinie 2018/843 in seiner neuen Fassung, nach dem die Daten der wirtschaftlichen Eigentümer für alle Mitglieder der Öffentlichkeit zugänglich zu sein haben, ungültig ist. Diese Vorschrift verstoße gegen Art. 7 und Art. 8 der EU-Grundrechtecharta. Der Grundrechtseingriff sei weder auf das absolut Erforderliche beschränkt, noch stehe er in einem angemessenen Verhältnis zur Zielsetzung der Richtlinie.
Die öffentliche Verfügbarkeit der Informationen stelle einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten dar. Des Weiteren sei der unbeschränkte Zugang zu Informationen der wirtschaftlichen Eigentümer weder auf das erforderliche Maß begrenzt noch stünde die Schwere des Eingriffs in einem angemessenen Verhältnis zur Zielsetzung der Geldwäsche- und Terrorismusbekämpfung.
Die Streichung der vormals bestehenden Voraussetzung eines berechtigten Interesses an der Einsichtnahme erfolgte ausweislich der Entscheidung nur aufgrund von Definitionsschwierigkeiten. Das reiche als Rechtfertigung für den Eingriff nicht aus. Darüber hinaus sei der öffentliche Zugang zu Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer auch nicht aufgrund der damit verbundenen Wirkungen absolut erforderlich. Die in den Erwägungsgründen der Richtlinie angeführte Kontrolle durch die Zivilgesellschaft sei nicht Aufgabe der breiten Öffentlichkeit, sondern vorrangig von Behörden und Einrichtungen, wie zum Beispiel Kredit- und Finanzinstituten, zu gewährleisten.
Ferner seien die Daten, die der Öffentlichkeit zugänglich zu machen sind, nicht klar und erschöpfend definiert, da die Richtlinie nur Mindestvorgaben mache und es den Staaten ermögliche, weitere Daten zugänglich zu machen.
Auch die Bestimmung, dass es den Mitgliedstaaten erlaubt sei, die Bereitstellung der Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von einer Online-Registrierung abhängig zu machen und für außergewöhnliche Umstände Ausnahmen vom Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu diesen Informationen vorzusehen, änderten nichts an der Unverhältnismäßigkeit der Bestimmung. Daraus ergäben sich keine hinreichenden Garantien für die betroffenen Personen, dass ihre personenbezogenen Daten gegen Missbrauchsrisiken geschützt sind. Vielmehr ermöglichten es die zugänglich zu machenden Angaben einer potenziell unbegrenzten Zahl von Personen, sich über die materielle und finanzielle Situation eines wirtschaftlichen Eigentümers Kenntnis zu verschaffen, Profile zu erstellen sowie die Daten zu speichern und weiterzugeben.
Gleiss Lutz kommentiert
Die Entscheidung des EuGH ist ausdrücklich zu begrüßen. Mit ihr stärkt der EuGH das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und wirkt einer weiteren Erosion entgegen. Insbesondere ist der EuGH dem beinahe vollständigen Zurücktreten des Datenschutzes gegenüber Erwägungen der Geldwäschebekämpfung deutlich entgegengetreten. Die Entscheidung liegt auf einer Linie mit der datenschutzfreundlichen Tendenz des Gerichts, insbesondere seiner Rechtsprechung zur Vorratsdatenspeicherung.
Auch die entsprechende deutsche Vorschrift zur Einsichtnahme in das Transparenzregister (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 GwG) erlaubt „allen Mitgliedern der Öffentlichkeit“ den Zugang zu persönlichen Daten wirtschaftlich Berechtigter (§ 3 GwG). Dieser 2020 eingeführte öffentliche Zugang wurde von Literatur und Praxis aus den nun vom EuGH in seiner Entscheidung ausgeführten Gründen scharf kritisiert. Dabei wurde zu Recht auf die Gefahr von Identitätsdiebstahl, Reputationsrisiken aufgrund eines Generalverdachts gegen wirtschaftlich Berechtigte, Risiken im Wettbewerb sowie das erhöhte Risiko, das wirtschaftlich Berechtigte Opfer von Straftaten werden können, hingewiesen. Einsichtnehmende müssen sich zwar registrieren. Das reicht aber, wie der EuGH zutreffend ausgeführt hat, nicht aus, um den schwerwiegenden Grundrechtseingriff, der in der jederzeitigen öffentlichen Verfügbarkeit der Informationen über wirtschaftlich Berechtigte liegt, zu rechtfertigen.
Der deutsche Gesetzgeber ist nunmehr aufgefordert, § 23 Abs. 1 Nr. 3 GwG den Vorgaben des EuGH entsprechend europarechtskonform anzupassen. Unabhängig davon müssen deutsche Gerichte die Entscheidung des EuGH schon jetzt beachten. Ob das auch für deutsche Behörden gilt, namentlich für das Bundesverwaltungsamt (BVA) als Rechts- und Fachaufsicht der Bundesanzeiger Verlag GmbH (die das Transparenzregister führende Stelle), ist unklar. Die besseren Argumente sprechen dafür, dass das BVA und die Bundesanzeiger Verlag GmbH verpflichtet sind, sicherzustellen, den Zugang zum Transparenzregister ab sofort so zu beschränken, dass persönliche Informationen von wirtschaftlich Berechtigten nicht mehr von allen Mitgliedern der Öffentlichkeit eingesehen werden können. Wirtschaftlich Berechtigte können zudem in Erwägung ziehen, einen Antrag nach § 23 Abs. 2 GwG auf Beschränkung der Einsichtnahme in das Transparenzregister und die Übermittlung der dort hinterlegten Daten zu stellen. Wird dem Antrag nicht stattgegeben und bleibt der öffentliche Zugang unbeschränkt, können wirtschaftlich Berechtigte unter Verweis auf die Entscheidung des EuGH auf die Beschränkung klagen.