Gesellschaftsrecht

Neues Stiftungszivilrecht tritt in Kraft

Zum 1. Juli 2023 treten wesentliche Teile des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts in Kraft. Das Stiftungszivilrecht wird zukünftig abschließend bundeseinheitlich in §§ 80 ff. BGB geregelt und gilt für alle rechtsfähigen Stiftungen des Bürgerlichen Rechts.

Ziel des Gesetzgebers ist eine einheitliche Kodifikation ohne grundlegende inhaltliche Änderung der bisherigen Rechtslage.

I. Neues Stiftungszivilrecht tritt in Kraft

Bislang war das Stiftungszivilrecht fragmentarisch im BGB und den 16 Landesstiftungsgesetzen normiert. Das Verhältnis zwischen diesen Regelungen sorgte immer wieder für Rechtsunsicherheit. Dem sollen insbesondere die folgenden Neuregelungen abhelfen:​

  • Für Satzungsänderungen gelten künftig je nach der Eingriffsintensität abgestufte Anforderungen (§§ 85, 85a BGB): Im Hinblick auf den Stiftungszweck sind Austausch oder erhebliche Beschränkungen als stärkster Eingriff in den Stifterwillen nur zulässig, wenn der Stiftungszweck nicht mehr nachhaltig und dauerhaft erfüllt werden kann oder das Gemeinwohl gefährdet. Andere Änderungen des Stiftungszwecks oder prägender Bestimmungen der Stiftungssatzung sind bei wesentlicher Veränderung der Verhältnisse möglich. Sonstige Satzungsänderungen sind bereits zulässig, wenn sie der Erfüllung des Stiftungszwecks dienlich sind. Abweichende Regelungen im Stiftungsgeschäft sind möglich. Sollen Satzungsänderungen durch die Stiftungsorgane erleichtert werden, muss der Stifter Inhalt und Ausmaß der Änderungsermächtigung hinreichend bestimmt festlegen.
  • Zulegungen und Zusammenlegungen von Stiftungen (§§ 86 bis 86h BGB) sowie deren Umgestaltung in Verbrauchsstiftungen (§ 85 Abs. 1 Satz 3 BGB) werden differenzierter geregelt. Umstrukturierungen sollen zukünftig insbesondere durch die nun bundeseinheitlich geltende Gesamtrechtsnachfolge bei Zulegungen und Zusammenlegungen beschleunigt und erleichtert werden. Stiftungen müssen in diesen Fällen nicht mehr aufgelöst oder liquidiert werden.
  • Insbesondere die Beendigung von Stiftungen soll durch die neuen Regelungen zur Auflösung und Aufhebung von Stiftungen rechtssicherer werden (§§ 87 bis 87d BGB). Hier bestanden bislang erhebliche Regelungsunterschiede zwischen den Landesstiftungsgesetzen. Auch deren Verhältnis zu § 87 BGB a.F. war sehr umstritten. Nach der Gesetzesbegründung sollen abweichende Satzungsregelungen grundsätzlich unzulässig sein.
  • Die neuen Vorschriften regeln die Vermögensverfassung der Stiftung detaillierter als die bisherigen Landesstiftungsgesetze und konkretisieren zentrale Begriffe und Prinzipien (§§ 83b, 83c BGB). Erstmals wird die sogenannte Hybridstiftung gesetzlich geregelt, bei der der Stifter im Stiftungsgeschäft bestimmen kann, dass ein Teil des Vermögens verbraucht werden darf. Begrifflich wird zukünftig zwischen dem ungeschmälert zu erhaltenden Grundstockvermögen und dem sonstigen Vermögen unterschieden.  Gewinne, die bei der Umschichtung des gebundenen Grundstockvermögens entstehen (sog. Umschichtungsgewinne), können zukünftig für die Erfüllung des Stiftungszwecks verwenden werden.
  • Das neue Stiftungsrecht enthält in §§ 84 bis 84c BGB erstmals ausführliche eigenständige Vorschriften zur Organisationsverfassung der Stiftung, die die bisherigen Verweise in das Vereinsrecht weitestgehend ersetzen. Durch § 84a Abs. 2 Satz 1 BGB wird die aus dem Kapitalgesellschaftsrecht bekannte Business Judgement Rule für Stiftungen kodifiziert und damit das Pflichten- und Haftungsregime für Stiftungsorgane an die für Wirtschaftsunternehmen geltenden Anforderungen angeglichen.

Ab dem 1. Januar 2026 sind alle Stiftungen dann in ein zentrales, elektronisch geführtes Stiftungsregister einzutragen. Die Eintragung in das Stiftungsregister wirkt nicht konstitutiv, aber Dritte müssen sie gegen sich gelten lassen (sog. negative Publizität; § 82d BGB). Einzutragen sind beispielsweise Satzungsänderungen, das Erlöschen der Stiftung bei Zulegungen und Zusammenlegungen sowie Vorstandsmitglieder, besondere Vertreter und der Umfang ihrer Vertretungsmacht.

II. Gleiss Lutz kommentiert

Das neue Stiftungsrecht ist zu begrüßen, weil es mehr Rechtssicherheit schafft und gleichzeitig in einigen Bereichen, insbesondere bei Satzungsänderungen, die Gestaltungsfreiheit erweitert. Für die Corporate Governance und die Sicherung der Nachfolge bei Familienunternehmen dürfte die Bedeutung der Stiftung dadurch noch zunehmen. Zu den bisher bekannten Vorteilen (Schutz vor Verkauf und gegen Übernahmen, Mitbestimmungsfreiheit) kommen die erhöhte Transparenz (Stiftungsregister), mehr Freiheiten bei Satzungsänderungen und die Möglichkeit, Umschichtungsgewinne für die Erfüllung des Stiftungszwecks verwenden zu können.

Das neue Recht zwingt nicht zu umgehenden Satzungsanpassungen, aber für bestehende Stiftungen empfiehlt sich die Überprüfung, ob eine Anpassung zweckmäßig ist. Die Rechtsaufsicht bleibt wie bisher bei den Landesbehörden. Insoweit kann es auch künftig unterschiedliche Handhabungen geben. Allerdings wird die Rechtsaufsicht in den meisten Bundesländern schon heute zurückhaltend ausgeübt. Eine Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen der Stiftungsorgane findet nicht statt.

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