Arbeitsrecht

Nach „Going Frankfurt“ harter Exit? – Abfindung statt Kündigungsschutz für manche Banker

Bedeutende Institute können sich künftig von gut dotierten Risikoträgern gegen Zahlung einer Abfindung trennen. Das hat der Bundestag als Teil des Brexit-Steuerbegleitgesetzes (Brexit-StBG) am 21. Februar 2019 beschlossen. Das Gesetz soll am 29. März 2019 in Kraft treten, nachdem zuvor der Bundesrat am 15. März 2019 noch seine Zustimmung erteilen muss.

Inhalt der geplanten Regelung – Was kommt?

Mit dem Brexit-StBG setzt die Bundesregierung das Vorhaben um, den Standort Deutschland für Finanzinstitute attraktiver zu gestalten. Hierfür wird § 25a KWG um einen neuen Absatz 5a ergänzt. Er schränkt den Kündigungsschutz von Risikoträgern ein, deren Fix-Vergütung das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung übersteigt. Das ist in 2019 EUR 241.200 im Westen bzw. EUR 221.400 im Osten.

Bedeutende Institute können Risikoträger deshalb künftig ohne Vorliegen eines Kündigungsgrundes entlassen. Sie müssen dafür in einem Kündigungsschutzprozess nur den Antrag stellen, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Eine Begründung, weshalb sie mit dem Mitarbeiter nicht mehr zusammenarbeiten können, ist nicht erforderlich.  Das Gericht löst daraufhin das Arbeitsverhältnis auf und setzt eine Abfindung fest. Die Höhe dieser Abfindung ist gesetzlich auf einen Betrag zwischen 12 und 18 Monatsverdiensten begrenzt und hängt vom Alter des Mitarbeiters und der Dauer des Arbeitsverhältnisses ab. Bei der Festsetzung der Abfindung stellen die Arbeitsgerichte auf die Total Compensation des Mitarbeiters im Austrittsmonat und nicht nur auf das Fixgehalt ab. Gleichwohl werden diese gerichtlich festgesetzten Abfindungen aufgrund der in § 10 Abs. 1 und 2 KSchG enthaltenen Deckelung in aller Regel erheblich niedriger ausfallen, als bislang in solchen Fällen üblicherweise ausgehandelte Abfindungen.

Damit werden Risikoträger mit einer Fix-Vergütung oberhalb des Schwellenwerts kündigungsschutzrechtlich leitenden Angestellten i.S.d. KSchG gleichgestellt. Bei ihnen ist der Kündigungsschutz schon jetzt entsprechend gelockert. Im Falle einer sozial nicht gerechtfertigten und damit unwirksamen Kündigung benötigt der Arbeitgeber bei ihnen schon jetzt für einen Auflösungsantrag keine „Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen“. In der betrieblichen Praxis führt der abgeschwächte Kündigungsschutz für leitende Angestellte kaum zu Erleichterungen bei einer Trennung. Dies liegt daran, dass die Arbeitsgerichte extrem hohe Anforderungen an den Status des leitenden Angestellten stellen und die Kündigungserleichterung deshalb selten zum Tragen kommt.

Grenzen der Regelung – Was kommt nicht?

Der neue § 25a Abs. 5a KWG enthält keinen Freifahrtschein für die Kündigung von Bankern. Sein Anwendungsbereich ist begrenzt auf bedeutende Institute, also Institute mit einer durchschnittlichen Bilanzsumme von 15 Milliarden Euro und mehr. Er erstreckt sich in bedeutenden Instituten nur auf Risikoträger im Sinne des § 2 Abs. 8 der Institutsvergütungsverordnung (IVV), deren jährliche Fix-Vergütung EUR 241.200 übersteigt. Nicht erfasst sind Risikoträger mit einer niedrigeren Fix-Vergütung, leitende Angestellte i.S.d. KSchG sowie Mitglieder der Vertretungsorgane des Instituts.

Übergangsregelung – Ab wann?

Die Kündigungserleichterung für gutverdienende Banker soll erstmals für Kündigungen gelten, die einem Risikoträger mehr als acht Monate nach Inkrafttreten des Brexit-StBG, also ab 30. November 2019, zugehen. Für bereits ausgesprochene Kündigungen sowie für laufende und zeitnah umzusetzende Restrukturierungsvorhaben gilt sie somit nicht. Institute können sich deshalb in laufenden Kündigungsschutzprozessen nicht darauf berufen, aber unter Umständen nach dem 30. November 2019 erneut kündigen, um in den Genuss dieser Privilegierung zu kommen.

Chancen und Risiken in der Praxis – Was bleibt (offen)?

Die politisch umstrittene Vorschrift wird vielfach als verfassungsrechtlich bedenklich und arbeitsrechtlich systemfremd kritisiert. Dies, weil sie den Kündigungsschutz nur für eine bestimmte Mitarbeitergruppe in einer bestimmten Branche und abhängig vom Gehaltsniveau, statt von ihrer Stellung in der Betriebshierarchie lockert. Das ist neu in der deutschen Arbeitsrechtslandschaft.

Für bedeutende Institute ist der neue § 25a Abs. 5a KWG in erster Linie eine Chance. Ihre Position wird sich in Trennungsverhandlungen entscheidend verbessern. Bisher waren Banken aufgrund des hohen Gehaltsniveaus von Risikoträgern bei schlechten Erfolgsaussichten einer Kündigung in der Regel sehr hohen Abfindungsforderungen ausgesetzt. Das wird künftig unter Umständen anders sein. Denn vor Gericht droht eine gesetzlich begrenzte und deshalb wahrscheinlich erheblich geringere Abfindung. Entgegensetzen können Risikoträger dem u.a. Bonusklagen für die Vergangenheit, um die Durchschnittsvergütung, die der Berechnung der Abfindung zugrunde gelegt wird, zu erhöhen. Abzuwarten bleibt, ob und in welchen Fallkonstellationen die Arbeitsgerichte dem Auflösungsantrag nach § 25a Abs. 5a KWG Grenzen setzen werden.

Folgen wird die Neuregelung für bereits laufende Einstellungs- und Beförderungsprozesse haben. Bedeutende Institute müssen damit rechnen, dass Bewerber und potentielle Risikoträger durch eine entsprechende Vertragsgestaltung, z.B. über das Gehalt(sniveau), versuchen werden, die Anwendbarkeit der Vorschrift zu vermeiden. In laufenden Sozialplanverhandlungen können Institute unter Verweis auf die Neuregelung versuchen, Abfindungs-Caps durchzusetzen. Ob die Betriebsräte sich darauf einlassen und Abfindungs-Caps nur für Risikoträger einer gerichtlichen Überprüfung standhalten werden, bleibt jedoch offen.

Fazit

Der neue § 25a Abs. 5a KWG wird die bisweilen festgefahrenen Trennungsverhandlungen mit gut bezahlten Risikoträgern arbeitgeberseitig erleichtern. Aufgrund des begrenzten Anwendungsbereichs kann die Vorschrift jedoch nicht in allen Fällen Abhilfe schaffen. Für die betroffenen Banker steht bereits jetzt jedoch schon fest: attraktiver ist der Finanzstandort Deutschland für sie durch die Neuregelung nicht geworden.

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