Der Immobilienmarkt sieht sich derzeit besonders großen Herausforderungen gegenüber. Neben einem stetig wachsenden Bewusstsein für die Notwendigkeit eines nachhaltigeren, klimaschonenderen Handelns werden vor allem die Auswirkungen der geopolitischen Entwicklungen der vergangenen Jahre zunehmend deutlich. Diese Veränderungen haben zu einer Vielzahl gesetzlicher Regelungen geführt, die teilweise bereits zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten sind, teilweise erst noch im Verlauf des Jahres in Kraft treten werden.
Die hohe Inflationsrate sowie die vor allem durch den Ukraine-Krieg bedingten Unsicherheiten hinsichtlich der Versorgungssicherheit in Bezug auf Strom und Gas haben zudem erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung des Zinsniveaus. Während der Leitzins der Europäischen Zentralbank im Juli 2022 erstmals nach langer Zeit wieder auf über 0 Prozent angehoben wurde, lag er im Dezember 2022 bereits bei 2,5 Prozentpunkten. Aufgrund der fortschreitend hohen Inflation wird sich diese Entwicklung 2023 aller Voraussicht nach entsprechend fortsetzen. Der steigende Leitzins wird sich zudem entscheidend auf die Entwicklung der Bauzinsen und damit auf das Marktverhalten von Immobilienkäufern und Bauherren auswirken. Seit dem letzten Leitzinsanstieg ist insofern ein Anstieg um 0,5 bis 0,7 Prozentpunkte zu beobachten, sodass diese aktuell bei 4 bis 4,5 Prozent p.a. liegen, was die Investitionsbereitschaft nachhaltig dämpfen wird. Entsprechendes gilt für die Entwicklung des Basiszinssatzes der Deutschen Bundesbank, der zuletzt erstmals seit 2016 gestiegen ist und derzeit bei immerhin 1,62 Prozent liegt. Demgegenüber steht ein schwer vorhersehbarer, aber jedenfalls bereits jetzt sehr dynamischer Anstieg der Baukosten. Zusammen mit den gestiegenen Bauzinsen entwickelt sich dadurch eine Schere, die die Entwicklung von Immobilien jeglicher Asset-Klasse und so auch die Transaktionsaktivität beeinträchtigt.
Die aktuelle gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die damit verbundenen Unwägbarkeiten führen zudem zu Unsicherheiten auf Seiten von Immobilien(ver)käufern, Vermietern und Mietern und in der Folge zu wiederholten Rufen nach einem weiteren Tätigwerden des Gesetzgebers.
Nachfolgend gehen wir auf die zentralen Entwicklungen ein und stellen die wichtigsten gesetzgeberischen Änderungen dar, die den Immobilienmarkt im Jahr 2023 aller Voraussicht nach prägen werden.
Steigerung der Nachhaltigkeit in der Immobilienbewirtschaftung
Die Anforderungen an eine nachhaltige Errichtung und Bewirtschaftung von Immobilien sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Mit Blick auf die Herausforderungen des Klimawandels hat der Gesetzgeber eine Reihe von Vorschriften erlassen (bzw. steht deren Erlass unmittelbar bevor), um das Ziel einer möglichst klimaschonenden Gebäudeerrichtung und -nutzung zu verwirklichen.
So ist zum 1. Januar 2023 das Gesetz zur Aufteilung der Kohlendioxidkosten in Kraft getreten, das im Wege der Kostenaufteilung zwischen Vermieter und Mietern entsprechend ihren Verantwortungsbereichen und Einflussmöglichkeiten auf den CO2-Ausstoß dem Ziel dient, Anreize zu schaffen, die Menge der Treibhausgasemissionen im Gebäudebereich zu reduzieren, indem Gebäudenutzer zu energieeffizientem Verhalten und Eigentümer zu Investitionen in klimaschonende Heizsysteme und energetische Sanierungen angehalten werden. Kernstück des Gesetzes ist die Regelung in § 5 Abs. 2, nach der die Kohlendioxidkosten in Abhängigkeit vom CO2-Ausstoß des vermieteten Gebäudes bzw. der jeweiligen Wohnung im Wege eines Stufenmodells auf die Mietvertragsparteien aufgeteilt werden. Hierbei gilt, dass je geringer der CO2-Ausstoß ist, desto größer der von den Mietern zu tragende Kostenanteil sein darf, wobei das Gesetz insofern zwischen Wohn- und Nichtwohngebäuden differenziert. Es findet dabei – mit geringen Modifikationen – auch Anwendung auf Mietverhältnisse, die bereits vor dem 1. Januar 2023 begründet wurden. Da Vermieter bislang berechtigt waren, die Zusatzkosten für den Kohlendioxidpreis vollumfänglich an die Mieter weiterzugeben, wird sich die auf Seiten der Vermieter anfallende Kostenlast künftig erhöhen, was in der Folge entsprechende Auswirkungen auf die Kalkulation der Angebotsmieten haben dürfte.
Voraussichtlich noch Anfang 2023 wird zudem das Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht verkündet werden. Hauptziel des Gesetzes ist es, dazu beizutragen, den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen. Im Einzelnen soll dabei der Ausbau von Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen vorangetrieben, die Produktion von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien unterstützt und die Nutzung von Windkraft und Biomasse verbessert werden. Bestehende Kapazitätsgrenzen für Biogasanlagen im Außenbereich sollen bis Ende 2024 ausgesetzt und die Anforderungen an die Herkunft der Biomasse gelockert werden. Dadurch soll die Gas-, Strom- und Wärmeproduktion von Bioenergieanlagen erhöht werden. Zudem wird eine schnelle und unkomplizierte Erschließung der Flächenpotenziale von Tagebaufolgeflächen für die Erzeugung von Strom aus Windenergie- oder Photovoltaik-Anlagen angestrebt. Um die Nutzung solcher Flächen für die Erzeugung erneuerbarer Energien zu erleichtern, ist in § 249b Abs. 1 BauGB die Einführung einer Verordnungsermächtigung vorgesehen, die den betroffenen Ländern eine entsprechende Nutzung ermöglichen soll, ohne dass es dazu der Änderung bestehender Raumordnungs- oder Flächennutzungspläne bedarf. In der Folge sollen geeignete Flächen deutlich früher für die genannten Zwecke zur Verfügung stehen.
Green Leases haben in den letzten Jahren stetig an Bedeutung gewonnen. Dem trägt der Zentrale Immobilien Ausschuss e.V. (ZIA) Rechnung, indem er für 2023 eine Überarbeitung seines im Jahr 2018 herausgegebenen Leitfadens „Green Lease – Der grüne Mietvertrag für Deutschland“ angekündigt hat, der sich seit seiner Veröffentlichung als eines der Standardwerke zum Thema nachhaltige Mietverträge etabliert hat.
Hinzuweisen ist ferner u.a. auf die Reform der Bundesförderung für effiziente Gebäude, die zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist, sowie die ebenfalls zu Jahresbeginn wirksam gewordene Novelle des Gebäudeenergiegesetzes.
Milderung der Folgen der hohen Inflation
Die zuletzt ungewöhnlich stark steigenden Energiepreise stellen sowohl Eigentümer als auch Mieter vor teils immense Herausforderungen, da das derzeitige Preisniveau teilweise dazu führt, dass bestimmte Immobilien kaum noch wirtschaftlich genutzt werden können. Zudem enthalten die meisten Bestandsmietverträge keine Regelungen, die der aktuellen Entwicklung angemessen Rechnung tragen.
Mit der voraussichtlich zum 1. März 2023, dann jedoch rückwirkend auf den Beginn des Jahres in Kraft tretenden Strom- und Gaspreisbremse verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, Privathaushalte sowie Unternehmen hinsichtlich der Energiepreise signifikant zu entlasten. Dies erfolgt dergestalt, dass beim Gas ein Kontingent von 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs auf EUR 0,12 pro Kilowattstunde gedeckelt wird. Diese Regelung gilt dabei sowohl für Private als auch für kleine und mittlere Unternehmen. Beim Strom wird bei privaten Haushalten und Kleingewerben ein jährlicher Verbrauch von bis zu 30.000 Kilowattstunden für ein Kontingent in Höhe von 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs auf EUR 0,40 pro Kilowattstunde gedeckelt. Für mittlere und große Unternehmen mit einem Jahresverbrauch von mehr als 30.000 Kilowattstunden gilt eine Deckelung auf EUR 0,13 pro Kilowattstunde für ein Kontingent in Höhe von 70 Prozent des Verbrauchs im Vorjahr. Vermieter sind in der Folge gehalten, die gewährten Entlastungen – sofern diese nicht direkt bei den Mietern anfallen – im Rahmen der Betriebskostenabrechnung an diese weiterzugegeben. Die Energiepreisbremse gilt zunächst für das gesamte Jahr 2023, kann jedoch ggf. bis April 2024 verlängert werden.
Aufgrund der in den letzten Monaten ungewohnt hohen Inflationsrate liegt aktuell ein besonderes Augenmerk auf der Gestaltung von Wertsicherungsklauseln in gewerblichen Mietverträgen. Während derartige Regelungen, insbesondere dann, wenn sie – ggf. in kurzen Abständen – eine Anpassung der geschuldeten Miete in voller Höhe der Veränderung des Verbraucherpreisindexes gestatten, für Vermieter derzeit besonders vorteilhaft sind, führen sie auf Seiten der betroffenen Mieter momentan zu teils erheblichen Mietsteigerungen. Im Zuge der Verhandlung und des Neuabschlusses von Mietverträgen wird der Ausgestaltung der Mietanpassungsregelungen daher künftig eine (noch) größere Bedeutung zukommen. Im Rahmen von Bestandsmietverträgen wurde zuletzt wiederholt diskutiert, inwiefern Indexierungsklauseln im Fall einer weiterhin stark steigenden Inflation einer Anpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) zugänglich sind.
Weitere gesetzliche Änderungen
Noch Anfang des Jahres 2023 soll zudem das Sanktionsdurchsetzungsgesetz II verkündet werden, das u.a. auf die effektivere Umsetzung von Sanktionen sowie die Bekämpfung von Geldwäsche abzielt. Im Immobilienbereich soll das Gesetz für mehr Transparenz sorgen, indem Basisdaten aus den Grundbüchern (etwa zum Eigentümer oder den Flurstücken) in das Transparenzregister aufgenommen werden. Außerdem werden durch die neuen Regelungen künftig Barzahlungen beim Immobilienerwerb verboten, um Geldwäscherisiken zu minimieren.
Mit Wirkung zum 1. Juli 2023 wird schließlich der lineare AfA-Satz für die Abschreibung von Wohngebäuden von 2 auf 3 Prozent für Gebäude, die nach dem 30. Juni 2023 fertig gestellt werden, angehoben. Dadurch reduziert sich die Abschreibungsperiode von 50 auf 33 Jahre. Die damit einhergehenden Steuervorteile sollen zu einer Belebung des Wohnungsneubaus beitragen.
Ausblick
Das Bestreben, Immobilien klimaschonender zu bewirtschaften sowie die Notwendigkeit, die Folgen der ungewöhnlich hohen Inflation für Gebäudeeigentümer und Mieter gleichermaßen abzumildern, wird den Immobilienmarkt im Jahr 2023 weiter nachhaltig prägen. Das derzeit hohe Zinsniveau, der ungewisse Ausgang des Ukraine-Krieges und die Unwägbarkeiten hinsichtlich der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung stellen weiterhin die zentralen Herausforderungen dar. Die sich insofern ergebenden Rechtsfragen dürften dabei an Komplexität zunehmen.