Wertsicherungsklauseln, die die Miethöhe an die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes (VPI) knüpfen, sind in Gewerbemietverträgen seit langem weit verbreitet. Nachdem ihnen aufgrund der eher moderaten Indexänderungen in den vergangenen Jahren meist wenig Aufmerksamkeit zuteilwurde, gewinnen sie angesichts der derzeit weiterhin hohen Inflation zunehmend an Bedeutung, führen sie gegenwärtig doch dazu, dass sich die Zahlungspflichten der betroffenen Mieter in einem Umfang und einer Frequenz erhöhen, mit denen die erzielbaren Umsätze häufig nur schwer mithalten können.
Gesetzlicher Rahmen für die Vereinbarung von Wertsicherungsklauseln
Die Zulässigkeit von Wertsicherungsabreden in Gewerbemietverträgen bemisst sich vor allem anhand des Preisklauselgesetzes (PrKG). Nach diesem sind Wertsicherungsklauseln zulässig, sofern sie (i) hinreichend bestimmt sind, (ii) der betreffende Vertrag für die Dauer von mindestens zehn Jahren geschlossen wurde oder der Vermieter für diese Dauer auf das Recht zur ordentlichen Kündigung verzichtet bzw. der Mieter das Recht hat, die Vertragslaufzeit auf mindestens zehn Jahre zu verlängern, (iii) die Miete durch die Änderung des VPI oder eines von einem Statistischen Landesamt oder dem Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaft ermittelten Preisindexes bestimmt wird und (iv) die Parteien durch die vereinbarte Klausel nicht unangemessen benachteiligt werden. Eine solche Benachteiligung liegt insbesondere vor, wenn ein Preisanstieg eine Mieterhöhung, ein Preisrückgang jedoch keine entsprechende Mietreduzierung zur Folge hat (sog. upwards-only-Klauseln). Sofern eine Wertsicherungsabrede den genannten Anforderungen widerspricht, ist sie ab dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Feststellung des Verstoßes unwirksam.
Indes enthält das PrKG keine Regelungen, die im Fall einer ungewöhnlich hohen Indexveränderung sicherstellen, dass die Mietanpassung einer Begrenzung unterliegt. Auch sehen Gewerbemietverträge nur selten entsprechende Abreden vor, da hierfür bislang kaum Veranlassung bestand.
Handlungsoptionen der betroffenen Mieter
Eine außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund (§ 543 BGB) dürfte im Ergebnis unzulässig sein, da die Vertragsstörung nicht aus der Sphäre des Vermieters stammt, geschweige denn von diesem verschuldet ist, sondern vielmehr auf äußeren, von den Parteien nicht zu beeinflussenden Umständen beruht. Im Übrigen dürfte eine vorzeitige Vertragsbeendigung auch nur selten im Interesse der Parteien liegen, die meist eher an flexibleren Lösungen interessiert sein werden.
In Betracht kommt hingegen die Geltendmachung eines Anspruchs auf Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Ein solcher besteht, wenn (i) eine nachträgliche schwerwiegende Änderung von Umständen eintritt, die zur Vertragsgrundlage geworden sind (sog. tatsächliches Element), (ii) die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie die Veränderung vorausgesehen hätten (sog. hypothetisches Element) und (iii) das Festhalten am unveränderten Vertrag unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls für die eine Vertragsanpassung fordernde Partei unzumutbar ist (sog. normatives Element).
Die Frage, ob die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage im Fall dynamischer Änderungen des VPI zur Anwendung kommen, ist bislang nicht höchstrichterlich geklärt. Zwar hat der BGH für den Fall, dass die Parteien keine Abreden zur Wertsicherung getroffen haben, entschieden, dass das Risiko einer normalen Kaufkraftentwertung grundsätzlich der Mieter trägt, sodass ein Absinken der Kaufkraft keine Rechte nach § 313 BGB und daher auch nicht die Möglichkeit eröffnet, in den betroffenen Mietvertrag eine Wertsicherungsabrede hineinzuinterpretieren. Hieraus lassen sich jedoch keine Rückschlüsse für Konstellationen ziehen, in denen sich die vereinbarten Wertsicherungsabreden letztlich als „zu wirkungsvoll“ erweisen.
Im Ergebnis abzulehnen sein dürfte die Heranziehung der im Kontext der Covid19-Pandemie herausgearbeiteten Grundsätze. Zum einen handelte es sich bei der pandemischen Lage um ein unerwartetes, singuläres Ereignis, für das die Parteien typischerweise keine vertraglichen Vorkehrungen getroffen haben, während die Geldentwertung regelmäßig Schwankungen unterliegt. Zudem ist zweifelhaft, ob die Auswirkungen der Covid19-Pandemie mit jenen einer hohen Inflation vergleichbar sind. Denn während in den „Corona-Sachverhalten“ eine Nutzung der betroffenen Mietobjekte zeitweise überhaupt nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich war, der Miete eine faktisch entwertete Gegenleistung gegenüberstand, können auf einer Wertsicherungsabrede beruhende Mieterhöhungen ggf. durch Umsatzsteigerungen oder die Weitergabe der höheren Kosten (jedenfalls teilweise) kompensiert werden.
Letztlich dürften die besseren Argumente gegen eine Heranziehung der Grundsätze des § 313 BGB sprechen:
- So ist bereits fraglich, ob tatsächlich angenommen und wie im Übrigen nachgewiesen werden kann, dass die Parteien (oder jedenfalls der Mieter in einer für den Vermieter erkennbaren Weise) von einer nur moderaten Entwicklung des VPI ausgegangen sind. Zudem wurden die Erwartungen der Parteien hinsichtlich der Preisentwicklung durch die Vereinbarung einer Wertsicherungsabrede bereits in den Vertrag aufgenommen und damit zum Vertragsinhalt, der nicht zugleich Vertragsgrundlage sein kann. Hinzu kommt, dass eine Vertragsanpassung ausscheidet, wenn sich ein Risiko realisiert, dass eine Partei allein zu tragen hat. Hier ist zu beachten, dass grundsätzlich der Vermieter das Risiko der Geldentwertung, der Mieter aber jenes der Geldbeschaffung und Finanzierung trägt. Damit obliegt diesem auch das Inflationsrisiko. Auch der Umstand, dass § 313 BGB auch die sog. große Geschäftsgrundlage und damit die Erwartung umfasst, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen, unter denen der Vertrag abgewickelt wird, nicht durch Krieg, Hyperinflation oder Naturkatastrophen ändern, hilft letztlich nicht weiter. Aus der maßgeblichen Rechtsprechung ergibt sich vielmehr, dass diese nur grundlegende Umwälzungen, die sich direkt auf den jeweiligen Vertrag auswirken, im Blick hat, etwa Revolutionen und Kriege (in Deutschland) oder Inflationsraten, die deutlich über dem derzeitigen Niveau liegen. Daher ist es mehr als zweifelhaft, ob eine durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöste, zumal zeitlich (voraussichtlich) überschaubare Phase hoher Inflation eine Störung der großen Geschäftsgrundlage darstellt. Schließlich bedarf es einer schwerwiegenden Änderung der Umstände. Da mit der Entwicklung der Inflation eine volatile Größe ganz ausdrücklich und bewusst zum Vertragsinhalt erhoben wurde, hat sich an den maßgeblichen Umständen aber letztlich nichts geändert.
- Zudem bestehen Rechte aus § 313 BGB nur, wenn der von der Vertragsstörung betroffenen Partei das Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann. Dies setzt voraus, dass die Vertragserfüllung zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlichtweg nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führen würde, was im Wege einer umfassenden Interessenabwägung unter Würdigung aller Umstände zu ermitteln ist. Zwar ließe sich argumentieren, dass etwa die Steigerung der Energiepreise in ihrem Ausmaß kaum vorhersehbar war. Andererseits muss nicht stets der konkrete Auslöser für die Inflation erkennbar sein, sondern nur die drohende Preisschwankung an sich. Dass die Inflationsrate sich von Zeit zu Zeit ändert und unter bestimmten Bedingungen stark ansteigen kann, ist eine Erfahrung, die Mieter schon in der Vergangenheit gemacht haben. Der Umstand, dass sich die Parteien für die Aufnahme einer bestimmten Wertsicherungsabrede entschieden haben, macht daher deutlich, dass ihnen die Chancen und Risiken, die hiermit einhergehen, bewusst waren. Schließlich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Mieter in der jüngeren Vergangenheit aufgrund der eher moderaten Inflation durchaus von Indexmietverträgen profitiert haben, sodass bei einer Gesamtbetrachtung die derzeitigen Mietsteigerungen nur bedingt ins Gewicht fallen.
Möglichkeiten konsensualer Vertragsanpassung
Da damit weder eine vorzeitige Vertragskündigung in Betracht kommen dürfte, noch ein Anspruch auf Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage, obliegt es den Parteien, Abreden zur Vertragsanpassung zu treffen, die ihre jeweiligen Interessen angemessen berücksichtigen. Die Gestaltungsoptionen sind vielfältig, werfen allerdings zahlreiche Rechtsfragen auf.
- Die naheliegendste Möglichkeit, auf ungewöhnlich hohe Indexveränderungen zu reagieren, besteht in der Anpassung der vertraglichen Wertsicherungsabreden. Dabei kann etwa vereinbart werden, dass eine Mietanpassung nur bei Erreichen bzw. Überschreiten eines bestimmten Schwellenwerts oder nach Ablauf bestimmter Zeiträume zulässig sein soll. Zudem kann vorgesehen werden, dass die Indexänderung nur in begrenztem Umfang an den Mieter weitergereicht wird. Es ist jedoch zu beachten, dass entsprechende Vertragsanpassungen nur in dem Rahmen zulässig sind, der durch das PrKG gezogen wird.
- Denkbar ist zudem, die Wertsicherungsklauseln unangetastet zu lassen, zugleich aber zu vereinbaren, dass diese für einen begrenzten Zeitraum keine Anwendung finden oder durch einen anderen Anpassungsmechanismus (etwa eine Staffel- oder Umsatzmiete) ersetzt werden. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass Beginn, Ende und Modalitäten der Aussetzung der Wertsicherungsabrede hinreichend bestimmt sind, indem etwa deutlich gemacht wird, welcher Indexstand für Mietänderungen nach dem Wiederaufleben der Wertsicherungsklausel maßgeblich sein soll.
- In Betracht kommt schließlich die Vereinbarung eines kommerziellen Ausgleichs, der unter Beibehaltung der vertraglichen Abreden zur Wertsicherung, etwa durch die Gewährung mietfreier Zeiten, Mietreduzierungen oder Stundungen, die Übernahme der Kosten für Modernisierungsarbeiten und/oder Investitionen oder die Deckelung der Betriebs- und sonstigen Nebenkosten, den Umfang der Zahlungspflichten des Mieters verringert. Die Liste der in Betracht kommenden Incentives ist lang. Auswahl und Ausgestaltung hängen von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Vermieters sowie dem Kostenverringerungsdruck auf Seiten des Mieters ab.
Zusammenfassung und Fazit
Da der Gesetzgeber bislang keine Regelungen für den Fall einer ungewöhnlich hohen Veränderung des VPI geschaffen hat und die sich stellenden Rechtsfragen auch höchstrichterlich weiter ungeklärt sind, obliegt es damit den Parteien der betroffenen Verträge, für eine angemessene Anpassung der Wertsicherungsabreden zu sorgen. Ihre Gestaltungsfreiheit unterliegt dabei insbesondere den durch das PrKG gezogenen Grenzen. Zudem ist darauf zu achten, dass durch die entsprechenden Vertragsanpassungen kein zu einer vorzeitigen Kündbarkeit des Vertrages führender Schriftformverstoß begründet wird. Insgesamt stellt sich die Situation damit für viele Mietverträge als „Stresstest“ dar, der für beide Parteien gleichermaßen Chancen und Risiken bietet.