Arbeitsrecht

FüPoG II: Förderung der Geschlechtergerechtigkeit durch verbindliche Geschlechterquote und weitere Vorgaben

Am 12. August 2021 ist das Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (zweites Führungspositionengesetz - FüPoG II) in Kraft getreten. Mit der Fortentwicklung des ersten Führungspositionengesetzes von 2015 soll die Geschlechtergerechtigkeit in den Vorstands- und Aufsichtsratsgremien deutscher Unternehmen sowie im öffentlichen Dienst gestärkt werden.

Änderungen im Überblick

Folgende wichtige Neuerungen sind im FüPoG II enthalten:

  • Verbindliche Geschlechterquote: Besteht der Vorstand einer börsennotierten und zugleich paritätisch mitbestimmten Aktiengesellschaft (AG) aus mehr als drei Mitgliedern, so muss er gemäß § 76 Abs. 3a S. 1 AktG künftig mit mindestens einer Frau und mindestens einem Mann besetzt sein. Maßgeblich ist allein die tatsächliche Zahl an Vorstandsmitgliedern, nicht die in der Satzung festgelegte Zahl. Die Regelung ist entsprechend auf die Besetzung des Vorstands bzw. der geschäftsführenden Direktoren/Direktorinnen börsennotierter Europäischer Aktiengesellschaften (SE) anzuwenden. Die verbindliche Geschlechterquote für den Vorstand ist ab dem 1. August 2022 bei der Bestellung einzelner oder mehrerer Vorstandsmitglieder einzuhalten. Die Bestellung eines Vorstands oder geschäftsführenden Direktors unter Verstoß gegen das Beteiligungsgebot ist nichtig. Für Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) gilt eine verbindliche Geschlechterquote gemäß § 77a GmbHG nur bei einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes. Auch bei Unternehmen iSd § 1 Abs. 1 und 3 DrittelbG müssen bei einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes Männer und Frauen jeweils zu mindestens 30 Prozent im Aufsichtsorgan vertreten sein.
  • Begründung der Zielgröße “Null“: Beabsichtigen Unternehmen, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, für den Vorstand, die beiden obersten Führungsebenen unterhalb des Vorstands oder für den Aufsichtsrat einen Frauenanteil von null Prozent, muss die Festlegung der Zielgröße „Null“ zukünftig klar und verständlich sowie ausführlich begründet werden (§§ 76 Abs. 4, 111 Abs. 5 AktG, §§ 36, 52 Abs. 2 GmbHG). Eine Übergangsfrist für die Begründungspflicht ist nicht vorgesehen. Dieser ist also bereits mit dem Inkrafttreten des FüPoG II nachzukommen.
  • Berichtspflichten: Gesellschaften die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, haben gemäß § 289f Abs. 2 Nr. 5a, Abs. 4 HGB in der Erklärung zur Unternehmensführung darüber Bericht zu erstatten, inwieweit sie den Vorgaben für die verbindliche Geschlechterquote für den Vorstand entsprechen. Zu der bereits geltenden Berichtspflicht hinsichtlich flexibler Zielgrößen für den Frauenanteil in Führungspositionen tritt die Pflicht zur Begründung der Festlegung der Zielgröße „Null“. Bei Nichteinhaltung der Vorgaben sind die Gründe hierfür anzugeben. Fehlen in der Erklärung zur Unternehmensführung Angaben zur verbindlichen Geschlechterquote für den Vorstand, liegt eine Zuwiderhandlung gegen die Vorgabe des § 289f HGB vor. Diese kann mit einem Bußgeld von bis zu 10 Mio. Euro oder 5 % des jährlichen Gesamtumsatzes, der in dem der Behördenentscheidung vorangegangenen Jahr erzielt wurde, sanktioniert werden. Diese Berichtspflichten gelten erstmals für Lage- und Konzernberichte für das nach dem 31. Dezember 2020 folgende Geschäftsjahr.
  • Beteiligung des Bundes: Für Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes gilt – unabhängig von Börsennotierung oder Mitbestimmung – bereits bei mehr als zwei Mitgliedern im Geschäftsführungsorgan eine Mindestbeteiligung von einer Frau und einem Mann. In Körperschaften des öffentlichen Rechts wird in mehrköpfigen Vorständen eine Mindestbeteiligung von einer Frau vorgegeben.
  • Öffentlicher Dienst: Im Bundesgleichstellungsgesetz wird das Ziel verankert, bis zum Ende des Jahres 2025 die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Bundesverwaltung zu erreichen. „Gleichberechtigte Teilhabe“ bedeutet laut Gesetzesbegründung, dass eine über die verschiedenen Führungsebenen hinweg betrachtete Besetzung von Führungspositionen im öffentlichen Dienst des Bundes mit annähernd numerischer Gleichheit angestrebt wird.
  • Auszeitregelung („Stay-on-Board“): Es bestehen nun mit § 84 Abs. 3 AktG n.F., § 40 Abs. 6 SEAG n.F. und § 38 Abs. 3 GmbHG gesetzliche Grundlagen für die Möglichkeit zur vorübergehenden Auszeit von Mitgliedern des Leitungsorgans der AG, SE und GmbH bei Mutterschutz, Elternzeit, Pflege von Familienangehörigen oder Krankheit (sog. „Stay-On-Board-Regelung“)

Gleiss Lutz kommentiert

Obwohl das FüPoGI bereits für erhebliche „Umbaumaßnahmen“ in Aufsichtsräten börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen gesorgt hat, bestand in Anbetracht des niedrigen Frauenanteils in anderen Spitzengremien aus Sicht des Gesetzgebers weiterer Handlungsbedarf. Die Neuerungen im Rahmen des FüPoG II werden bei den betroffenen Unternehmen vielfach zu weiteren Maßnahmen führen. Insbesondere die verbindliche Geschlechterquote in Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen wird die Geschlechtergerechtigkeit im Top-Management fördern. Die Stay-On-Board-Regelung stärkt die Vereinbarkeit von Führungsposition und Familie und kann verhindern, dass Karrierewege durch Mutterschutz oder Elternzeit verbaut werden. Ob und wie die Unternehmen mit diesen Neuregelungen in der Praxis klarkommen werden, wird sich noch beweisen müssen.

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