Wettbewerbsrecht

Europäisches Parlament beschließt Verschärfungen der Marktkommunikation zur Förderung des ökologischen Wandels

Am 17.1.2024 hat das Europäische Parlament der Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel (COM(2022) 143) zugestimmt. Neue Vorgaben an die Marktkommunikation sollen den ökologischen Wandel in der EU insbesondere mit den Mitteln des Lauterkeitsrechts vorantreiben. Die noch ausstehende Zustimmung des Europäischen Rates gilt als gesichert. Es lohnt sich also schon jetzt ein Blick auf den zukünftigen Rechtsrahmen.

Hintergrund

Die neue „Empowering Consumers Directive“ ist Teil eines umfangreichen Maßnahmenpakets zur Realisierung des Europäischen „Green Deal”. Sie soll die Position der Verbraucher stärken, denen die EU eine aktive Rolle bei der Beschleunigung des ökologischen Wandels zuschreibt.

Mit der Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel will die EU insbesondere folgenden Praktiken beschränken:

  • irreführende Umweltaussagen (Greenwashing)
  • Praktiken der frühzeitigen Obsoleszenz (vorzeitiges Ausfallen einer Ware)
  • unzuverlässige und nicht transparente Nachhaltigkeitssiegel und -informationsinstrumente

Übergreifendes Ziel der EU ist die Förderung des Wettbewerbs hin zu ökologisch nachhaltigeren Produkten und die Verringerung der negativen Auswirkungen auf die Umwelt. Das Lauterkeitsrecht dient hier über seine ursprüngliche Funktion der Sicherung des unverfälschten Wettbewerbs hinaus als Instrument zur Durchsetzung von politischen Zielen.

Verbot irreführender Umweltaussagen

Mit der Richtlinie sollen EU-weit strenge Anforderungen an Umweltaussagen in die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) eingeführt werden. Als „Umweltaussage“ soll jegliche nicht gesetzlich vorgegebene kommerzielle Kommunikation (z.B. Werbung) gelten, „in der ausdrücklich oder stillschweigend angegeben wird, dass ein Produkt, eine Produktkategorie, eine Marke oder ein Gewerbetreibender eine positive oder keine Auswirkung auf die Umwelt hat oder weniger schädlich für die Umwelt ist als andere Produkte, Marken bzw. Gewerbetreibende oder dass deren Auswirkung im Laufe der Zeit verbessert wurde“ (Art. 2 Abs. 1 lit. o UGP-RL-Entwurf). Der Anwendungsbereich wäre damit sehr weit. Infolge des gestiegenen Umweltbewusstseins der Verbraucher werden solche Aussagen häufig als Marketinginstrument eingesetzt. Sie würden zukünftig der neuen Richtlinie unterfallen.

Allgemeine Umweltaussagen sollen stets – also ohne weitere Prüfung der Relevanz für die Entscheidung des Verbrauchers – bereits dann unzulässig sein, wenn der Unternehmer keine Nachweise für die beworbene hervorragende Umweltleistung erbringen kann (Anhang I Nr. 4a UGP-RL-Entwurf). Dieser Verbotstatbestand wäre ein scharfes Schwert. Er erfasst zahlreiche in der Werbung genutzte Begriffe wie z.B. „grün“, „natürlich“, „ökologisch“, „umweltfreundlich“, „klimaneutral“, „CO2-neutral“ und „energieeffizient“. Es soll sogar genügen, wenn mit Begriffen wie „bewusst“ oder „verantwortungsbewusst“ eine besondere Umweltleistung lediglich suggeriert wird. Die beworbene Umweltleistung soll nicht auf der Kompensation von Umweltauswirkungen wie z.B. dem Erwerb von Emissionsgutschriften beruhen dürfen.

Von großer praktischer Bedeutung dürfte auch die geplante Verschärfung zu Umweltaussagen über die künftige Umweltbelastung bringen. Sie sollen explizit als irreführend gelten, wenn sie ohne klare, objektive, öffentlich verfügbare und überprüfbare Verpflichtung getroffen werden (Art. 6 Abs. 2 lit. d UGP-RL-Entwurf). Dabei muss die erforderliche Verpflichtung in einem detaillierten und realistischen Umsetzungsplan dargelegt sein, der messbare und zeitlich festgelegte Ziele und andere relevante Elemente enthält, die zur Unterstützung der Umsetzung erforderlich sind (wie z.B. die Zuweisung von Ressourcen und eine regelmäßige Überprüfung von Sachverständigen, dessen Ergebnisse den Verbrauchern zugänglich gemacht werden). Ähnlich strenge Vorgaben gibt es bislang nur bei der Werbung mit den Ergebnissen unabhängig durchgeführter Warentests oder bei einzelnen Produkten mit besonderem Gesundheitsbezug (z.B. bei Lebensmitteln oder Heilmitteln). Allerdings sind selbst dort keine vergleichbaren Verpflichtungen Voraussetzung für die Werbung.

Die Richtlinie schränkt auch die Möglichkeiten der Unternehmen ein, Emissionsvorteile zu bewerben, die sich erst aus Kompensationsmaßnahmen ergeben. Unternehmen wäre zukünftig untersagt „neutrale, reduzierte, kompensierte oder positive Auswirkung“ eines Produkts auf die Umwelt zu bewerben, die auf einem CO2-Ausgleich basiert (Anhang I Nr. 4c UGP-RL-Entwurf). CO2-Ausgleiche bleiben damit zwar weiterhin zulässig und Unternehmen dürfen damit auch (etwa zur Imagewerbung) werben. Ein Produkt, das über seinen Lebenszyklus nicht selbst CO2-neutral ist, darf aber auch nicht als solches beworben werden.

Daneben sieht die Richtlinie weitere Ergänzungen und Präzisierungen des Irreführungsverbots vor:

  • Sie betont einzelne Aspekte („ökologische und soziale Folgen”, „Haltbarkeit“, „Reparierbarkeit“, „Wiederverwendbarkeit“ und „Recyclingfähigkeit“) als Bezugspunkte einer ggf. irreführenden Geschäftspraktik (Art. 6 Abs. 1 UGP-RL-Entwurf). Diese Änderung bringt inhaltlich für Deutschland wenig Neues, da § 5 UWG schon jetzt hinreichend offen formuliert ist, um auch diese Aspekte zu erfassen.
  • Werbung mit der Einhaltung von gesetzlichen Anforderungen, die für alle Produkte der betreffenden Kategorie gelten, soll stets unzulässig sein. Im Kern handelt es sich hier um Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Sie ist bereits heute im deutschen Recht unzulässig und auch das europäische Recht enthält entsprechende Verbote für spezifische Bereiche (z.B. für Lebensmittel in Art. 7 Abs. 1 lit. c der Lebensmittelinformations-Verordnung, LMIV). Die Werbung mit Selbstverständlichkeiten soll nun als eine stets unzulässige Geschäftspraktik auch in der UGP-Richtlinie allgemein normiert werden (Anhang I Abs. 3 Nr. 10a UGP-RL-Entwurf). Entsprechen die beworbenen Vorzüge einer Ware zwar nicht den gesetzlichen Anforderungen, aber der gängigen Praxis auf dem Markt, soll die Werbung auch unzulässig sein, allerdings nur, wenn sie Auswirkungen auf die Entscheidung der Verbraucher haben kann (Art. 6 Abs. 2 lit. b UGP-RL-Entwurf).
  • Eine Umweltaussage darf sich zudem nicht auf das gesamte Produkt oder den gesamten Betrieb des Gewerbetreibenden beziehen, wenn sie sich tatsächlich nur auf einen bestimmten Aspekt des Produkts oder des Betriebs bezieht (Anhang I Abs. 2 Nr. 4b UGP-RL-Entwurf).

Maßnahmen gegen frühzeitige Obsoleszenz

Die EU will Praktiken, wonach ein Produkt bewusst mit einer begrenzten Lebensdauer geplant oder konzipiert wird (frühzeitige Obsoleszenz), einschränken. Derartige Praktiken hätten Nachteile für den Verbraucher und insgesamt negative Auswirkungen auf die Umwelt in Form von mehr Abfall und höherem Energie- und Materialverbrauch. Zu den Maßnahmen gegen eine frühzeitige Obsoleszenz gehören etwa folgende:

  • Unternehmer dürfen Verbraucher nicht dazu veranlassen, die Verbrauchsmaterialien eines Produkts früher als aus technischen Gründen notwendig zu ersetzen oder aufzufüllen (Anhang I Abs. 4 Nr. 23i UGP-RL-Entwurf). Als Beispiel führt die Richtlinie hier den Fall an, dass Nutzer von Druckern zum Erwerb neuer Patronen aufgefordert werden, bevor die aktuellen Patronen tatsächlich leer sind. Diese Vorschrift steht im Konflikt mit dem Interesse der Verbraucher, rechtzeitig über den Bedarf für eine neue Patrone informiert zu werden.
  • Unternehmer sollen über negative Auswirkungen einer Software-Aktualisierung auf die Verwendung von Waren mit digitalen Elementen oder bestimmte Merkmale dieser Waren informieren (Anhang I Abs. 4 Nr. 23d UGP-RL-Entwurf). Die Informationspflicht soll auch dann bestehen, wenn die Software-Aktualisierung andere Funktionen verbessert. Bringt eine Software-Aktualisierung nur eine Verbesserung von Funktionen, darf sie nicht als notwendig präsentiert werden (Anhang I Nr. 23e UGP-RL-Entwurf). Diese Vorgaben bringen schwere Abgrenzungsfragen für die Praxis. Sie wird sich dabei auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie konkret eine Information die technischen Funktionen und deren (ggf. nur mögliche) Beeinträchtigung durch die Software-Aktualisierung beschrieben werden muss.
  • Generell unzulässig soll die Einführung eines Merkmals sein, das die Haltbarkeit einer Ware beschränkt (Anhang I Nr. 23f UGP-RL-Entwurf). Als Beispiel nennt die Richtlinie eine Software, die die Funktionalität der Ware auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt.
  • Behauptungen über eine tatsächlich nicht gegebene Haltbarkeit oder Reparierbarkeit einer Ware (Anhang I Nr. 23g und Nr. 23h UGP-RL-Entwurf) sollen zukünftig stets unzulässig sein. Damit soll ein zusätzliches Instrument zur Durchsetzung der Anforderungen an die Haltbarkeit und Reparierbarkeit von Waren nach dem EU-Produktrecht geschaffen werden.
  • Unternehmer dürfen keine unzutreffenden Behauptungen über die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit eines Produkts im Falle der Verwendung von Verbrauchsmaterialien, Ersatzteilen oder Zubehör, die nicht vom Originalhersteller stammen, treffen und auch keine Informationen über eine solche Beeinträchtigung vorenthalten (Anhang I Nr. 23j UGP-RL-Entwurf). Der Erwerb überflüssiger Produkte und damit überflüssiger Warenströme und Reparaturen soll so vermieden werden. Diese Regelung schränkt potenziell die Möglichkeit von Originalherstellern ein, die Verwendung von Originalersatzteilen und -zubehör zu empfehlen.

Beschränkung des Einsatzes von Nachhaltigkeitssiegeln

Nachhaltigkeitssiegel wecken positive Assoziationen über die ökologischen und/oder sozialen Aspekte eines Produkts, Verfahrens oder Unternehmens. Bereits heute gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Nachhaltigkeitssiegel, die von verschiedenen Organisationen oder staatlichen Stellen ausgegeben werden. Anforderungen und Gegenstand der Zertifizierungen unterscheiden sich erheblich. Die Richtlinie strebt an, derartige Siegel nur noch nach strengen Kriterien und nach Prüfung durch eine unabhängige Stelle zuzulassen.

Ein Nachhaltigkeitssiegel soll zukünftig nur noch angebracht werden dürfen, wenn es auf einem Zertifizierungssystem beruht oder von staatlichen Stellen festgesetzt wurde (Anhang I Nr. 2a UGP-RL-Entwurf). Das Zertifizierungssystem setzt ein in der Richtlinie näher definiertes System der unabhängigen Überprüfung durch einen Dritten voraus (Art. 2 lit. s der UGP-RL-Entwurf). Selbstzertifizierungen sind verboten.

Von dem Verbot wären verpflichtende Kennzeichnungen ausgenommen, die nach Unionsrecht oder nationalem Recht vorgeschrieben sind.

Ergänzung von Informationspflichten:

Die Richtlinie soll Verbraucher in die Lage versetzen, sachkundigere Entscheidungen zu treffen und die Nachfrage und das Angebot von haltbareren Waren anzuregen. Nur ein informierter Verbraucher kann seine Rolle zur Förderung des ökologischen Wandels in der EU einnehmen. Dazu sollen sowohl im Lauterkeitsrecht als auch im allgemeinen Vertragsrecht Informationspflichten ergänzt werden:

  • Die Richtlinie sieht verschärfte Informationspflichten für Anbieter von Produktvergleichen vor, die Verbraucher über die ökologischen und sozialen Folgen, Haltbarkeit, Reparierbarkeit, Wiederverwendbarkeit oder Recyclingfähigkeit informieren. Sie müssen auch Informationen über die Vergleichsmethode, die betreffenden Produkte, die Gegenstand des Vergleichs sind und die Lieferanten dieser Produkte sowie die Maßnahmen, um die Informationen auf dem neuesten Stand zu halten, erteilen (Art. 7 Abs. 7 UGP-RL-Entwurf). Während es in Deutschland schon bislang die Pflicht zur Erteilung aller wesentlichen Informationen über eine angebotene Dienstleistung gibt (§ 5b Abs. 1 Ziff. 1 UWG), wird diese Pflicht nun um spezifische Informationsinhalte konkretisiert.
  • Im allgemeinen Vertragsrecht werden die vorvertraglichen Informationspflichten durch Angaben zur Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Verfügbarkeit von Software-Aktualisierungen erweitert (Art. 2, 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 und 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83/EU). Hierzu soll die Europäische Kommission ein Musterformular und eine Musterkennzeichnung entwickeln. Händler müssen zukünftig Verbraucher u.a. über die Verfügbarkeit von umweltfreundlichen Lieferoptionen informieren. Als „umweltfreundlich“ dürfen sie die Lieferoption allerdings nur bezeichnen, wenn sie die für diese allgemeine Umweltaussage erforderlichen Nachweise erbringen können.

Ausblick 

Stimmt der Europäische Rat – wie derzeit erwartet – dem Entwurf zu, ist mit einem Inkrafttreten der Richtlinie noch im Frühjahr 2024 zu rechnen. Anschließend müssen die Mitgliedsstaaten die neuen Vorgaben binnen zwei Jahren in nationale Gesetze umsetzen.

Parallel arbeitet die EU aktuell an einer Richtlinie über Umweltaussagen (Green Claims-Richtlinie). Auch diese Richtlinie zielt darauf ab, die Rolle der Verbraucher bei der Beschleunigung des ökologischen Wandels zu stärken und so „grüne Märkte“ in der EU zu realisieren. Dazu soll u.a. ein komplexes System zur Bewertung und Überprüfung von ausdrücklichen Umweltaussagen geschaffen werden. Zusätzlich enthält die Green Claims-Richtlinie umfangreiche Informationspflichten im Falle ausdrücklicher Umweltaussagen.

Beide Richtlinien wären grundsätzlich nebeneinander anwendbar. In der Praxis ist zu erwarten, dass Unternehmen häufig die Anforderungen beider Richtlinien erfüllen müssen. Die Zulassung einer Umweltaussage nach dem von der Green Claims-Richtlinie vorgegebenen Bewertungssystem und die Erteilung der von ihr geforderten Informationen befreit insbesondere nicht von der Einhaltung der o.g. Irreführungsverbote nach der Empowering Consumers-Richtlinie.

Kollidieren die Vorgaben beider Richtlinien, soll die Green Claims-Richtlinie in ihrem Anwendungsbereich Vorrang haben (lex specials). Gegenstand der Green Claims-Richtlinie sind „ausdrückliche Umweltaussagen“, d.h. Umweltaussagen, die in Textform oder auf einem Umweltzeichen enthalten sind (Art. 2 Nr. 2 Green Claims-Richtlinie-Entwurf). Hiernach könnten auch implizite Umweltaussagen „ausdrücklich“ sein. Praktisch dürfte das Textformerfordernis im Ergebnis nur reine Audionachrichten (z.B. im Radio) oder Videos ohne lesbaren Text in Sozialen Medien wie YouTube oder TikTok ausschließen.

Den naheliegenden Weg einer einheitlichen Richtlinie hat die Europäische Kommission – offenbar wegen divergierender Zuständigkeiten – nicht gewählt. Wie die konkrete Umsetzung in Deutschland erfolgen wird, bleibt abzuwarten. Insgesamt erscheint zweifelhaft, ob der von der Kommission angestrebte Green Deal durch eine derartige weitreichende Einschränkung der kommerziellen Kommunikation über Umweltaspekte von Produkten und Dienstleistungen wirklich gefördert werden kann.

So oder so erwarten Unternehmen zukünftig komplexe Vorgaben, wenn sie Informationen über die ökologischen Auswirkungen eines Produkts bereitstellen – wozu sie zukünftig gesetzlich nach Maßgabe der Richtlinien und nationaler Umsetzungsakte verpflichtet sind. Unternehmen sind daher gut beraten, sich auf die neuen Vorgaben einzustellen.

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