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EU-weites Unternehmensstrafrecht ante portas? Rat der Europäischen Union legt überarbeitete Richtlinie gegen Korruption vor

Im noch laufenden Gesetzgebungsverfahren für eine neue Richtlinie zur Bekämpfung von Korruption in der EU hat sich der Rat der Europäischen Union auf einen modifizierten Text geeinigt. Für Unternehmen stehen umsatzbezogene Geldbußen und weitere einschneidende Sanktionen im Raum. Gleichzeitig zeigt der Unionsgesetzgeber auf, was Unternehmen schon heute tun können, um sich vor den drohenden Sanktionen zu schützen.

Richtlinienvorschlag und Position des Rats der Europäischen Union

Im Mai 2023 hat die Europäische Kommission („Kommission“) ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur effektiven Korruptionsbekämpfung in der EU angekündigt. Hierin enthalten war auch ein Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie zur Bekämpfung der Korruption („Kommissionsvorschlag“). Neben Maßnahmen zur besseren Prävention und Bekämpfung von Korruption in der EU legt die Richtlinie neue Mindeststandards für die Definition strafbewehrter Korruptionsdelikte fest und gibt – insbesondere für Unternehmen – weitreichende Sanktionen vor. Nunmehr hat der Rat der Europäischen Union am 14. Juni 2024 einen leicht modifizierten Text („Richtlinienentwurf“) vorgelegt. Auf dieser Grundlage beabsichtigt der Rat, Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament aufzunehmen, das seinen Standpunkt bereits im Februar 2024 dargelegt hatte, um eine endgültige Fassung der Richtlinie zu erarbeiten.

Harmonisierung von Straftatbeständen 

Um die Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung im privaten und öffentlichen Sektor durch einen unionsweit einheitlichen Schutzstandard anzugleichen, sollen die Mitgliedstaaten einzelne Straftatbestände in das nationale Recht aufnehmen. Der Richtlinienentwurf zählt in den Art. 7 bis 13 mindestharmonisierende Begriffsbestimmungen für folgende Straftatbestände auf:

  • Bestechung und Bestechlichkeit im öffentlichen und privaten Sektor,
  • Veruntreuung von Vermögensgegenständen durch öffentlich Bedienstete,
  • Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme,
  • unerlaubte Einflussnahme,
  • Amtsmissbrauch,
  • Behinderung der Justiz und 
  • Bereicherung von Amtsträgern durch Korruptionsdelikte.

Neben der strafbewehrten täterschaftlichen Begehung sieht der Richtlinienentwurf in Art. 14 auch eine Strafbarkeit wegen Teilnahme (Anstiftung oder Beihilfe) an solchen Taten vor. Eine Versuchsstrafbarkeit regelt der Richtlinienentwurf – anders als der Kommissionsvorschlag – dagegen nicht.

Strafen für natürliche Personen

Für natürliche Personen legt die Richtlinie Mindestwerte für das Höchstmaß von Freiheitsstrafen fest. Während der Kommissionsvorschlag als Höchstmaß noch Mindestfreiheitsstrafen von bis zu sechs Jahren vorsah, sieht der Richtlinienentwurf eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei bis vier Jahren als Höchstmaß vor. Unbeschadet davon sollen weitere Sanktionen wie Geldbußen, die Entlassung, Suspendierung und Versetzung aus einem öffentlichen Amt, ein Berufs- bzw. Gewerbeverbot sowie ein Widerruf oder eine Rücknahme von Genehmigungen zur Ausübung von Tätigkeiten, die mit der begangenen Straftat im Zusammenhang stehen, verhängt werden können.

Sanktionen für juristische Personen

Auch juristische Personen sollen für Korruptionsstraftaten durch eine „Führungsperson“ haftbar gemacht werden. Neben einer entsprechenden Haftung für aktives Tun soll schon eine Aufsichtspflichtverletzung der Führungsperson für eine Haftung des Unternehmens ausreichen. Dies entspricht der im deutschen Recht bereits existierenden Zurechnungsnorm des § 30 OWiG (bei Aufsichtspflichtverletzungen regelmäßig i.V.m. § 130 OWiG), der bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten von Leitungspersonen regelmäßig eine Verbandsgeldbuße gegen das Unternehmen ermöglicht.

Besonders einschneidend wirken die vorgesehenen umsatzbezogenen Geldbußen. So sollen die Höchstgrenzen der mitgliedstaatlich geregelten Geldbußen je nach Tat nicht weniger als 3% bzw. 5% des weltweiten Gesamtumsatzes des vorherigen Geschäftsjahres der juristischen Person oder mindestens EUR 24 Mio. bzw. EUR 40 Mio. betragen. Offen bleibt, ob der Unionsgesetzgeber hiermit auch eine über die juristische Person hinausgehende konzernweite Betrachtungsweise für geboten hält; für multinationale Konzerne würde dies massive Auswirkungen haben. Das deutsche Recht sieht nach § 30 OWiG bislang grundsätzlich Geldbußen bis zu EUR 10 Mio. vor, wenngleich dieses Höchstmaß im Rahmen einer Vermögensabschöpfung überschritten werden kann, wenn der durch die Tat erzielte wirtschaftliche Vorteil höher ist.

Daneben kodifiziert der Richtlinienentwurf weitere Sanktionsmöglichkeiten gegen Unternehmen: Neben dem Ausschluss des betroffenen Unternehmens von öffentlichen Leistungen oder Beihilfen ermöglicht die Richtlinie den zuständigen Behörden u.a. den Erlass von Gewerbeuntersagungen oder den Widerruf bzw. die Rücknahme von Genehmigungen. Ebenso soll Behörden, die mit dem betroffenen Unternehmen Verträge geschlossen haben, ein außerordentliches Kündigungsrecht zustehen. Zudem sieht der Richtlinienentwurf die Unterstellung der Unternehmen unter eine gerichtliche Aufsicht, die Liquidation oder die Betriebsschließung vor.

Mildernde Umstände durch Compliance-Maßnahmen

Zusätzlich stellt der Richtlinienentwurf einen einheitlichen Strafzumessungskatalog auf, den die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Sanktionsvorgaben berücksichtigen müssen. Strafmildernd auswirken können sich insbesondere folgende Umstände: 

  • Einrichtung angemessener interner Kontrollmaßnahmen und Compliance-Programme zur Verhinderung von Korruption – sowohl präventiv vor Begehung der Straftat als auch als Remediationsmaßnahme. Dies sah bereits der gescheiterte Entwurf des deutschen Verbandssanktionengesetzes (VerSanG-E) als mildernden bzw. bei Mängeln in diesem Zusammenhang als schärfenden Umstand vor.
  • Einleitung von Abhilfemaßnahmen unmittelbar nach Aufdeckung der Straftat (etwa durch eine interne Untersuchung bzw. die Mitwirkung an der Aufarbeitung des Sachverhalts). Dieser Strafmilderungsgrund erinnert an die Regelung des (gescheiterten) VerSanG-E, wonach ein wesentlicher Aufklärungsbeitrag erforderlich war.
  • Weiterer Milderungsgrund nach dem Richtlinienentwurf ist die freiwillige Selbstanzeige. Eine solche Selbstanzeige sah der VerSanG-E nicht ausdrücklich als Milderungsgrund vor; sie wäre jedoch wohl mittelbar bei der Wesentlichkeit des Aufklärungsbeitrags zu berücksichtigen gewesen.

In vielen Ländern der EU ist es verbreitete Behördenpraxis, dass sowohl die Einrichtung von Compliance-Programmen als auch die Mitwirkung an der Aufarbeitung eines Vorfalls sanktionsmildernd berücksichtigt werden. Auch in Deutschland entspricht es inzwischen der gängigen obergerichtlichen Rechtsprechung, dass Gerichte und Ermittlungsbehörden Compliance-Management-Systeme bei der Bußgeldbemessung mildernd berücksichtigen. Der Bundesgerichtshof hat dies zuletzt in einer Entscheidung aus dem Jahr 2022 (vgl. BGH, Beschl. v. 27. April 2022 – 5 StR 278/21) bestätigt. Nunmehr müssten diese Strafmilderungsgründe jedoch EU-weit gesetzlich statuiert werden. Dies lässt auf mehr Rechtssicherheit für Unternehmen und Entscheidungsträger in kritischen Situationen hoffen. 

Einrichtung einer nationalen Anti-Korruptionseinheit

Darüber hinaus schreibt der Richtlinienentwurf den Mitgliedstaaten vor, präventive Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung in das nationale Recht zu implementieren. So sollen die Mitgliedstaaten die Öffentlichkeit für die „Schädlichkeit der Korruption“ sensibilisieren und Transparenz und Rechenschaftspflichten in den öffentlichen Verwaltungen sicherstellen. Daneben müssen die Mitgliedstaaten eine oder mehrere mit der Korruptionsprävention betraute Behörden bzw. Organisationseinheiten („Antikorruptionseinheiten“) einrichten, was an die Agence Française Anti-Corruption (AFA) oder das für die Kontrolle des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LKSG) zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) erinnert. Die Mitgliedstaaten haben die Antikorruptionseinheiten mit einer angemessenen Anzahl qualifizierter Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie finanziellen Mitteln auszustatten, um deren Unabhängigkeit zu gewährleisten. Konkrete Aufgaben und Kompetenzen der Anti-Korruptionseinheiten regelt die Richtlinie nicht. Eine erhöhte Aufmerksamkeit für Korruption wird hiermit jedoch einhergehen. 

Fazit

Zwar sind noch Änderungen des Richtlinienentwurfs im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zu erwarten, doch signalisiert der Entwurf bereits jetzt das entschlossene Vorhaben der Mitgliedstaaten, schärfer gegen Korruption vorzugehen. Nach dem derzeitigen Richtlinienentwurf können Unternehmen Geldbußen mit bis zu fünf Prozent ihres weltweiten Umsatzes drohen, was zu einer erheblichen Verschärfung der geltenden nationalen Regelungen führen würde. Gleichzeitig schafft der Unionsgesetzgeber Rechtssicherheit, indem er eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die strafmildernde Berücksichtigung von präventiven Maßnahmen und kooperativem Verhalten vorsieht. Insbesondere die Anforderungen an eine Mitarbeit an der Aufklärung des Sachverhalts für eine Strafmilderung erscheinen deutlich großzügiger, als es noch der deutsche Entwurf des Verbandssanktionengesetzes vorsah. Es bleibt abzuwarten, ob sich der deutsche Gesetzgeber auf eine Reform von § 30 OWiG beschränkt oder einen neuen Anlauf für ein Verbandssanktionengesetz unternimmt. Entscheidungsträger von Unternehmen sollten sich jedenfalls frühzeitig mit den Regelungen vertraut machen und auf dieser Grundlage die bestehenden Compliance-Maßnahmen kritisch überprüfen oder (soweit nicht vorhanden oder ausreichend) gebotene Compliance-Maßnahmen implementieren.

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