Im Mai 2017 hat die Europäische Kommission den Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung E-Commerce veröffentlicht. Sie hat seit dem Beginn der zweijährigen Untersuchung mehrere Verfahren im Bereich des E-Commerce eingeleitet. Gegenstand der Verfahren sind vor allem Beschränkungen der Händler beim Online-Vertrieb an Kunden in anderen EU-Mitgliedstaaten (z. B. das sog. Geoblocking). Geographische Vertriebsbeschränkungen bilden auch einen Schwerpunkt des Abschlussberichts zur Sektoruntersuchung E-Commerce. Unternehmen müssen damit rechnen, dass Vertriebssysteme von Herstellern verschiedener Branchen zukünftig vermehrt Gegenstand von Kartellverfahren sein werden.
Verstärkung der Verfolgungspraxis im Vertriebskartellrecht Das Vertriebskartellrecht regelt die kartellrechtliche Beurteilung von Vereinbarungen in der Lieferkette. Besondere Bedeutung hat es im Verhältnis von Herstellern zu ihren Vertriebspartnern (Händlern). Beschränkungen der Händler beim Weiterverkauf der Produkte sind nur in bestimmtem Rahmen zulässig. Verboten ist insbesondere die Einflussnahme auf Weiterverkaufspreise der Händler (sog. Preisbindung der zweiten Hand). Aber auch Vorgaben zum Kundenkreis, zum Absatzgebiet oder zu den Absatzkanälen sind nur in bestimmtem Umfang zulässig. Das deutsche Bundeskartellamt führt bereits seit längerer Zeit sehr aktiv Verfahren im Vertriebskartellrecht. Zuletzt hat es im Juli 2017 gegen die Unternehmen Peek & Cloppenburg und Wellensteyn International wegen Preisbindungspraktiken Geldbußen in Höhe von insgesamt EUR 10,9 Mio. verhängt. Ebenfalls im Juli 2017 veröffentlichte das Amt ein „Hinweispapier Preisbindung im Lebensmitteleinzelhandel“.
Die Kommission agierte dagegen im Bereich des Vertriebskartellrechts lange eher zurückhaltend. Dies wird sich nun ändern. Im Abschlussbericht der Sektoruntersuchung E-Commerce kündigt die Kommission an, die Durchsetzung der Wettbewerbsregeln der EU im Vertriebsbereich vorantreiben zu wollen. Schon während der Sektoruntersuchung hat sie mehrere Verfahren eröffnet. Im Juni, also kurz nach Veröffentlichung des Abschlussberichts, leitete die Kommission zwei weitere Verfahren gegen den Bekleidungshersteller Guess sowie gegen Nike und die Universal Studios ein.
Parallel dazu sind einige Grundsatzverfahren zum Vertriebskartellrecht vor deutschen und europäischen Gerichten anhängig. Insbesondere befasst sich der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Coty aktuell mit der Frage, ob Hersteller ihren Händlern den Vertrieb über sog. Online-Drittplattformen (bspw. eBay oder Amazon Marketplace) untersagen können. Während das Bundeskartellamt hier in der Vergangenheit eine sehr strenge Linie verfolgte, kündigt sich eine großzügigere Beurteilung durch den Gerichtshof an. Generalanwalt Nils Wahl empfiehlt in seinem Schlussantrag eine Zulässigkeit von Nutzungsverboten von Drittplattformen in selektiven Vertriebsverträgen oder bei Marktanteilen von nicht über 30%. Oftmals folgt der Gerichtshof dem Schlussantrag des Generalanwalts. Sektoruntersuchung E-Commerce
Gegenstand dieser Verfahren sind neben Vereinbarungen, die die Preissetzungsfreiheit von Händlern beschränken (etwa das am 2. Februar 2017 eröffnete Verfahren gegen den Hersteller von Unterhaltungselektronik ASUS) vermehrt geographische Lieferbeschränkungen, insb. das Geoblocking. So wird dem Bekleidungshersteller Guess in einem am 6. Juni 2017 eröffneten Verfahren vorgeworfen, seinen Einzelhändlern den Online-Verkauf an Verbraucher oder Einzelhändler in anderen Mitgliedstaaten verboten zu haben. Bei mehreren Reiseveranstaltern und Hotels prüft die Kommission, ob Vereinbarungen zwischen den Veranstaltern und den Hotels eine Diskriminierung von Verbrauchern aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes beim Preis vorsehen.
Auch das am 2. Februar 2017 veröffentlichte Verfahren gegen den Anbieter der Spieleplattform Valve und mehrere Videospielanbieter (Koch Media u. a.) beruht auf dem Vorwurf des Geoblocking. Aufgrund von Vereinbarungen zwischen Valve und den Videospielanbietern sollen Verbraucher am Kauf digitaler Inhalte aus dem Ausland gehindert worden sein. Damit vergleichbar prüft die Kommission in den zuletzt eröffneten Verfahren gegen u. a. Nike und die Universal Studios Lizenz- und Vertriebspraktiken, die Händler möglicherweise unzulässig daran hindern, lizenzierte Merchandising-Produkte über Grenzen hinweg oder online innerhalb des EU-Binnenmarktes zu verkaufen.
Fazit
Der Abschlussbericht der Sektoruntersuchung E-Commerce und die in den letzten Monaten von der Kommission eingeleiteten Verfahren zeigen, dass es der Kommission ernst ist mit der Kartellrechtsdurchsetzung im Vertriebsbereich. Ein Schwerpunkt liegt derzeit ersichtlich auf Fällen des Geoblocking. Unternehmen müssen noch mehr als bisher darauf achten, dass die kartellrechtlichen Vorgaben bei der Gestaltung der Vertriebsverträge
eingehalten werden. Herauszuheben sind insbesondere folgende Punkte:
Verstärkung der Verfolgungspraxis im Vertriebskartellrecht Das Vertriebskartellrecht regelt die kartellrechtliche Beurteilung von Vereinbarungen in der Lieferkette. Besondere Bedeutung hat es im Verhältnis von Herstellern zu ihren Vertriebspartnern (Händlern). Beschränkungen der Händler beim Weiterverkauf der Produkte sind nur in bestimmtem Rahmen zulässig. Verboten ist insbesondere die Einflussnahme auf Weiterverkaufspreise der Händler (sog. Preisbindung der zweiten Hand). Aber auch Vorgaben zum Kundenkreis, zum Absatzgebiet oder zu den Absatzkanälen sind nur in bestimmtem Umfang zulässig. Das deutsche Bundeskartellamt führt bereits seit längerer Zeit sehr aktiv Verfahren im Vertriebskartellrecht. Zuletzt hat es im Juli 2017 gegen die Unternehmen Peek & Cloppenburg und Wellensteyn International wegen Preisbindungspraktiken Geldbußen in Höhe von insgesamt EUR 10,9 Mio. verhängt. Ebenfalls im Juli 2017 veröffentlichte das Amt ein „Hinweispapier Preisbindung im Lebensmitteleinzelhandel“.
Die Kommission agierte dagegen im Bereich des Vertriebskartellrechts lange eher zurückhaltend. Dies wird sich nun ändern. Im Abschlussbericht der Sektoruntersuchung E-Commerce kündigt die Kommission an, die Durchsetzung der Wettbewerbsregeln der EU im Vertriebsbereich vorantreiben zu wollen. Schon während der Sektoruntersuchung hat sie mehrere Verfahren eröffnet. Im Juni, also kurz nach Veröffentlichung des Abschlussberichts, leitete die Kommission zwei weitere Verfahren gegen den Bekleidungshersteller Guess sowie gegen Nike und die Universal Studios ein.
Parallel dazu sind einige Grundsatzverfahren zum Vertriebskartellrecht vor deutschen und europäischen Gerichten anhängig. Insbesondere befasst sich der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Coty aktuell mit der Frage, ob Hersteller ihren Händlern den Vertrieb über sog. Online-Drittplattformen (bspw. eBay oder Amazon Marketplace) untersagen können. Während das Bundeskartellamt hier in der Vergangenheit eine sehr strenge Linie verfolgte, kündigt sich eine großzügigere Beurteilung durch den Gerichtshof an. Generalanwalt Nils Wahl empfiehlt in seinem Schlussantrag eine Zulässigkeit von Nutzungsverboten von Drittplattformen in selektiven Vertriebsverträgen oder bei Marktanteilen von nicht über 30%. Oftmals folgt der Gerichtshof dem Schlussantrag des Generalanwalts. Sektoruntersuchung E-Commerce
- Im Mai 2015 leitete die Kommission eine Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel (E-Commerce) ein. Die Kommission betrieb die Sektoruntersuchung mit hohem Aufwand. Sie befragte u. a. 1.051 Einzelhändler, 37 Marktplätze, 89 Preisvergleichsanbieter, 259 Hersteller und 248 Anbieter von digitalen Inhalten. Der kürzlich veröffentlichte Abschlussbericht und das dazugehörige Arbeitspapier fassen die wichtigsten Erkenntnisse der Sektoruntersuchung zusammen. Sie erlauben Rückschlüsse, in welchen Bereichen die Kommission Durchsetzungsschwerpunkte im Vertriebskartellrecht sieht, aber auch, welche Klauseln sie weniger streng beurteilt als etwa das deutsche Bundeskartellamt:
- Großen Raum nehmen die Ausführungen zur Beschränkung des Online-Verkaufs und der Online-Werbung ein. Die Kommission weist – wenig verwunderlich – auf die Unzulässigkeit der Preisbindung von Händlern hin. Sie betrachtet dabei auch die Überwachung von (Online-)Einzelhandelspreisen, insb. mittels Software-Tools, kritisch. Interessant sind die Ausführungen der Kommission zu sog. Doppelpreissystemen, also unterschiedlichen Abgabepreisen an Händler abhängig
davon, ob diese das Produkt stationär oder online weiterverkaufen. Die Kommission stellt klar, dass von unterschiedlichen Händlern auch unterschiedliche Preise verlangt werden dürfen. Das Verbot von Doppelpreissystemen bezieht sich (nur) auf das Verlangen unterschiedlicher Preise für Stationär- und Onlineverkäufe von ein und demselben Händler. - Verkaufsbeschränkungen auf Online-Marktplätzen hält die Kommission nicht für per se unzulässig. Insbesondere bewertet die Kommission (absolute) Plattformverbote nicht als Kernbeschränkungen und somit als grundsätzlich freistellungsfähig bei Marktanteilen von nicht über 30%. Die Kommission setzt sich damit von der strengeren Rechtsauffassung und Praxis des Bundeskartellamts ab. Die Entscheidung des Gerichtshofs in der Sache Coty bleibt hierzu abzuwarten.
- Die Kommission betont die erhebliche Bedeutung des grenzüberschreitenden Handels in der EU. Sie kommt in der Sektoruntersuchung zum Ergebnis, dass ein erheblicher Teil der Händler geographischen Verkaufsbeschränkungen unterliegt (bspw. der Verpflichtung zum sog. Geoblocking, d. h. zur elektronischen Blockierung von Kaufanfragen von Internetnutzern aus anderen Mitgliedstaaten). Solche Beschränkungen sind nur in engen Grenzen zulässig. Insbesondere dürfen passive Verkäufe an Endverbraucher nicht eingeschränkt werden, innerhalb selektiver Vertriebssysteme auch keine aktiven Verkäufe an Endverbraucher. Ausdrücklich für nicht zulässig hält die Kommission die Beschränkung von Verkäufen an Händler in anderen EU-Mitgliedstaaten innerhalb eines mehrere Mitgliedstaaten umfassenden selektiven Vertriebsgebiets. Entscheidet sich ein Hersteller dafür, in mehreren Ländern der EU einen Selektivvertrieb einzuführen, kann er Querlieferungen zwischen Händlern in diesen Ländern nicht untersagen.
- Des Weiteren äußert sich der Abschlussbericht zu Vorgaben an Händler bei der Nutzung von Preisvergleichsmaschinen, zu Exklusivitäts- und Paritätsverpflichtungen zwischen Händlern einerseits und Marktplätzen oder Preisvergleichsmaschinen andererseits, und zu Beschränkungen der Händler bei der Nutzung von Instrumenten zur Onlinewerbung (Google AdWords).
Gegenstand dieser Verfahren sind neben Vereinbarungen, die die Preissetzungsfreiheit von Händlern beschränken (etwa das am 2. Februar 2017 eröffnete Verfahren gegen den Hersteller von Unterhaltungselektronik ASUS) vermehrt geographische Lieferbeschränkungen, insb. das Geoblocking. So wird dem Bekleidungshersteller Guess in einem am 6. Juni 2017 eröffneten Verfahren vorgeworfen, seinen Einzelhändlern den Online-Verkauf an Verbraucher oder Einzelhändler in anderen Mitgliedstaaten verboten zu haben. Bei mehreren Reiseveranstaltern und Hotels prüft die Kommission, ob Vereinbarungen zwischen den Veranstaltern und den Hotels eine Diskriminierung von Verbrauchern aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes beim Preis vorsehen.
Auch das am 2. Februar 2017 veröffentlichte Verfahren gegen den Anbieter der Spieleplattform Valve und mehrere Videospielanbieter (Koch Media u. a.) beruht auf dem Vorwurf des Geoblocking. Aufgrund von Vereinbarungen zwischen Valve und den Videospielanbietern sollen Verbraucher am Kauf digitaler Inhalte aus dem Ausland gehindert worden sein. Damit vergleichbar prüft die Kommission in den zuletzt eröffneten Verfahren gegen u. a. Nike und die Universal Studios Lizenz- und Vertriebspraktiken, die Händler möglicherweise unzulässig daran hindern, lizenzierte Merchandising-Produkte über Grenzen hinweg oder online innerhalb des EU-Binnenmarktes zu verkaufen.
Fazit
Der Abschlussbericht der Sektoruntersuchung E-Commerce und die in den letzten Monaten von der Kommission eingeleiteten Verfahren zeigen, dass es der Kommission ernst ist mit der Kartellrechtsdurchsetzung im Vertriebsbereich. Ein Schwerpunkt liegt derzeit ersichtlich auf Fällen des Geoblocking. Unternehmen müssen noch mehr als bisher darauf achten, dass die kartellrechtlichen Vorgaben bei der Gestaltung der Vertriebsverträge
eingehalten werden. Herauszuheben sind insbesondere folgende Punkte:
- Händler müssen in der Bildung ihrer Weiterverkaufspreise frei sein. Von Hybrid-Händlern, die sowohl stationär als auch online verkaufen, dürfen keine unterschiedlichen Preise für die beiden Vertriebskanäle verlangt werden (unzulässiges Doppelpreissystem).
- Geographische Verkaufsbeschränkungen oder Beschränkungen des Abnehmerkreises, an den ein Händler verkaufen darf, sind nur in engem Rahmen zulässig. Innerhalb eines Selektivvertriebsgebiets (auch über mehrere EU-Mitgliedstaaten) sind sie stets verboten.
- Vorgaben an Händler in Bezug auf die Nutzung von Online-Plattformen, Preisvergleichsmaschinen, Onlinewerbung (Google AdWords), u. ä. sind einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Verbote zur Nutzung von Online-Plattformen könnten je nach dem Ausgang des Verfahrens in Sachen Coty möglich sein. Die Nutzung der Marke für Google AdWords Werbung kann demgegenüber generell nicht unterbunden werden.