Metaverse

DAOs – Die „Gesellschaften des Metaverse und Web3“

Metaverse und Web3 haben sich zu einem attraktiven Markt für Unternehmen und Investoren entwickelt. Damit wächst auch der Bedarf an Organisationsformen, die insbesondere an die Dezentralität der digitalen Welt besser angepasst sind als herkömmliche Gesellschaftsformen. So haben sich sog. dezentralisierte autonome Organisationen (DAOs) als „Gesellschaftsform des Metaverse und Web3“ herausgebildet. Auch die Möglichkeit effizienter Kapitalbeschaffung macht DAOs branchenübergreifend immer beliebter. Wir möchten daher im Folgenden einen ersten Überblick über DAOs geben.

 

1. Was sind DAOs?

Eine DAO ist –vereinfacht dargestellt –  eine auf der Blockchaintechnik basierende auf Dauer angelegte virtuelle Vereinigung ohne Management, in der Entscheidungen von allen Mitgliedern getroffen werden. Es handelt sich somit um ein digitales gesellschaftsähnliches Gebilde, das aus einer Sammlung von Software-Codes, sog. Smart Contracts, besteht.

Mitglieder einer DAO sind deren Tokeninhaber, die sich dezentralisiert selbst koordinieren und leiten. Sie verwalten die DAO mit Hilfe der auf der Blockchain gespeicherten und ausgeführten Smart Contracts, die keiner gesonderten Umsetzung oder Durchsetzung mehr bedürfen.

 

2. Arten

DAOs können zu den verschiedensten Zwecken eingesetzt werden. Ursprünglich waren sie insbesondere als Invesitionsvehikel bekannt, so z.B. die BitDAO, ein dezentraler Investmentfonds, der es jedem ermöglicht, sich an Web3- und DeFi-Startups und Initiativen zu beteiligen. Ebenso ist der gesamte Bereich des Decentralized Finance (DeFi) stark von DAOs geprägt. Das wohl bekannteste „DeFi-Kreditinstitut“ ist die MakerDAO.

Im Laufe der Zeit haben sich aber vielfältigere DAO-Arten entwickelt, z.B.:

  • Social DAOs oder Creator DAOs wie z.B. Friends with Benefits oder Developer DAO bringen gleichgesinnte Personen zusammen;
  • Media DAOs wie Decrypt und BanklessDAO sind eine neue Form sozialer Medien. Statt der Unternehmensorganisation verdienen Einzelpersonen Gewinne, die im dezentralen Netzwerk aktiv sind;
  • Die virtuellen Welten des Metaverse werden regelmäßig von DAOs betrieben. So etwa das Decentraland, eine Virtual Reality Blockchain, die sich gerade als eine der führenden Plattformen im Metaverse etabliert und bereits von vielen global agierenden Unternehmen wie Morgan Stanley, Coca-Cola oder Adidas genutzt wird; auch Gleiss Lutz hat sein Metaverse-Büro in Decentraland eröffnet.
  • Grant DAOs funktionieren in der Regel als wohltätige Erweiterung eines größeren Projekts, bekannt sind z.B. Aave Grants oder Gitcoin;
  • Philanthropy DAOs organisieren sich um ein gemeinsames philanthropisches Ziel. So ist z.B. die Big Green DAO mit der öffentlichen Wohltätigkeitsorganisation Big Green verbunden, und die UkraineDAO sammelte in einer Woche über 3 Mio. Ethereum zur Unterstützung der ukrainischen Armee ein;
  • Collector DAOs ermöglichen Tokeninhabern, als Gemeinschaft Gelder in größere NFT-Kunst und andere Sammlerstücke zu investieren. Jedes Mitglied besitzt einen Anteil, der seiner persönlichen Investition entspricht. Eine bekannte Collector DAO ist die ConstitutionDAO. Sie wurde gegründet, um ein Exemplar der Verfassung der Vereinigten Staaten zu ersteigern und sammelte zu diesem Zweck USD 47 Mio. in Ethereum ein;
  • DAOs können auch als Dienstleister am Markt auftreten. So erstellt z.B. die LexDAO Smart Contracts, die in der Lage sind, juristische Dienstleistungen zu erbringen.

Mit Hilfe von sog. SubDAOs lassen sich sogar konzernartige Strukturen aufbauen. SubDAOs umfassen eine Untergruppe von Tokeninhabern, die in der SubDAO organisiert sind, um spezifische Funktionen wie Operationen, Partnerschaften, Marketing, Treasury und Zuschüsse zu verwalten. Sie sind vor allem für wachsende DAOs ein effektives Mittel zur Strukturierung, weil nicht jeder Vorschlag von der gesamten DAO angenommen werden muss.

 

3. Errichtung und Funktionsweise

Eine DAO kann man entweder „from the scratch“ selbst bauen oder mithilfe von Open-Source-Software auf bestehender Infrastruktur aufsetzen. So bieten DAO-Plattformen wie Aragon, DAOstack oder DAOhaus vorgefertigte Templates an, die den Zugang zur Welt der DAOs erleichtern.

Die DAO wird durch die Programmierung eines Codes „gegründet“ und die Mitgliedschaft an ihr wird durch sog. Equity Token verkörpert. Der Code steuert die Interaktion der Tokeninhaber miteinander, indem er die wesentlichen Governance-Regeln der DAO enthält, insb. Ausübung der Stimmrechte, Beschlussfassungsregeln und die Verknüpfung der Smart Contracts. Damit das System reibungslos funktioniert, muss der Code alle Rechte der Tokeninhaber umfassen und der Programmierer alle denkbaren Szenarien mit Smart Contracts abgedeckt haben. Sobald der Code der DAO „in Betrieb“ geht, kann er nicht mehr ohne Konsens der Tokeninhaber geändert werden. Grund hierfür ist, dass der Code auf einer Blockchain liegt. Jeder auf ihr abgelegter Code ist nicht nur für jeden Nutzer einsehbar, sondern auch nahezu unveränderlich. Präzise Kodierung ist also der entscheidende Faktor für den Erfolg einer DAO.

DAOs agieren unabhängig und existieren dezentral in der digitalen Welt. Sie unterliegen keiner Aufsicht und haben kein Management. Entscheidungen werden in einem Bottom-up-Managementansatz von den Tokeninhabern getroffen. Jede Interaktion der Tokeninhaber wird (nachträglich) unveränderbar durch einen Smart Contract geregelt. So entsteht völlige Transparenz in der DAO und weniger Möglichkeiten für Betrug und Missbrauch als bei menschlicher Geschäftsführung.

So stimmen etwa bei klassischen Investment-DAOs sämtliche Tokeninhaber über vorgeschlagene Verwendungszwecke für das gemeinsam aufgebrachte Kapital ab. Wenn eine vorher festgelegte Mehrheit zustimmt, führt der Programmcode der DAO über einen Smart Contract die gewünschte Transaktion automatisch aus.

 

4. Rechtliche Einordnung

Spätestens wenn Tokeninhaber oder Vertragspartner der DAO ihre Ansprüche gerichtlich durchsetzen wollen, stellt sich eine ganze Reihe rechtlicher Fragen wie etwa: Welches Recht ist überhaupt anwendbar und welches Gericht zuständig? Ist die DAO eine Gesellschaft und wenn ja, in welcher Rechtsform? Wie wird für ein Handeln der DAO nach außen gehaftet? Lässt sich die Haftung der Tokeninhaber beschränken?

a) Anwendbares Recht

Um die Fragen nach der rechtlichen Einordnung und Haftung zu klären, muss zuerst feststehen, welches Recht überhaupt anwendbar ist. Das Wesensmerkmal der Dezentralität erschwert dies erheblich. So scheidet die Anknüpfung an den Verwaltungssitz gleich aus mehreren Gründen aus: Die DAO zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie kein Verwaltungsorgan hat, auf dessen Tätigkeitsort abgestellt werden kann. Die Geschäftsführung erfolgt automatisch durch Smart Contracts, die keinen Belegenheitsort haben, weil sie auf einer Vielzahl von Nodes gleichzeitig ausgeführt werden. Auch auf den Ort der internen Willensbildung kann nicht sinnvoll abgestellt werden. Denn die Tokeninhaber sind in aller Regel über die ganze Welt verstreut. Gegründet wird die DAO als autonome Organisation, die auf einer Blockchain im Web3 existiert. Damit kann – solange es kein Web3-Recht gibt – auch nicht sinnvoll an den Gründungsort angeknüpft werden. Aufgrund der Unklarheiten spricht derzeit vieles für lex fori – das Recht des angerufenen Gerichts. Diese unsichere Rechtslage macht deutlich, wie wichtig Gerichtsstands- und Rechtswahlklauseln sind. Praktisch umgesetzt werden können diese z.B. in Nutzungsbedingungen der DAO, die mit dem Erwerb von Token an der DAO akzeptiert werden müssen oder im Verhältnis zu Vertragspartnern der DAO in allgemeinen Geschäftsbedingungen (zu zivilprozessualen und schiedsverfahrensrechtlichen Fragen siehe auch unseren Beitrag zu „Zivilprozesse und Schiedsverfahren im Metaverse“, 10. November 2022).

b) Rechtsnatur

Die Tokenerwerber und -inhaber haben die für sie rechtsverbindliche Entscheidung getroffen, sich für einen gemeinsamen Zweck zusammenzuschließen. Damit liegt nach deutschem Recht per Definition eine Gesellschaft vor.

Aktuell ist die DAO als eigenständige Gesellschaftsform nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten DACH-Region noch unbekannt. Nach deutschem Recht wird eine DAO nach herrschender Meinung derzeit als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder als offene Handelsgesellschaft (OHG) angesehen. Teilweise wird auch ein nicht-rechtsfähiger Verein angenommen, auf den jedoch wiederum die GbR-Vorschriften Anwendung finden.

c) Haftungsbeschränkung

Der größte Nachteil, der mit der Einordnung als Personengesellschaft oder nichtrechtsfähiger Verein einhergeht, ist die unbeschränkte Haftung der Gesellschafter. Die Möglichkeit einer Beschränkung des Haftungsrisikos ist für den Erfolg der DAOs als neue Organisationsform, aber unabdingbar. Daher wird national wie international zunehmend an Lösungen gearbeitet.

Auf nationaler Ebene kann eine Haftungsbeschränkung derzeit nur dadurch erreicht werden, dass DAO-Mitglieder haftungsbeschränkte Holdings zwischenschalten, welche die Tokens an der DAO halten und/oder dass die DAO im Verhältnis zu Dritten vertragliche Haftungsbeschränkungen vereinbart.

Vor allem in der Schweiz wird diskutiert, ob ein dezentralisiert und autonom verfasster Verein de lege lata im Außenverhältnis rechtlich handeln und gleichzeitig die Haftung der Tokeninhaber beschränken kann. Ein Verein wird durch den festgelegten Zweck sowie dessen Mitglieder geleitet, was dem strukturellen Wesen einer DAO nahekommt. Gleichzeitig werden bei einem Verein die Haftungsrisiken der Mitglieder beschränkt, womit eines der Hauptprobleme der Gestaltung einer DAO als Personengesellschaft gelöst werden könnte. Da der Schweizer Verein besonders große Gestaltungsfreiheiten bietet, gehört er derzeit zu den führenden Lösungen für DAOs in der DACH-Region.

In den USA wird das Problem der Haftungsrisiken durch die Schaffung von sog. „Limited Liability Wrappes“ angegangen: Dabei werden traditionelle Rechtsstrukturen mit einer dezentralen Organisation verbunden. Die erste DAO mit beschränkter Haftung (LLC-DAO) entstand aus Basis des Rechts des US-Bundesstaats New York. Vermont folgte 2018, dort wurde die sog. Blockchain-Based Limited Liability Company (BBLLC) eingeführt, mit der eine DAO verbunden werden kann. In Delaware wurde die LAO (Legal DAO) geschaffen, die strukturell als „legal wrapper“ qualifiziert wird: Die DAO wird als LLC strukturiert, um das Unternehmen für Verträge, Steuern und Gesetzesverstöße verantwortlich zu machen, nicht aber die Personen, die im Namen dieses Unternehmens handeln. Besonders interessant ist die 2021 im US-Bundesstaat Wyoming gesetzlich eingeführte DAO LLC, da sie im Vergleich zu den Konkurrenzrechtsformen strukturell am besten auf die DAO angepasst ist. Damit wurde die rechtliche Stellung der DAO anerkennt und sie der amerikanischen LLC gleichstellt. Die DAO LLC ist als amerikanische Gesellschaft in Deutschland mit ihrer Haftungsbeschränkung anerkannt. Zu beachten ist, dass – im Gegensatz zur klassischen DAO – die verschiedenen amerikanischen Rechtsgewänder mit einer Aufsicht durch die SEC einhergehen. Es ist zu erwarten, dass andere Rechtssysteme allmählich nachziehen werden.

 

Fazit

Die Bedeutung der DAO wächst als „virtuelle Gesellschaft“ Hand in Hand mit der Weiterentwicklung des Metaverse und des Web3-Bereichs weiter. Auch die international zu beobachtenden Rechtsentwicklungen machen die DAO zu einer vielversprechenden Organisationsform. Dies sollte den deutschen und europäischen Gesetzgeber ermutigen, ebenfalls einen haftungsbeschränkten Rechtsrahmen für die DAO zur Verfügung zu stellen und das Gesellschaftsrecht der Digitalisierung anzupassen.

Weiterleiten