Bank- und Finanzrecht

COVID-19: Einfluss auf Finanzierungen und Liquidität

Die COVID-19-Pandemie hat bereits erhebliche Auswirkungen auf bestehende Verträge zwischen Lieferanten und Kunden sowie zwischen Darlehensgebern und Darlehensnehmern. Das genaue Ausmaß dieser Krise ist noch nicht absehbar und es ist zu erwarten, dass ihre Folgen auch in Zukunft ein zentrales Thema für eine Mehrzahl von Marktteilnehmern sein werden. Um den negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise entgegenzuwirken, reagiert die Bundesregierung mit einer Reihe von umfassenden Unterstützungsmaßnahmen, welche voraussichtlich einen erheblichen Einfluss auf diese Vertragsverhältnisse sowie auf die Liquiditätssicherung von Unternehmen haben werden.

Finanzkennzahlen

Viele Kreditverträge enthalten Finanzkennzahlen, deren Einhaltung in regelmäßigen Abständen (üblicherweise quartalsweise) auf einer rollierenden Zwölfmonatsbasis getestet werden. Eine Verletzung dieser Finanzkennzahlen stellt einen Kündigungsgrund dar, wenn der Vertrag keinen Heilungsmechanismus (z. B. sog. Equity Cure) vorsieht. Der durch die COVID-19-Pandemie verursachte Umsatz- und Gewinnrückgang wird die Ergebnisse des Unternehmens nachhaltig negativ beeinflussen. Das Vorliegen eines drohenden oder bereits eingetretenen Kündigungsgrundes kann auch dazu führen, dass nicht gezogene Kreditzusagen nicht mehr zur Verfügung stehen und insbesondere bei revolvierenden Kreditfazilitäten eine Verlängerung der laufenden Ziehungen nicht mehr möglich sein könnte. Sollte insbesondere eine bereits erfolgte Ziehung am Ende der Zinsperiode nicht verlängert werden, sondern zurückgezahlt werden müssen, kann das zu erheblichen Liquiditätsproblemen führen.

Wesentliche nachteilige Veränderung

Neben der gesetzlichen Regelung des Kündigungsgrundes bei Eintritt einer wesentlichen nachteiligen Veränderung enthalten die meisten Kreditverträge auch eigene Regelungen, die sehr oft von dem gesetzlichen Leitbild – manche weitgehend – abweichen. Während einige der Kreditverträge verlangen, dass eine wesentliche nachteilige Veränderung nicht nur drohen muss, sondern bereits eingetreten sein muss oder dass die wesentliche nachteilige Veränderung die gesamte Unternehmensgruppe betreffen muss, beziehen sich andere Formulierungen auf künftig eintretende Ereignisse oder künftige Geschäftsaussichten und können einen möglichen Kündigungsgrund zu einem viel früheren Zeitpunkt begründen, der auch zu einer Verweigerung einer neuen Ziehung oder der Verlängerung einer laufenden Ziehung führen kann. Auch wenn manche Finanzierungsgeber sich scheuen, sich beim Ausspruch einer Kündigung allein auf die manchmal schwer zu greifende Formulierung einer wesentlichen nachteiligen Veränderung zu verlassen, ist nicht auszuschließen, dass die COVID-19-Pandemie ein Ereignis darstellt, das dazu führt, dass Finanzierungsgeber auf diese Bestimmung zurückgreifen. Die Kreditnehmer sollten insoweit die entsprechenden Klauseln in ihren bestehenden Finanzierungen genau überprüfen.

Neu abgeschlossene Kreditverträge und Kreditzusagen

Unternehmen, die erst einen noch nicht (vollständig) ausgereichten Kreditvertrag abgeschlossen haben, sollten prüfen, ob diese Kredite auch in dem derzeitigen ggf. schwierigen Umfeld gezogen werden können. Bei bestimmten Finanzierungen, z. B. bei Akquisitionskrediten gibt es in der Regel feste Kreditzusagen. Manche dieser Kreditzusagen erlauben es dem Finanzierungsgeber, eine Auszahlung bei Vorliegen einer wesentlichen nachtteiligen Veränderung zu verweigern, z. B. auf der Ebene der Zielgesellschaft oder im Markt insgesamt. Gerade Letzteres könnte in der jetzigen Situation kritisch sein. Diese Kreditzusagen enthalten auch manchmal Klauseln, die die Finanzierungsgeber zu einer Anpassung der Konditionen im Falle eines geänderten Umfelds berechtigen (sog. Market Flex-Klauseln). Auch hier ist eine sorgfältige Prüfung der Formulierung im Einzelnen zu empfehlen.

Vorhandene Liquidität sichern

In einer Krise wie der vorliegenden, die mit einer erheblichen Unsicherheit über ihre Dauer und Auswirkungen einhergeht, ist es für Unternehmen von äußerster Wichtigkeit, genügend Liquidität zu haben. Ein Zurückgehen der Gewinne und eine damit einhergehende Verletzung der Finanzkennzahlen wird ggf. erst zu einem späteren Zeitpunkt als mögliche Liquiditätsengpässe eintreten. Insoweit ist es viel wichtiger, dass sich die Unternehmen zum jetzigen Zeitpunkt eine ausreichende Liquidität sichern. Es sollte gewährleistet sein, dass bestehende Kreditzusagen gezogen werden können, und bei revolvierenden Kreditfazilitäten ausstehende Ziehungen verlängert werden können. Sollten Zweifel daran bestehen, ist darüber nachzudenken, derzeit verfügbare Liquidität zu sichern und den Dialog mit den jeweiligen Finanzierungsgebern zu suchen.  

Maßnahmen der Bundesregierung zur Unterstützung von Unternehmen

Die Bundesregierung plant, nicht nur umfangreiche Hilfspakete zur Verfügung zu stellen, welche Direktzuschüsse oder die Ziehung von Stützungskrediten von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erlauben, sondern auch eine Reihe von weiteren Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen, u. a. eine temporäre Aussetzung der Insolvenzpflicht und Einschränkungen der Kündigungsmöglichkeiten bei gewerblichen Mietverträgen.

1.   Liquiditätshilfe

Die Europäische Union hat am 22. März 2020 zwei Beihilferegelungen der Bundesrepublik genehmigt, in denen es sich um Folgendes handelt:

  • ein Darlehensprogramm, das bis zu 80 % des Risikos für Darlehen an große Unternehmen (bzw. 90 % für Darlehen an kleinere und mittlere Unternehmen) abdeckt, wobei die Darlehen eine Laufzeit von fünf Jahren haben können und je nach Liquiditätsbedarf des Unternehmens bis zu einer Milliarde Euro betragen dürfen; und
  • ein Darlehensprogramm, bei dem die KfW mit Privatbanken zusammenarbeitet, um als Konsortium größere Darlehen bereitstellen zu können. Bei dieser Regelung kann das staatlich gedeckte Risiko bis zu 80 % eines Darlehens betragen, jedoch nicht mehr als 50 % des gesamten Fremdkapitals eines Unternehmens.

Diese Maßnahmen werden es der KfW ermöglichen, den vom Ausbruch der COVID-19-Pandemie betroffenen Unternehmen Liquidität in Form von vergünstigten Darlehen bereitzustellen. Dies erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Geschäftsbanken.

Weitergehende Informationen finden Sie in unserer Mandanteninformation zu Staatlichen Beihilfen.

2.   Einschränkung der Kündigungsmöglichkeiten bei Mietverträgen

Der Gesetzesentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie sieht einen Ausschluss der Kündigung eines Mietverhältnisses durch den Vermieter wegen Zahlungsverzugs des im Zeitraum zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fälligen Mietzinses vor. Voraussetzung ist, dass die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Diese Regelung erfasst nicht nur Wohnraummietverhältnisse, sondern findet auch auf gewerbliche Mietverträge Anwendung und wird dadurch möglicherweise auch zu einer zeitweisen Linderung der Auswirkungen von Liquiditätsengpässen beitragen.

Wiederum könnte aber der Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit Schwierigkeiten für Unternehmen bedeuten, welche überwiegend in der Immobilienbranche tätig sind.

3.   Insolvenzantragspflichten

Ferner beabsichtigt die Regierung, die Insolvenzantragspflichten für Unternehmen, die infolge der COVID-19-Pandemie in einer existenziellen Krise geraten, auszusetzen. Auch die Anforderungen an Banken, die solchen Unternehmen Kredite gewähren, sollen gelockert werden, um Risiken zu verringern.

Weitergehende Informationen finden Sie in unserer Mandanteninformation zu Corona-Krisen-Compliance

Maßnahmen der Bundesregierung zur Unterstützung von Verbrauchern und Kleinstunternehmen

Auf der anderen Seite sind auch umfassende Hilfsmaßnahmen für Verbraucher und Kleinstunternehmen vorgesehen, welche wiederum einen Einfluss auf die Liquidität der mittelständischen und größeren Unternehmen sowie direkte Auswirkungen für Finanzierungsgeber haben könnten.

1.   Moratorium bei wesentlichen Dauerschuldverhältnissen

  • Als weitere, sehr weitreichende Maßnahme sieht der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vor, für Dauerschuldverhältnisse von Verbrauchern ein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht einzuführen, wenn die Erfüllung – infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind – ohne Gefährdung des angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts der unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht möglich wäre. Das Leistungsverweigerungsrecht besteht in Bezug auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse. Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind solche, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge erforderlich sind.
  • Kleinstunternehmen haben nach dem Entwurf der Bundesregierung das Recht, Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs, der im Zusammenhang mit einem Vertrag steht, der ein Dauerschuldverhältnis ist und vor dem 8. März 2020 geschlossen wurde, bis zum 30. Juni 2020 zu verweigern, wenn infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind, 
    -    das Unternehmen die Leistung nicht erbringen kann oder
    -    dem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre.
    Das Leistungsverweigerungsrecht besteht in Bezug auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse, d. h. auf solche, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebs erforderlich sind.
  • Das Leistungsverweigerungsrecht ist sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmer zeitlich zunächst bis zum 30. Juni 2020 beschränkt.

2.   Darlehensverträge

  • Für Verbraucherdarlehensverträge, die vor dem 15. März 2020 abgeschlossen wurden, gilt, dass Ansprüche des Darlehensgebers auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig werden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von drei Monaten gestundet werden, wenn der Verbraucher aufgrund der durch Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist. Kündigungen des Darlehensgebers wegen Zahlungsverzugs, wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Verbrauchers oder der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit sind bis zum Ablauf der Stundung ausgeschlossen. Hiervon darf nicht zu Lasten des Verbrauchers abgewichen werden.
  • Diese Hilfsmaßnahme soll mit einer Sprechklausel zu Vertragsanpassungen mit den jeweiligen Kreditnehmern verknüpft werden.
  • Derzeit sieht der Gesetzesentwurf der Regierung nur Regelungen für Verbraucher vor. Jedoch wird die Bundesregierung ermächtigt, auch Kleinstunternehmen in den Schutzbereich dieser Regelung einzubeziehen. Zudem kann die Bundesregierung die Regelungen auch auf Zins- und Tilgungsleistungen, welche in dem Zeitraum bis zum 30. September 2020 fällig werden, erstrecken.
  • Es wäre zu erwägen, diese Regelungen auch auf größere Unternehmen auszuweiten, die ebenso von der Krise betroffen werden können. Eine derartige Ausweitung wäre eine weitere wesentliche Stütze für die Sicherstellung der Liquidität solcher Unternehmen.

Weitergehende Informationen finden Sie in unserer Mandanteninformation zum Vertragsrecht

Fazit

Mit der aktuellen COVID-19-Krise können rasch Liquiditätsengpässe für Unternehmen einhergehen. Auch die zugunsten von Verbrauchern und Mietern vorgesehenen Hilfsmaßnahmen der Regierung können unmittelbare Auswirkungen auf die Liquidität haben. Die Unternehmen sollten prüfen, welche Beschränkungen in Bezug auf die Liquiditätsbeschaffung und welche Kündigungsrechte ihre Finanzierungsverträge im Einzelnen vorsehen und bei Bedarf rechtzeitig das Gespräch mit den Finanzierungspartnern suchen.

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