LL.M. oder Promotion?

Oder beides?

Interview mit Josefine Chakrabarti und Dr. Christoph Meissner

Früher fehlte der Hinweis in kaum einer Stellenausschreibung für Juristen: „möglichst mit abgeschlossener Promotion“. Top-Juristen ohne Doktortitel? Viele Kanzleien waren skeptisch. Doch seit einigen Jahren zieht der LL.M. gleich. Internationale Erfahrung, meist ausgewiesene Sprachkenntnisse und Kenntnisse einer anderen Rechtsordnung werden bei Berufseinsteigern und -umsteigern heute ebenso geschätzt. Was spricht für die eine, was für die andere Zusatzqualifikation? Wir haben zwei Anwälten je fünf Fragen dazu gestellt.

Was spricht für die Promotion? Für wen ist die Promotion eher nichts?

Christoph Meissner: Für die Promotion spricht, dass sie einem die Gelegenheit eröffnet, sich mit einem juristischen Thema in der Tiefe zu befassen. Man wird in seinem Thema zum Experten und entwickelt auf Basis der erzielten Forschungsergebnisse eigene Thesen und Lösungsansätze – das macht großen Spaß! Ich würde davon abraten, allein zur Erlangung des Doktortitels zu promovieren. Der Anspruch an das Promotionsstudium sollte es sein, durch seine Forschungsarbeit einen wissenschaftlichen Erkenntnismehrwert zu schaffen und nicht nur an der Oberfläche eines Problems zu kratzen oder schnellstmöglich auf eine gewisse Seitenzahl zu kommen.

Wie wichtig ist die Wahl des Themas? Und wie findet man am besten das passende?

Die Themenwahl ist aus meiner Sicht sehr wichtig. Man sollte sich mit seinem Thema ein Stück weit identifizieren und auch langfristig dafür begeistern können. Andernfalls wird es eher schwerfallen, sich täglich selbst zu motivieren und Durststrecken, die es bei einem so langwierigen Projekt auch mal geben wird, schnell hinter sich zu lassen. Sofern man nicht bereits im Rahmen des Studiums oder in Praxisstationen auf ein spannendes Thema gestoßen ist, können die ehemaligen Uni-Professoren als Ideengeber hilfreich sein. Für Studenten, die ein möglichst praxisrelevantes Thema suchen, können Honorarprofessoren eine gute Anlaufstelle sein.

Wann ist der beste Zeitpunkt für die Promotion?

Für beide Möglichkeiten, direkt nach dem ersten Examen oder erst nach dem Referendariat, gibt es nachvollziehbare Gründe. Ich persönlich fand es gut, nach dem ersten Examen erstmal frei zu sein von festgelegten Strukturen und mich selbst zu organisieren. Außerdem hatte ich Bedenken, wie es wohl mit der Motivation stünde, wenn man im Referendariat seinen Traumarbeitgeber findet und von diesem ein Einstiegsangebot erhält. Das materiell-rechtliche Wissen aus dem ersten Examen, das durch das Promotionsstudium etwas mehr in Vergessenheit gerückt ist, konnte ich ohne Weiteres während des Referendariats wieder auffrischen.

Was hast du durch die Doktorarbeit gelernt – für den Beruf, aber auch über dich selbst?

In fachlicher Hinsicht habe ich u.a. gelernt, mir selbstständig unbekannte juristische Themengebiete umfassend zu erschließen und für rechtliche Problemstellungen auch dann Lösungen zu entwickeln, wenn man in der Rechtsprechung oder im Schrifttum noch keine passenden Antworten findet. Persönlich habe ich vor allem gelernt, dass Selbstmotivation, Begeisterungsfähigkeit für die Sache und ein gewisses Maß an Disziplin und Durchhaltevermögen zentral dafür sind, um mit seinen beruflichen Vorhaben voranzukommen.
 

Was bringt der LL.M.?

Josefine Chakrabarti: Einen bunten Strauß an Erfahrungen: Man lernt ein Land und dessen Menschen kennen, ein anderes Hochschulsystem, vertieft tagtäglich die eigenen Sprachkenntnisse und kann dazu noch juristisch über den so oft beschworenen Tellerrand hinausschauen. Insgesamt war mein LL.M.-Studium aus meiner Sicht eine runde Sache. Die gesammelten Erfahrungen möchte ich in keinem Fall missen.

Worauf sollte man bei der Auswahl des LL.M.-Studiengangs achten?

Für welchen LL.M.-Studiengang man sich entscheidet, ist aus meiner Sicht gar nicht so wichtig, solange man Spaß daran hat, sich neuen Themen zu nähern. Ich habe mich damals für einen LL.M. im Arbeitsrecht entschieden, da ich bereits an der Uni einen arbeitsrechtlichen Schwerpunkt gewählt hatte und ich mich für die Parallelen, aber auch Unterschiede beider Rechtsordnungen interessierte.

Wie viel Planung ist für den LL.M. nötig? Wann sollte man sich kümmern?

Mit der Planung sollte man nicht zu kurzfristig starten. Die Auswahl an Ländern und Studiengängen ist schlicht riesig und auch die Finanzierung des Studiengangs bzw. des Studienjahrs im Ausland benötigt zeitlichen Vorlauf. Auch das Bewerbungsverfahren selbst (Motivations- und Empfehlungsschreiben etc.) sollte man nicht unterschätzen. Ich habe etwa ein Jahr vor Beginn des Studienjahrs mit den Vorbereitungen begonnen.

Was war deine wichtigste Erfahrung, die du aus dem LL.M.-Studium mitgenommen hast?

In der deutschen Juristenausbildung kommt der rechtsvergleichende Aspekt aus meiner Sicht oftmals zu kurz. Ich fand es spannend zu sehen, dass viele rechtliche Grundprinzipien, die man aus deutscher Sicht oftmals als selbstverständlich hinnimmt, in einer anderen Rechtsordnung auf ganz andere Art und Weise betrachtet werden. Zum Beispiel ist das Kündigungsschutzrecht, u.a. auch mit Blick auf die Rechtsfolgen, in Deutschland und England ganz unterschiedlich ausgestaltet. Diese Erfahrung ist aus meiner Sicht sehr wertvoll, vor allem, wenn man wie ich als Anwältin bei Gleiss Lutz häufig mit Menschen aus anderen Jurisdiktionen zusammenarbeitet.

Ist der LL.M. eine echte Alternative zur Promotion – oder doch etwas ganz anderes?

Ich denke, dass man sich – so man nicht beides absolvieren will – entscheiden muss, wo die eigenen Interessen liegen. Hat man Freude daran, sich sehr vertieft mit einem bestimmten Thema wissenschaftlich auseinanderzusetzen, sollte man eine Promotion anstreben. Hat man demgegenüber mehr Interesse daran, einen Einblick in eine andere Rechtsordnung zu gewinnen, und möchte man einmal ein Jahr in einem anderen Land verbringen, würde ich klar dem LL.M. den Vorzug geben.