Das BAG hat seine Rechtsprechung zum sog. Vorbeschäftigungsverbot bei der Befristung von Arbeitsverträgen ohne Sachgrund weiter konkretisiert. Danach steht ein bereits lange Zeit (hier: 13 Jahre) zurückliegendes Arbeitsverhältnis von sehr kurzer Dauer (hier: 8 Wochen) bei demselben Arbeitgeber einer sachgrundlosen Befristung regelmäßig nicht entgegen.
BAG, Urteil vom 15. Dezember 2021 – 7 AZR 530/20
Sachverhalt
Der Arbeitgeber beschäftigte den klagenden Arbeitnehmer von Mitte Juni bis Mitte August 2004 für ca. acht Wochen als Aushilfe. Außerdem war der Arbeitnehmer in verschiedenen Zeiträumen zwischen 2012 und 2016 und ab Anfang 2017 als Leiharbeitnehmer für das Unternehmen tätig. Im Juni 2017 bewarb der Arbeitnehmer sich bei dem Arbeitgeber auf eine Stelle als Maschinenführer. Im Bewerbungsverfahren verneinte der Kläger die Frage, ob er schon im Unternehmen oder dessen Rechtsvorgänger angestellt gewesen sei. Die Parteien schlossen daraufhin zunächst einen befristeten Arbeitsvertrag. Die Befristung wurde durch Zusatzvereinbarungen mehrfach verlängert, zuletzt bis Ende August 2019. Mit der Klage hat der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Befristung geltend gemacht. Er blieb sowohl vor dem ArbG als auch vor dem LAG ohne Erfolg.
Entscheidung des BAG
Das BAG bestätigte auf die Revision des Arbeitnehmers die Wirksamkeit der Befristung. Dieser stehe insbesondere nicht die Vorbeschäftigung des Arbeitnehmers von ca. 8 Wochen im Jahr 2004 entgegen. Zwar sei nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 TzBfG die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes unzulässig, wenn bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das Vorbeschäftigungsverbot gelte wegen der legitimen Flexibilisierungsinteressen der Arbeitgeber jedoch nicht grenzenlos. Eine sachgrundlose Befristung sei nicht ausgeschlossen, wenn das Verbot der Vorbeschäftigung den Parteien des Arbeitsvertrags unzumutbar ist. Dies könne etwa bei früheren Arbeitsverhältnis von lediglich sehr kurzer Dauer der Fall sein. Zur Begründung führte das BAG verschiedene arbeits- und sozialrechtliche Vorschriften zur Aushilfsarbeit bzw. geringfügigen Beschäftigung an, die bei einer Beschäftigungsdauer von weniger als drei Monaten einen geringeren Schutz vorsehen. Dieses Ergebnis sah das BAG zudem durch den langen zeitlichen Abstand zur Vorbeschäftigung von ca. 13 Jahren bestätigt. Im Übrigen stellte das Gericht klar, dass die kürzere Zeit zurückliegenden Einsätze als Leiharbeitnehmer für die Beurteilung, ob eine Vorbeschäftigung die sachgrundlosen Befristung eines Arbeitsvertrags beim Entleiher ausschließt, unbeachtlich sind.
Gleiss Lutz kommentiert
Das BAG ging in seiner früheren Rechtsprechung davon aus, dass schon eine Unterbrechung von drei Jahren genügt, um nach dem Ende eines Arbeitsverhältnisses erneut einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertag mit demselben Arbeitnehmer schließen zu dürfen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschied 2018, dass diese Rechtsprechung mit dem Gesetz unvereinbar ist, zog jedoch Ausnahmen vom Vorbeschäftigungsverbot in Betracht.
Mit seinem Urteil konkretisiert das BAG nunmehr, dass insbesondere „sehr kurze“ Vorbeschäftigungen von weniger als drei Monaten für die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags ausnahmsweise unschädlich sein können. Im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung ist nach der Entscheidung jedoch auch die Anzahl etwaiger Vorbeschäftigungen sowie der zeitliche Abstand zum neuen Arbeitsverhältnis von Bedeutung. So scheint das BAG eine sachgrundlose Befristung nach mehreren kurzzeitigen Vorbeschäftigungen als ausgeschlossen anzusehen. Für die Zulässigkeit einer sachgrundlosen Befristung spricht es demgegenüber, wenn große inhaltliche Unterschiede zwischen den in Rede stehenden Beschäftigungen bestehen, z.B. vorher nur eine Aushilfs- oder Nebentätigkeit ausgeübt wurde.
Eine unwirksame (sachgrundlose) Befristung ist für den Arbeitgeber mit erheblichen Risiken verbunden. Eine Lösung vom Arbeitsverhältnis durch Ausspruch einer Kündigung ist ohne Weiteres nicht mehr möglich, wenn der Arbeitnehmer bereits über den allgemeinen Kündigungsschutz verfügt. Arbeitgebern ist daher zu raten, vor der Vereinbarung einer Befristung ohne Sachgrund im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG genau zu prüfen, ob ein früheres Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitnehmer im Weg steht. Der vorliegende Fall zeigt auch, dass sich Personalabteilungen dabei nicht auf die Angaben im Bewerbungsverfahren verlassen, sondern im Zweifel eigene Nachforschungen anstellen sollten.