Eine tarifliche Regelung, die einen Zusatzurlaub ausschließlich für Mütter vorsieht, stellt keine unzulässige Diskriminierung dar, wenn damit der Schutz der Arbeitnehmerinnen hinsichtlich der Folgen der Schwangerschaft und Mutterschaft bezweckt wird. Das geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hervor.
EuGH, Urteil vom 18.11.2020 – C-463/19
Sachverhalt
Ein in Frankreich geltender Tarifvertrag für das Personal der Sozialversicherungsträger sieht einen zusätzlichen Urlaub (nur) für Arbeitnehmerinnen vor, die ihr Kind selbst betreuen. Dieser Urlaub schließt sich an den gesetzlichen Mutterschaftsurlaub an. Konkret besteht ein Anspruch auf einen eineinhalbmonatigen Urlaub bei voller Bezahlung oder einen dreimonatigen Urlaub bei halber Bezahlung. Möglich ist zudem ein ein- bis zweijähriger unbezahlter Urlaub. Ein bei einer französischen Krankenkasse beschäftigter Arbeitnehmer beantragte, ihm als Vater eines Kindes den gleichen Zusatzurlaub zu gewähren. Die Krankenkasse lehnte dies ab. In dem Ausgangsverfahren klagte die französische Gewerkschaft CFTC des Personals der gesetzlichen Krankenkasse des Département Moselle gegen diese Weigerung. Das Arbeitsgericht Metz legte dem EuGH die Frage vor, ob es mit dem Gebot der Gleichbehandlung vereinbar ist, den Zusatzurlaub allein Frauen vorzubehalten.
Entscheidung des EuGH
Es sei grundsätzlich mit der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.07.2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen („Richtlinie 2006/54/EG“) vereinbar, wenn ein zusätzlicher Mutterschaftsurlaub in einem nationalen Tarifvertrag ausschließlich Müttern vorbehalten ist, so entschied der EuGH. Zwar handele es sich hierbei um eine Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Dies sei aber dann gerechtfertigt und mit der Richtlinie 2006/54/EG vereinbar, wenn der Anspruch zum Schutze der Arbeitnehmerinnen und den Folgen der Schwangerschaft bestehe. Ein solcher Zusatzurlaub müsse dazu dienen, den Schutz der körperlichen Verfassung der Frau sowie der besonderen Beziehung der Mutter zu ihrem Kind in der Zeit nach der Entbindung zu gewährleisten. Dafür genüge es nicht, dass sich der Zusatzurlaub unmittelbar an den gesetzlichen Mutterschaftsurlaub anschließt.
Ob der hier umstrittene Tarifvertrag diese Voraussetzungen erfüllt, muss das Arbeitsgericht Metz nun im weiteren Verfahren prüfen.
Gleiss Lutz kommentiert
Mit dieser Entscheidung hat der EuGH klargestellt, dass Beschäftigte in ihrer Eigenschaft als Mütter und Väter (nur) ungleich behandelt werden dürfen, wenn es dafür sachliche Gründe gibt. Dies kann bei einem Mutterschaftsurlaub der Fall sein, wenn dieser dem besonderen Schutz der Mütter dient, nicht hingegen, wenn dieser nur an deren Eigenschaft als Elternteil anknüpft. Die vom EuGH als Maßstab zugrunde gelegte Richtlinie 2006/54/EG liegt u. a. dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zugrunde.