Healthcare und Life Sciences

Update zur Cannabis-Legalisierung: Gesetzentwurf liegt vor

Am 16. August 2023 hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf zur Teillegalisierung von Cannabis auf den Weg gebracht. Der Entwurf setzt die erste Säule des bereits am 12. April 2023 vorgestellten Eckpunktepapiers zur Cannabis-Legalisierung um (hierzu unser Beitrag vom 12. April 2023).

Der Gesetzentwurf im Einzelnen – Umsetzung von Säule 1 der Legalisierung

Der Gesetzentwurf sieht – neben Änderungen bestehender Gesetze wie dem StGB, dem BtMG und dem AMG – insbesondere die Einführung eines Konsumcannabisgesetzes (KCanG) sowie eines Medizinal-Cannabisgesetzes (MedCanG) vor.

Konsumcannabisgesetz

Das KCanG sieht Folgendes vor:

  • Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum ist für Volljährige erlaubt.
  • Nicht gewinnorientierte Vereine („Cannabis-Clubs“ bzw. Anbauvereinigungen) mit maximal 500 Mitgliedern ab 18 Jahren dürfen gemeinschaftlich Cannabis zu Genusszwecken anbauen und nur an Mitglieder für den Eigenkonsum abgeben. Die Clubs stehen unter Überwachung der Landesbehörden.
  • Je Mitglied dürfen maximal 25 Gramm Cannabis pro Tag und maximal 50 Gramm pro Monat abgegeben werden. Personen unter 21 bekommen maximal 30 Gramm pro Monat.
  • In den Clubräumen darf nicht konsumiert werden (auch kein Alkohol).
  • Die Vereine müssen einen Mindestabstand zu Schulen und Kitas einhalten. Zudem darf im Umkreis von 200m zu Schulen, Kitas und den Anbauvereinigungen selbst kein Cannabis konsumiert werden. In Fußgängerzonen darf bis 20 Uhr kein Cannabis konsumiert werden.
  • Drei Cannabispflanzen pro volljähriger Person sind künftig im Eigenanbau erlaubt. Anbauvereine dürfen zu diesem Zwecke monatlich maximal sieben Samen oder fünf Stecklinge an die Mitglieder weitergeben. Das im privaten Eigenanbau angebaute Cannabis ist vor dem Zugriff durch Kinder, Jugendliche oder Dritte durch geeignete Maßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen zu schützen.
  • Entgegen ursprünglicher Planungen bleibt die Weitergabe von selbst angebautem Cannabis an Volljährige zum unmittelbaren Konsum in der eigenen Wohnung verboten.
  • Evaluation des Gesetzes nach 4 Jahren.

Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG)

Durch das neue MedCanG soll noch eindeutiger zwischen Medizinalcannabis und dem nicht-medizinischen (Genuss-)Cannabis unterschieden werden. Vor diesem Hintergrund sind die Regelungen zum Medizinalcannabis in einem separaten neuen Gesetz zu finden. Die in verschiedenen Gesetzen verteilten Regelungen werden somit an einem Ort zusammengefasst. Darüber hinaus kommt es jedoch kaum zu inhaltlichen Veränderungen gegenüber der geltenden Rechtslage. Es bleibt dabei, dass nur von dem BfArM beauftragte und lizensierte Unternehmen Medizinalcannabis anbauen dürfen. Wichtigste Änderung ist, dass eine Verschreibung per besonderem BtM-Rezept nicht länger nötig ist und nun ein normales ärztliches Rezept ausreicht.

Zeitplan

Der nun vom Kabinett verabschiedete Gesetzentwurf greift im Wesentlichen die bereits angekündigten Eckpunkte der Säule 1 auf und wird voraussichtlich nach der parlamentarischen Sommerpause zur Beratung in den Bundestag gehen. Die Regierungsfraktionen im Bundestag haben zum Teil bereits Änderungsbedarf angekündigt. Über die weiteren Entwicklungen werden wir berichten.

Säule 2 der Cannabis-Legalisierung: Kommerzielle Modellprojekte (Referentenentwurf voraussichtlich im Herbst 2023)

Im Rahmen der zweiten Säule, die voraussichtlich im Herbst 2023 in einen ersten Entwurf münden wird, sollen in Kreisen und Städten mehrerer Bundesländer in Modellprojekten "kommerzielle Lieferketten" ausprobiert werden. Für fünf Jahre soll Unternehmen dabei die Produktion, der Vertrieb und die Abgabe in lizenzierten Fachgeschäften an Erwachsene ermöglicht werden. Das Modell wird wissenschaftlich begleitet und die Erkenntnisse werden dann auch der EU-Kommission zur Verfügung gestellt. Die Zulassung der Abgabe von Edibles unter Wahrung strenger Auflagen wird geprüft.

Konsequenzen für den Cannabis-Vertrieb in Deutschland

Fasst man den Gesetzentwurf und das weitere geplante Vorgehen zusammen, so ergeben sich folgende Konsequenzen für den Cannabis-Vertrieb in Deutschland:

  • Eine umfassende Legalisierung wird es – anders als im Koalitionsvertrag vorgesehen – nicht geben.
  • Trotzdem wird sich die Verfügbarkeit von Cannabis in der Gesamtbevölkerung insgesamt erhöhen und rein faktisch dürfte dies auch Auswirkungen auf die Strafverfolgung haben. Ob die neuen Besitzobergrenzen etc. tatsächlich zu weniger Bürokratie und Strafverfolgung führen, bleibt abzuwarten.
  • Die kommerzielle Herstellung sowie der gewerbliche Vertrieb von Cannabis sind vorerst unverändert nur zu medizinischen Zwecken möglich.
  • Denkbar ist allerdings auch, dass für chronisch kranke Patienten die Mitgliedschaft in einem „Cannabis Club“ die Notwendigkeit zur Verordnung von medizinischem Cannabis nicht mehr nötig macht.
  • Erst im Rahmen der Umsetzung der als „zweiten Säule“ vorgesehenen Modellvorhaben kann voraussichtlich gewerblich produziertes/importiertes Cannabis in lizensierten Geschäften abgegeben werden. Wann die Modellvorhaben starten, ist aktuell offen. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist laut Bundesgesundheitsminister Lauterbach für den Herbst 2023 geplant.

Weiteres Vorgehen

Im Rahmen der Umsetzung des neuen 2-Säulen-Modells wird sich die Bundesregierung gegenüber den entsprechenden Gremien der UN nach eigenen Angaben auf die 1993 bei der Ratifizierung des UN-Abkommens aus 1988 abgegebene Interpretationserklärung berufen und eine Stellungnahme abgeben, mit der sie das Vorhaben als mit dem Zweck und den rechtlichen Vorgaben der UN-Übereinkommen vereinbar erklärt.

Die Bundesregierung kündigt zudem an, zeitgleich zur nationalen Umsetzung ihre Bemühungen fortzusetzen, für die noch liberaleren Ansätze des ursprünglichen (weitergehenden) Eckpunktepapiers bei den europäischen Partnern zu werben und dabei zu prüfen, inwieweit die Initiative einer ausreichenden Zahl von EU-Mitgliedstaaten möglich sein wird, um den EU-Rechtsrahmen zu flexibilisieren und weiterzuentwickeln.

Jüngst hat der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages zudem ein (weiteres) Gutachten zu den unions- und völkerrechtlichen Legalisierungsspielräumen veröffentlicht. Auch wenn sich die 43-seitige Untersuchung nicht explizit mit dem Gesetzentwurf des CanG auseinandersetzt, ergeben sich daraus zahlreiche Implikationen für das Legalisierungsvorhaben der Bundesregierung. Das Gutachten kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass eine vollständige Legalisierung voraussichtlich dem geltenden EU-Recht wiederspräche. Eine Teillegalisierung im privaten Bereich (Säule 1) sowie wissenschaftlich begleitete Modellprojekte (Säule 2) könnten indes nach Auffassung des Wissenschaftlichen Dienstes im Grundsatz durchaus mit dem Unions- und Völkerrecht vereinbar sein. Aus dem Gutachten geht ferner ebenfalls hervor, dass eine abschließende Bewertung des Vorhabens nur durch den EuGH mit einer Klärung von Auslegungsfragen des Unionsrechts herbeigeführt werden kann. Es bleibt daher dabei, dass die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Legalisierungsvorhabens der Bundesregierung (noch) nicht final beantwortet werden kann.

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