Arbeitsrecht

Neues zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern

Das Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) ist am 25. Juli 2024 in Kraft getreten. Es schafft neue Spielregeln zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern. Für die Praxis liegt ein Augenmerk nun auf der rechtmäßigen Ausgestaltung von Betriebsvereinbarungen, die ein Verfahren zur Festlegung der mit den Betriebsmitgliedern vergleichbaren Arbeitnehmer regeln.

Hintergrund

Ausgangspunkt für das Gesetzesvorhaben bildete das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. Januar 2023 (Az. 6 StR 133/22) zur Frage der Strafbarkeit wegen Untreue bei Verstößen gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot. Der 6. Strafsenat hob das Urteil des LG Braunschweig auf, das Vorstandsmitglieder und Personalverantwortliche vom Vorwurf der Untreue freisprach und stellte zugleich fest, dass der objektive Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB erfüllt sein kann, wenn Vorstandsmitglieder oder Prokuristen einer Aktiengesellschaft unter Verstoß gegen § 78 Satz 2 BetrVG einem Betriebsratsmitglied eine überhöhte Vergütung gewähren. 

Das Urteil des BGH veranlasste viele Unternehmen, die Vergütung ihrer Betriebsratsmitglieder zu prüfen. Teilweise wurde angenommen, der BGH sei in seinen arbeitsrechtlichen Aussagen von der Rechtsprechung des BAG abgewichen. Die anschließenden – auch aufgrund der entstandenen Unsicherheiten vorsorglichen – Vergütungskürzungen akzeptierten wenige Betriebsratsmitglieder, weshalb die Betroffenen häufig Klage gegen die Vergütungskürzungen einreichten.

Um entstandene Rechtsunsicherheiten zu beheben, negative Folgen für die betriebliche Mitbestimmung künftig auszuschließen und das Risiko von Verstößen gegen das betriebsverfassungsrechtliche Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot zu reduzieren, erarbeitete das Bundesarbeitsministerium (BMAS) zusammen mit einer dreiköpfigen Expertenkommission neue Spielregeln zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern. Diese sind nun als „Zweites Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes“ am 25. Juli 2024 in Kraft getreten. Die gesetzlichen Änderungen betreffen § 37 Abs. 4 und § 78 BetrVG. 

Vergütungsgrundsätze des § 37 BetrVG 

Das Betriebsratsamt ist gemäß § 37 Abs. 1 BetrVG ein unentgeltliches Ehrenamt, d.h. die Betriebsratsarbeit als solche darf nicht vergütet werden. Für die Zeit, in denen Betriebsratsmitglieder erforderliche Betriebsratsarbeit erbringen, sind sie von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien (§ 37 Abs. 2 BetrVG). Das Arbeitsentgelt ist während der Freistellung nach dem Lohnausfallprinzip fortzuzahlen. Diese Grundsätze gelten unverändert fort. Klarstellungen enthält das Gesetz hinsichtlich der Vergleichsgruppenbildung. Nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG darf die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Die Vorschrift konkretisiert das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG in Form eines Mindestentgeltanspruchs.

§ 37 Abs. 4 BetrVG ist mit Wirkung zum 25. Juli 2024 um die Sätze 3 bis 5 ergänzt worden, in denen es heißt:

  • „Zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; Gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist.“

  • Mit Einführung des § 37 Abs. 4 Satz 3 BetrVG soll klargestellt werden, was nach ständiger Rechtsprechung des BAG bereits galt: Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbaren Arbeitnehmer ist derjenige der (erstmaligen) Amtsübernahme. Auf den Zeitpunkt der Freistellung kommt es nicht an. 
    Während der Amtszeit des Betriebsratsmitglieds können die Vergleichsgruppen nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG jedoch tatsächlichen Änderungen unterliegen. Dann ist eine spätere Neubestimmung der Vergleichsgruppe bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig. Das Gesetz selbst konkretisiert nicht, wann ein sachlicher Grund vorliegt. In der Gesetzesbegründung wird mit Verweis auf das Urteil des BAG vom 23. November 2022 (Az. 7 AZR 122/22) als Beispiel für einen sachlichen Grund der Fall eines beruflichen Aufstiegs eines Betriebsratsmitglieds genannt, das die Anforderungen einer freien höherdotierten Stelle erfüllt und mit dem Arbeitgeber einen entsprechenden Änderungsvertrag schließt. 
  • Die Regelung des § 37 Abs. 4 Satz 4 BetrVG soll – ebenfalls im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG – klarstellen, dass die Betriebsparteien in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln können. Die in einer Betriebsvereinbarung getroffene Konkretisierung der Vergleichbarkeit soll nach Satz 5 nur auf grobe Fehlerhaftigkeit gerichtlich überprüfbar sein. Gleiches gilt für die einvernehmliche Festlegung konkreter Vergleichspersonen auf Basis der in der Betriebsvereinbarung bestimmten Kriterien, sofern sie durch Arbeitgeber und Betriebsrat in Textform (§ 126b BGB) festgehalten werden. Durch die Regelung soll ein Anreiz für die Betriebsparteien geschaffen werden, Vergleichsgruppen transparent festzulegen.
  • Das Änderungsgesetz macht keine Vorgaben hinsichtlich der Kriterien für die Bildung von Vergleichsgruppen. Es gilt weiterhin der Grundsatz des BAG, wonach vergleichbar ist, wer ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt hat wie der Amtsträger und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert war. Eine Klarstellung enthält die Gesetzesbegründung allerdings: Fehlen im Betrieb Vergleichspersonen, können vergleichbare Arbeitnehmer anderer Betriebe desselben Unternehmens herangezogen werden. 
  • Die in der Betriebsvereinbarung getroffene Konkretisierung der Vergleichbarkeitsmerkmale ist laut Gesetzesbegründung grob fehlerhaft, wenn sie sich nicht an den vom BAG entwickelten Kriterien orientiert, sachwidrig weitere Kriterien benennt, wesentliche Kriterien unberücksichtigt lässt oder die Kriterien unzureichend oder mit eindeutig verfehlter Gewichtung berücksichtigt.

Vergütungsgrundsätze des § 78 Satz 2 BetrVG

§ 78 Satz 2 BetrVG enthält ein umfassendes und zwingendes Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot von Betriebsratsmitgliedern. Diese dürfen wegen ihrer Tätigkeit ohne sachlichen Grund gegenüber anderen Arbeitnehmern weder benachteiligt noch begünstigt werden. Der Arbeitgeber muss einem Betriebsratsmitglied die berufliche Entwicklung gewähren, die es ohne seine Amtstätigkeit durchlaufen hätte. 

Ist ein Betriebsratsmitglied nur infolge der Amtsübernahme nicht in eine Position mit höherer Vergütung aufgestiegen, besteht nach ständiger Rechtsprechung des BAG ein Anspruch auf Zahlung der höheren Vergütung nach § 611a BGB iVm. § 78 Satz 2 BetrVG (sog. „fiktiver Beförderungsanspruch“). Der fiktive Beförderungsanspruch setzt stets voraus, dass im Unternehmen eine freie Stelle existiert. Darüber hinaus müssen die vom BAG aufgestellten Anforderungen erfüllt sein: (1) Das Betriebsratsmitglied hat sich auf eine bestimmte Stelle beworben, dessen Anforderungsprofil es erfüllt und sich im Auswahlprozess gegenüber Mitbewerbern durchgesetzt oder (2) die Bewerbung ist wegen der Freistellung erfolglos geblieben oder (3) das Betriebsratsmitglied hat sich nicht beworben, aber eine Bewerbung wäre erfolgreich gewesen oder (4) die Absage basiert auf fehlenden aktuellen Fachkenntnissen des Betriebsratsmitglieds wegen seiner Betriebsratstätigkeit.

Der § 78 BetrVG ist mit Wirkung zum 25. Juli 2024 um den folgenden Satz 3 ergänzt worden:

  • „Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vor, wenn das Mitglied einer in Satz 1 genannten Vertretung in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.“
  • Die durch die Rechtsprechung des BAG bereits vorgezeichneten Voraussetzungen einer „fiktiven Beförderung“ bzw. „hypothetischen Karriere“ sollen durch § 78 Satz 3 BetrVG konkretisiert werden. Eine Benachteiligung oder Begünstigung im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt soll demnach nicht vorliegen, wenn der jeweilige Amtsträger „in seiner Person die für die Gewährung des Entgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt“. Der Wortlaut der Regelung ist wenig aussagekräftig. Ausweislich der Gesetzesbegründung können Unternehmen künftig bei der Stellenbesetzung auch während der Amtstätigkeit erworbene Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen berücksichtigen, soweit sie im Unternehmen für die jeweilige Stelle karriere- und vergütungsrelevant sind. Der bloße Zuwachs an Kompetenzen, Kenntnissen und Fähigkeiten während der Ausübung des Betriebsratsamts begründet hingegen ohne Bezug zu einer konkreten Stelle im Betrieb und deren Anforderungsprofil keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung. Nicht berücksichtigungsfähig ist daher, dass ein Betriebsratsmitglied „komplexe Aufgaben“ wahrnimmt oder in "unternehmerische Entscheidungskomplexe eingebunden" ist. 
  • Ausweislich der Gesetzesbegründung liegt eine ermessensfehlerfreie Festlegung des Entgelts insbesondere dann vor, sofern der Arbeitgeber eine plausible und nachvollziehbare Vereinbarung zur Eingruppierung mit dem Betriebsratsmitglied getroffen hat. Die Dokumentation ist also auch hier wesentlich.  

Fazit

Die Gesetzesänderung betrifft eine Thematik mit hoher praktischer Relevanz. Organmitglieder und Personalverantwortliche bewegen sich bei der Vergütung der Betriebsratsmitglieder auf einem schmalen Grat zwischen Betriebsratsbegünstigung und -benachteiligung. Damit einhergehende strafrechtliche Risiken können durch klare arbeitsrechtliche Vorgaben zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern reduziert werden. Das Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes soll nach der Gesetzesbegründung die aktuelle Rechtslage klarstellen und enthält zudem teilweise darüberhinausgehende Klarstellungen und Konkretisierungen. Gleichwohl kann die Verwendung zahlreicher unbestimmter Rechtsbegriffe zu neuen Unsicherheiten führen.

Für die Praxis liegt ein Augenmerk nun auf der rechtmäßigen Ausgestaltung von Betriebsvereinbarungen, die ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer vorsehen. Beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen über das Verfahren zur Festlegung von Vergleichspersonen wird den Betriebsparteien durch die Begrenzung der Überprüfungsmöglichkeit ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die zwingenden Grundsätze der §§ 37, 78 BetrVG weiterhin zu beachten sind, da ansonsten schnell die Schwelle zur groben Fehlerhaftigkeit überschritten werden kann.

Eine Nachzeichnung der Änderungen des BetrVG ist für Personalratsmitglieder im BPersVG bisher nicht vorgesehen. Dienstvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Personalrat über das Verfahren zur Festlegung der vergleichbaren Arbeitnehmer können aber auch hier sinnvoll sein, um Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf die Personalratsvergütung vorzubeugen.

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