Arbeitsrecht

Schadensersatz wegen unerlaubter Verwendung von Foto- und Videoaufnahmen eines ehemaligen Arbeitnehmers

Das LAG Baden-Württemberg verurteilte mit Urteil vom 27. Juli 2023 – 3 Sa 33/22 einen Arbeitgeber wegen unerlaubter Verwendung von Foto- und Videoaufnahmen seines Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Zahlung eines Schadensersatzes i. H. v. 10.000 Euro. Dabei stellte das LAG klar, dass ein Verstoß gegen die DSGVO für sich allein keinen Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO begründet.

Sachverhalt

Der Kläger war bis zum 30. April 2019 als Werbetechniker bei der Beklagten tätig. Im Mai 2019 wechselte er zu einem Mitbewerber der Beklagten und arbeitete dort auf einer vergleichbaren Stelle. Die Beklagte ließ während des Arbeitsverhältnisses mit Wissen und Einverständnis des Klägers Foto- und Videoaufnahmen vom Kläger anfertigen und veröffentlichte diese zu Werbezwecken auf ihrer Firmenwebsite. Die Aufnahmen zeigten den Kläger als „Schulungsleiter“ im Unternehmen der Beklagten und bewarben die damals durch den Kläger durchgeführten Schulungen. Ein (explizites) Einverständnis des Klägers in die Nutzung dieser Aufnahmen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses lag nicht vor. Nach Ausscheiden des Klägers verwendete die Beklagte die Aufnahmen trotzdem weiter. Der wiederholten Aufforderung des Klägers zur Löschung des Bildmaterials kam die Beklagte erst am 21. Februar 2020 vollumfänglich nach. In zweiter Instanz forderte der Kläger (weiterhin) Auskunftserteilung nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO über sämtliche personenbezogenen Daten, die über ihn zum Anlass oder in Folge seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten, von der Beklagten erhoben und verarbeitet wurden, immateriellen Schadensersatz wegen Verletzung der Auskunftspflicht sowie wegen Verwendung der Foto- und Videoaufnahmen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Die Entscheidung

  • Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen Art. 17 Abs. 3 i.V.m. Art. 82 Abs. 1 DSGVO:
    Das LAG hat der Klage hinsichtlich des Begehrens des Klägers auf einen Schadensersatzanspruch i. H. v. 10.000 Euro wegen der unautorisierten Verwendung der Foto- und Videoaufnahmen nach Ende des Arbeitsverhältnisses stattgegeben. Zwar habe sich der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Anfertigung des Bildmaterials mit der Verwendung zu Werbezwecken durch die Beklagte einverstanden erklärt. Dieses Einverständnis reiche jedoch nicht über den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses hinaus. Vielmehr sei die Arbeitgeberin verpflichtet gewesen, das Bildmaterial mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis selbstständig aus ihren Werbemedien zu entfernen. Für die beklagte Arbeitgeberin sei bereits aufgrund des Wechsels des Klägers zu einem Konkurrenzunternehmen erkennbar gewesen, dass das Einverständnis des Klägers in die Nutzung der Aufnahmen durch die Beklagte erloschen war. Trotz der mehrfachen Aufforderung des Klägers, die Aufnahmen zu löschen, nutzte die Beklagte die Aufnahmen zu eigenen kommerziellen Zwecken für einen Zeitraum von neun Monaten weiter. Damit verstieß sie gegen Art. 17 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 82 Abs. 1 DSGVO und verletzte die Persönlichkeitsrechte des Klägers (Recht am eigenen Bild) erheblich. Aus Sicht des LAG war daher auch ein hoher Schadensersatzanspruch gerechtfertigt.
     
  • Kein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen verspäteter Auskunftserteilung gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO:
    Der Umstand, dass die Beklagte dem Auskunftsverlangen des Klägers nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht innerhalb der Monatsfrist des Art. 12 Abs. 3 S. 1 DSGVO nachkam, begründete nach Auffassung des LAG keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Der Kläger müsse darlegen, dass ihm durch die verspätete oder verzögerte Auskunftserteilung der Beklagten ein Schaden entstanden sei, wobei es nicht auf die Erheblichkeit des Schadens ankomme. Dieser Darlegungslast sei der Kläger nicht nachgekommen. Die bloße Berufung darauf, um „seine Rechte und die Freiheiten“ gebracht worden zu sein, „die ihn betreffenden personenbezogenen Daten zu kontrollieren“, genüge nicht. Art. 82 Abs. 1 DSGVO enthalte keine Vermutungswirkung dahingehend, dass der mit dem Verstoß gegen die DSGVO einhergehende Kontrollverlust über die eigenen Daten als solcher zu einem ersatzfähigen Schaden führt. Hierfür sprechen aus Sicht des LAG der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte von Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Der Begriff des Schadens sei gemäß des Erwägungsgrundes 146 S. 3 der DSGVO zwar weit auszulegen, das bedeute aber nicht, dass vom Vorliegen eines konkreten Schadens gänzlich abzusehen sei. Diese Auslegung stehe im Einklang mit der jüngsten EuGH-Rechtsprechung, wonach nicht jeder Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO für sich genommen den Schadensersatzanspruch der betroffenen Person i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO eröffne (EuGH, Urteil vom 4.05.2023 – C-300/21 – U I/Österreichische Post AG). Bezüglich des Auskunftsverlangens des Klägers nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO ließ das LAG die Revision zu.

Praxishinweis

Arbeitgeber sollten sich mit dieser Thematik bereits vor Verwertung von Bildmaterial ihrer Arbeitnehmer auseinandersetzen. Das (bestenfalls schriftliche) Einverständnis in die Verwertung im Zeitpunkt des Anfertigens führt nicht ohne weiteres dazu, dass der Arbeitgeber Bildmaterial auch nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers weiter nutzen darf. Es ist grundsätzlich denkbar, dass sich der Arbeitgeber ein solches „fortwirkendes“ Einverständnisses vorab geben lässt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Arbeitnehmer nach Art. 7 Abs. 3 S. 1 DSGVO das Recht hat, seine Einwilligung jederzeit zu widerrufen. Fehlt es an einem fortdauernden Einverständnis, hat der Arbeitgeber das Bildmaterial mit Ausscheiden des Arbeitnehmers grundsätzlich aus sämtlichen Werbematerialen zu entfernen. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um Bildmaterial handelt, auf dem der Arbeitnehmer und dessen Leistungen für den Arbeitgeber im Vordergrund steht. Handelt es sich um Bildmaterial mit illustrierendem Charakter ohne Bezug zur individuellen Person des Arbeitnehmers oder auf denen der Arbeitnehmer eine untergeordnete Rolle einnimmt (z. B. ein Gruppenfoto) kann das anders sein (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.11.2012 – 6 Sa 271/12). Widerruft der Arbeitnehmer sein Einverständnis, wird regelmäßig eine Löschpflicht gem. Art. 17 Abs. 1 Abs. 1 lit. b DSGVO bestehen. Aus Arbeitgebersicht ist es ratsam, bei Ausscheiden eines Arbeitnehmers aus dem Unternehmen zu prüfen, ob zu Werbezwecken genutzte Foto- oder Videoaufnahmen dieses Arbeitnehmers zu löschen sind. Spätestens aber, wenn ein ehemaliger Arbeitnehmer die Löschung verlangt, sollte sich ein ehemaliger Arbeitgeber mit dieser Frage auseinandersetzen. Eine Weiternutzung des Bildmaterials kann einen potentiellen Schadensersatzanspruch erhöhen.

Die Klarstellung des LAG, dass für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen verspäteter Auskunftserteilung nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO ein durch die verspätete Auskunftserteilung entstandener Schaden dargelegt werden muss, ist zu begrüßen. Die Entscheidung steht in einer Linie mit der jüngsten EuGH-Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 4.5.2023 – C-300/21– U I/Österreichische Post AG). Das BAG hatte die Frage in einer Entscheidung zuletzt u. a. mit Verweis auf das damals noch anhängige Vorabentscheidungsersuchen vor dem EuGH, offengelassen (BAG, Urteil vom 5.5.2022 – 2 AZR 363/21). Für Arbeitgeber, die sich oft mit Schadensersatzforderungen wegen verspäteter Auskunft (insbesondere im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen) konfrontiert sehen, ist das Urteil positiv, da die Arbeitnehmer einen durch die verspätete Auskunftserteilung entstandenen Schaden konkret nachweisen werden müssen. Das ist auch deshalb erfreulich, da in der Vergangenheit der Auskunftsanspruch teilweise zweckentfremdet wurde, um Arbeitgeber unter Druck zu setzen und z. B. die Abfindungshöhe zu beeinflussen. Ob die Entscheidung des LAG im Rahmen einer Revision durch das BAG bestätigt werden wird, bleibt abzuwarten.

Der Datenschutz spielt im Arbeitsrecht eine immer größere Rolle. Gleichzeitig gehen mit der DSGVO noch viele offene Fragen einher, die es im Laufe der nächsten Jahre noch zu beantworten gilt. Arbeitgeber sollten mit ihren Pflichten nach der DSGVO und den nationalen Datenschutz-Regelungen vertraut sein.

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