Arbeitsrecht

Richtlinienentwurf zur Plattformarbeit

Die EU-Kommission stellte Anfang Dezember 2021 einen Entwurf einer Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit vor. Ziel des Entwurfs ist es, für die derzeit ca. 28 Millionen Plattformbeschäftigten in der EU Rechtssicherheit und Transparenz zu gewährleisten.

Ausgangslage

Digitale Arbeitsplattformen liegen im Trend. Sie bieten ihren Kunden, meist über eine App, verschiedene Dienstleistungen „auf Knopfdruck“ an, z. B. die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Reinigungs- oder Pflegediensten. Aktuell arbeiten in der EU über 28 Millionen Personen über digitale Arbeitsplattformen. Im Jahr 2025 soll diese Zahl voraussichtlich auf 43 Millionen ansteigen. Viele dieser Plattformbeschäftigten sind selbstständig tätig. Schätzungen zufolge könnten jedoch bis zu 5,5 Millionen Menschen, die über digitale Arbeitsplattformen Leistungen erbringen, als Scheinselbstständige einzustufen sein.

Digitale Arbeitsplattformen nutzen zudem häufig automatisierte Systeme. Per Algorithmus werden dabei Aufgaben an Plattformbeschäftigte vergeben, die Durchführung der Aufgaben überwacht oder bewertet. Die Transparenz solcher Systeme wird von der EU Kommission als unzureichend eingestuft.

Neue Regelungen

Kernpunkte des Richtlinienentwurfs sind zum einen Rechtssicherheit bei der statusrechtlichen Einordnung von Plattformbeschäftigten sowie eine größere Transparenz bei der Nutzung von Algorithmen durch die Plattformbetreiber.

1. Statusrechtliche Einordnung

Im Hinblick auf die statusrechtliche Einordnung soll eine widerlegbare Vermutung für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses greifen, wenn mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllt sind:

  • Festlegung der Höhe der Vergütung oder einer Obergrenze der Vergütung;
  • Festlegung bestimmter verbindlicher Regeln in Bezug auf Erscheinungsbild und Verhalten;
  • Überwachung der Ausführung der Arbeit, auch auf elektronischem Wege;
  • Einschränkung der Möglichkeiten, Arbeits- oder Abwesenheitszeiten frei zu wählen, Aufgaben anzunehmen oder abzulehnen oder Unterauftragnehmer oder Ersatzkräfte in Anspruch zu nehmen;
  • Einschränkung der Möglichkeit, einen Kundenstamm aufzubauen oder Arbeiten für Dritte auszuführen.

Greift die Vermutung, so muss der Plattformbetreiber beweisen, dass das betreffende Vertragsverhältnis tatsächlich nicht als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist.

2. Transparenz bei der Nutzung von Algorithmen

Um die Transparenz bei der Nutzung der Plattform für die betroffenen Personen zu erhöhen, sollen Informations- und Kontrollrechte geschaffen werden. Plattformbeschäftigte sollen zudem das Recht erhalten, automatisiert getroffene Entscheidungen durch eine menschliche Person überprüfen zu lassen, sofern sich die Entscheidung erheblich auf die Arbeitsbedingungen auswirkt. Für Entscheidungen der Plattform in Bezug auf die Beschränkung, Aussetzung oder Beendigung des Kontos des Plattformbeschäftigten, die Verweigerung der Vergütung für vom Plattformbeschäftigten geleistete Arbeit, den vertraglichen Status des Plattformbeschäftigten oder für jede Entscheidung mit ähnlicher Wirkung sieht der Entwurf vor, dass die betroffene Person eine schriftliche Begründung erhalten muss. Der betroffene Plattformbeschäftigte kann eine Überprüfung dieser Entscheidungen verlangen.

Die Transparenzregeln gelten dabei sowohl für angestellte als auch für selbstständig tätige Plattformbeschäftigte.

Gleiss Lutz kommentiert

Mit Spannung bleiben die weiteren Entwicklungen rund um den Richtlinienentwurf abzuwarten. Im nächsten Schritt wäre es an dem Gesetzgeber die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Hier erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Einführung einer widerlegbaren Vermutung auch als Vorlage für die statusrechtliche Einordnung von Beschäftigten anderer Industriezweige dienen kann. Je nach Ausgestaltung der Kriterien für das Eingreifen der Vermutung könnte dies ein Weg sein, die Rechtssicherheit bei der praxisrelevanten Frage der Abgrenzung von Arbeitnehmern und Freelancern zu erhöhen und die damit verbundenen sozialversicherungsrechtlichen und strafrechtlichen Risiken der Nachverbeitragung von Vergütung zu minimieren.

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