Am 19.12.2019 ist das Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (DVG) in Kraft getreten (BGBl. I 2019, S. 2562). Das DVG ermöglicht insbesondere die Versorgung gesetzlich Krankenversicherter mit Medical Apps.
Dr. Enno Burk, Counsel im Bereich Healthcare und Life Sciences, berät Leistungserbringer und Kostenträger regelmäßig zu digitalen Versorgungsangeboten im Gesundheitswesen und fasst die neuen Möglichkeiten für das Angebot von Medical Apps in der gesetzlichen Krankenversicherung zusammen.
Medical Apps vom Versorgungsanspruch von GKV-Versicherten umfasst
- Gesetzlich Krankenversicherte erhalten mit dem neuen § 33a SGB V einen Anspruch auf Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen.
- Hierunter sind Medizinprodukte mit Risikoklasse I oder IIa zu verstehen, deren Hauptfunktion wesentlich auf digitalen Technologien beruht, also vor allem Medical Apps mit Medizinproduktfunktionen.
BfArM für Qualitätsprüfung der digitalen Angebote zuständig – einschließlich positiver Versorgungseffekte
- Der Leistungsanspruch von Versicherten auf Medizinprodukt-Apps und andere digitale Gesundheitsanwendungen setzt voraus, dass sie vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in ein neues Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen aufgenommen werden (§ 139e SGB V).
- Hierfür hat der Hersteller nachzuweisen, dass die Anwendung die Grundanforderungen an Sicherheit, Funktionstauglichkeit und Qualität der digitalen Gesundheitsanwendung erfüllt. Sie muss außerdem positive Versorgungseffekte haben. Ist der Nachweis positiver Versorgungseffekte noch nicht möglich, kann die vorläufige Aufnahme in das Verzeichnis erfolgen (§ 139e Abs. 3 SGB V).
„App auf Rezept“ und Bereitstellung durch den Hersteller
- Der Katalog der vom Arzt zu verordnenden Leistungen wird entsprechend dem neuen Leistungsanspruch um die digitalen Anwendungen erweitert (§ 87 Abs. 5c SGB V). Vertragsärzte können die Anwendungen deshalb wie Hilfs- oder Arzneimittel verordnen.
- Im Anschluss erhalten die Versicherten entweder eine Möglichkeit zum Download oder einen Datenträger. Ist dies nicht möglich, können Versicherte die Apps auch in App Stores herunterladen (§ 33a Abs. 3 SGB V).
- Auch die Datenverarbeitungsmöglichkeiten der Krankenkassen werden den erweiterten Möglichkeiten für digitale Angebote angepasst.
Kostenübernahme für Medical Apps/digitale Gesundheitsanwendungen durch die Krankenkassen
- Der GKV-Spitzenverband vereinbart mit den Herstellern digitaler Gesundheitsanwendungen mit Wirkung für alle Krankenkassen Vergütungsbeiträge für digitale Gesundheitsanwendungen. Dabei soll zuvor eine Rahmenvereinbarung über die Maßstäbe für die Vereinbarungen der Vergütungsbeiträge geschlossen werden.
- Die Vergütungsbeiträge gelten nach dem ersten Jahr nach Aufnahme der jeweiligen digitalen Gesundheitsanwendung in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e.
- Ist eine Vereinbarung nicht möglich, entscheidet eine vom GKV-Spitzenverband und den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hersteller von digitalen Gesundheitsanwendungen auf Bundesebene gebildete Schiedsstelle über den Vergütungsbetrag (§ 134 Ab. 3 SGB V).
Erweiterte Möglichkeiten für Krankenkassen zur Kooperation mit Softwareherstellern und Entwicklung digitaler Innovationen
- Krankenkassen haben zukünftig die Möglichkeit, aktiv auf die Entwicklung digitaler Innovationen hinzuwirken und diese zu fördern (§ 68a SGB V). Digitale Innovationen sind insbesondere
- digitale Medizinprodukte,
- telemedizinische Verfahren oder
- IT-gestützte Verfahren in der Versorgung.
- Sie können digitale Innovationen entweder alleine oder in Zusammenarbeit mit Dritten entwickeln oder von diesen entwickeln lassen. Damit sind insbesondere Kooperationen mit der Medizintechnik- und Softwareindustrie möglich.
- Auch eine Kapitalbeteiligung von Krankenkassen an innovativen Unternehmen ist vorgesehen (§ 263a SGB V). Diese kann bis zu 2 Prozent ihrer Finanzreserven umfassen und muss mit einer fachlich-inhaltlichen Kooperation verbunden sein.
Besondere Versorgungsformen mit Medical Apps
- Der neue § 140a Abs. 4 SGB V bildet die Grundlage für Krankenkassen zum Abschluss von besonderen Versorgungsverträgen mit Medizinproduktherstellern über digitale Versorgungsangebote.
- Die Einbindung eines Arztes in die Versorgung ist erforderlich, wenn über eine bloße Beratung hinaus diagnostische Feststellungen von dem jeweiligen digitalen Angebot getroffen werden. In der Regel muss es sich um einen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt handeln. Dementsprechend sind auch Ausnahmefälle denkbar, in denen die Therapievorschläge von anderen Ärzten als Vertragsärzten überprüft werden.
Vermittlung gesundheitsorientierter digitaler Kompetenz als Satzungsleistung
- Die Krankenkassen werden verpflichtet, Angebote zur Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz vorzusehen. Damit wird ein individueller Leistungsanspruch der Versicherten begründet. Qualitätsanforderungen werden vom GKV-Spitzenverband festgelegt.
- Die Leistungen sollen dazu dienen, die für die Nutzung digitaler oder telemedizinischer Anwendungen und Verfahren erforderlichen Kompetenzen zu vermitteln.