Am 30. Januar 2019 hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) beschlossen. Der nachfolgende Überblick fasst die Änderungen beim Vertrieb und der Preisbildung von Arzneimitteln zur spezifischen Therapie von Gerinnungsfaktoren bei Hämophilie zusammen.
Die Erste Lesung des Kabinettsentwurfs im Bundestag ist für April vorgesehen. Das Inkrafttreten des zustimmungspflichtigen Gesetzes in seinen wesentlichen Teilen ist zum 1. Juli 2019 geplant.
Umstellungen bei Vertriebsweg und Notfallversorgung
Durch eine Änderung von § 47 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) AMG sollen alle Arzneimittel zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie einem einheitlichen Vertriebsweg über die Apotheke zugeführt werden. Plasmatische und gentechnologisch hergestellte Gerinnungsfaktorenzubereitungen könnten deshalb nicht mehr wie bisher direkt an Ärzte und Krankenhäuser geliefert werden. Die Ausnahme vom Vertriebsweg über die Apotheke ist auf aus menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitungen beschränkt.
Zur Sicherung der Notfallversorgung von Hämophiliepatienten sollen spezialisierte ärztliche Einrichtungen jedoch einen Notvorrat an Arzneimitteln zur Therapie von Hämophilie zur Abgabe an Patienten bereithalten. Im Falle von Notfallversorgungen dürfen diese bevorrateten Arzneimittel durch einen hämostaseologisch qualifizierten Arzt an Patienten oder andere Einrichtungen der Krankenversorgung abgegeben werden (§ 43 Abs. 3a AMG Reg-E). Ebenso sollen die Organisation eines Notfallvorrats durch eine Krankenhausapotheke und dessen Abgabe möglich sein (§ 11 Abs. 2a ApoG Reg-E.). Bis zum Inkrafttreten der Änderungen zum Vertriebsweg im AMG und ApoG ist eine zusätzliche Übergangsfrist von einem Jahr ab Verkündung des GSAV vorgesehen (Art. 22 Abs. 3 GSAV-Reg-E).
Änderungen der Preisbildung
Ferner sollen die pharmazeutischen Unternehmer dem GKV-Spitzenverband nach dem neuen § 130d SGB V Reg-E innerhalb von drei Monaten beginnend mit dem Ende des Monats, in dem das GSAV verkündet wird, für Arzneimittel zur Therapie von Hämophilie einen mengengewichtigen arithmetischen Mittelwert als Herstellerabgabepreis melden. Dieser errechnet sich aus den für die Jahre 2017 und 2018 bei Direktabgabe gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a) AMG tatsächlich vereinbarten Preisen. Davon ausgenommen sind AMNOG-Arzneimittel mit Erstattungsbetrag.
Zeitgleich haben die Krankenkassen für die Jahre 2017 und 2018 dem GKV-Spitzenverband die abgerechneten Preise sowie die dazugehörigen Mengen im Direktbezug zu melden. Er hat daraufhin die Plausibilität der von den Herstellern auf Grundlage der Neuregelung gemeldeten Abgabepreise zu prüfen. Kommt der pharmazeutische Unternehmer seiner Meldepflicht nicht nach oder bestehen Zweifel an der Plausibilität der Angaben, setzt der GKV-Spitzenverband den Herstellerabgabepreis ggf. nach Stellungnahme des pharmazeutischen Unternehmers fest.
Der ermittelte Preis soll 12 Monate nach Ablauf des Monats gelten, in dem das GSAV verkündet wird. Nähere Regelungen trifft der GKV-Spitzenverband im Benehmen mit den maßgeblichen Herstellerverbänden. Welche Mitwirkungsbefugnisse der Herstellerverbände insoweit genau bestehen sollen, ergibt sich nicht aus dem Regierungsentwurf. Klagen gegen Festsetzungen des Herstellerabgabenpreises haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt.
Bedingt durch das in § 130d SGB V RegE vorgegebene Verfahren zur Neuberechnung der Listenpreise für Gerinnungsfaktorenzubereitungen bestimmt korrespondierend § 130a Abs. 3a SGB V, dass auch der Herstellerabschlag nach Inkrafttreten der Neuregelung aus dem von den pharmazeutischen Unternehmen ermittelten Preismittelwert zu berechnen ist.
Sonderkündigungsrecht für Erstattungsbetragsvereinbarungen
Daneben wird, bedingt durch die Neuregelung des Vertriebsweges und der Preisbildung von plasmatischen und gentechnologisch hergestellten Gerinnungsfaktorzubereitungen, ein befristetes Sonderkündigungsrecht für eine Erstattungsbetragsvereinbarung bzw. -schiedsspruch in § 130b SGB V in einem neuen Absatz 7a normiert. Im Fall einer Kündigung soll unverzüglich erneut ein Erstattungsbetrag vereinbart werden.
Einführung einer neuen Ermächtigung zum Abschluss von Versorgungsverträgen mit Hämophiliezentren
Schließlich werden in einem neuen § 132i SGB V Reg-E die Voraussetzungen für Versorgungsverträge zwischen Krankenkassen und Hämophiliezentren über die Behandlung von Hämophiliepatienten geschaffen. Die Verträge sollen die Vergütung von zusätzlichen, besonderen ärztlichen Aufwendungen zur medizinischen Versorgung und Betreuung regeln, insbesondere die Vergütung für:
- die Begleitung und Kontrolle der Selbstbehandlung,
- die Dokumentation nach § 14 TFG,
- die Meldung an das Deutsche Hämophilieregister nach § 21 Abs. 1a TFG sowie
- die Notfallvorsorge und die Notfallbehandlung.