Arbeitsrecht

Europäische Geschlechterquote in Unternehmensführung

Die Europäische Union arbeitet derzeit an einer Richtlinie, die Mitgliedstaaten verpflichtet, verbindliche Geschlechterquoten von 40 % in Aufsichtsräten bzw. 33 % in der Unternehmensleitung festzusetzen. Wir haben den aktuellen Stand der Beratungen für Sie zusammengefasst.

Verfahren

Bereits im Jahr 2012 arbeitete die europäische Kommission an einem Vorschlag für eine „Richtlinie zur Gewährleistung einer ausgewogenen Vertretung von Männern und Frauen unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften“. Der Vorschlag sollte ernsten Problemen bei der unterdurchschnittlichen Vertretung von Frauen in Schlüsselpositionen der Wirtschaft begegnen. Zwischenzeitlich, spätestens seit dem Jahr 2015, ruhte das Gesetzgebungsverfahren.

Ursula von der Leyen setzte das Vorhaben nun erneut auf die Tagesordnung des Rats der Europäischen Union und holte das Verfahren damit aus der Versenkung zurück. Es scheint beabsichtigt zu sein, die Richtlinie in zweiter Lesung im europäischen Parlament, ggf. noch dieses Jahr zu erlassen.

Ob eine solche Zielsetzung realistisch ist, erscheint derzeit fraglich. Jedenfalls in der Slowakei, Polen, Schweden, Estland, Lettland, Litauen und Ungarn bestehen Vorbehalte.

Regelungsgegenstand

Ziel der europäischen Richtlinie ist es, den Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts (bisher regelmäßig Frauen) in der Führungsebene von Unternehmen zu erhöhen. Hierfür adressiert die geplante Richtlinie zunächst nur börsennotierte Unternehmen. Von dem Anwendungsbereich ausgenommen werden ferner Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten und Unternehmen mit einem Jahresumsatz von höchstens EUR 50 Mio. bzw. einer Jahresbilanzsumme von maximal EUR 43 Mio.

Als Richtlinie wirkt die geplante Regelung selbst nicht unmittelbar, sondern macht den Mitgliedstaaten nur inhaltliche Vorgaben für die Umsetzung auf Basis eines nationalen Gesetzes. Nach dem derzeitigen Entwurf soll den Mitgliedstaaten dabei ein Wahlrecht zwischen zwei Ausgestaltungsvarianten zustehen:

  • Variante 1: Der jeweilige Mitgliedsstaat vereinbart als Zielvorgabe, dass das unterrepräsentierte Geschlecht mindestens 40 % der Aufsichtsräte und nicht geschäftsführenden Direktoren stellt.
  • Variante 2: Der jeweilige Mitgliedstaat vereinbart eine generelle Zielvorgabe von 33 %. Diese bezieht sich dann allerdings nicht nur auf Aufsichtsräte und nicht geschäftsführende Direktoren, sondern auch auf geschäftsführende Direktoren und Vorstandsmitglieder.

Die geplanten Quoten sollen bei kleineren Aufsichtsräten und Vorständen allerdings nicht dazu führen, dass mehr als die Hälfte der Sitze mit einem Geschlecht zu besetzen sind. Daher soll bei der Anzahl der zu vergebenden Sitze eine solche Anzahl an das unterrepräsentierte Geschlecht vergeben werden, die dem Ziel von 40 % bzw. 33 % am nächsten kommt, aber zugleich unterhalb einer Quote von 50 % liegt. In einem Aufsichtsrat mit drei Mitgliedern wäre dann weiterhin nur ein Mitglied mit dem unterrepräsentierten Geschlecht zu besetzen.

Den Mitgliedstaaten soll es zudem möglich sein, solche Unternehmen von einer Anwendung der Mindestquoten generell auszunehmen, in denen das unterrepräsentierte Geschlecht weniger als 10 % der Beschäftigten stellt.

Schließlich sind auch Informationsrechte für Kandidaten vorgesehen. Sie sollen auf Antrag über

  • 1. Qualifikationskriterien für die Auswahl der Kandidaten,
  • 2. den objektiven Vergleich der Kandidaten und
  • 3. Erwägungen, die den Ausschlag zugunsten des Kandidaten des anderen Geschlechts gegeben haben

informiert werden.

Umsetzung in Deutschland

Einzelne Mitgliedstaaten können nach dem derzeitigen Entwurf eine Umsetzung der europäischen Quotenregelung aussetzen, wenn sie bereits durch vorhandene Zielvorgaben eine ausgewogene Vertretung von Männern und Frauen sichergestellt haben („Opt-out-Option“). Die Bundesrepublik dürfte mit den am 12. August 2021 in Kraft getretenen Regelungen des FüPoG II (ausführlich im Newsletter 4/21) bereits die Voraussetzungen für einen solchen Opt-out erfüllen. Die Richtlinie müsste in der derzeitigen Fassung daher nicht zwingend umgesetzt werden. Vorstellbar ist gleichwohl, dass die derzeitige Ampel-Koalition die Richtlinie zum Anlass nehmen wird, bestehende Quoten von 30 % auf 40 % anzuheben.

Fazit

Die Richtlinie muss noch mit dem EU-Parlament verhandelt und von diesem beschlossen werden. Erst im Anschluss wird ersichtlich sein, welchen Inhalt die Richtlinie endgültig haben wird. Ob es überhaupt so weit kommt, ist derzeit nicht absehbar. Würde es zu einer Umsetzung kommen, wären die Quoten, sollte die Bundesregierung nicht von einer Opt-out Option Gebrauch machen – Stand jetzt – jedenfalls zum 31. Dezember 2027 von den betroffenen Unternehmen zu erfüllen. Sollte tatsächlich eine Erhöhung der Quote auf 40 % erfolgen, wären dann viele größere Unternehmen erneut im Zugzwang. Wir werden das weitere Verfahren im Blick behalten und Sie über Neuigkeiten informieren.

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